....und die Sicht eines Tischtennisnachwuchstrainers (Hobby? Barfuß! 2)

Ron, Wednesday, 04.09.2002, 09:40 (vor 8059 Tagen) @ Andrea

Hallo, zusammen,
Mit einer etwa 17 jährigen Erfahrung als Trainerin in einem Hamburger Sportverein mit integ-riertem Fitnessstudio mache ich immer wieder eine Beobachtung, die mich massiv an den Kollegen anderer Studios zweifeln lässt. So gehört es in jedem guten Studio zum Einstands-paket, dass jeder Neuling erst mal gründlich untersucht und eingestuft wird. Entsprechen-dend den persönlichen Zielen und den körperlichen Gegebenheiten wie Ausdauer, Vorer-krankungen und Inharmonien einzelner Muskelregionen wird dann ein persönlicher Trai-ningsplan erstellt.
Erst vor kurzem kam eine neue Teilnehmerin zu uns, die in ihrem früheren Fitnessstudio gerne barfuß trainiert hätte, dieses aber nicht durfte. Worauf ich die Betonung legen möchte: Sie hat seit Jahren unter Aufsicht von Trainingspersonal 2-3 mal die Woche gesportet. Da sollte man eigentlich von einem rund rum gut abgestimmten Muskelaufbau und einer ent-sprechenden Bewegungsfreiheit der Gliedmaßen ausgehen. Und dann sehe ich bei der Ein-stufung das, was ich so oft feststellen muß. Auf die Füße achtet kaum einer. Welchen Trai-ner kümmert es, wenn die Kunden mit Platt-, Senk- , Spreizfüssen kommen, ein eingebro-chenes Fußgewölbe haben oder durch falsches Schuhwerk, wie diese Dame, total verküm-merte Fußmuskeln und verkürzte Sehnen haben. "Schuh drum und fertig" scheint die Devise zu sein.
So hat die erwähnte Dame nun u.a. auch ein spezielles Training zu absolvieren, dass es ihr in vielleicht 6-12 Monaten erlaubt, auch ohne ganz dicke, weiche Wollsocken auf normal har-ten Untergründen barfuß zu laufen und dabei keine Schmerzen zu haben. Da es aber für den Fußmuskelaufbau und die Sehnenstreckung keine Geräte im eigentlichen Sinne gibt, habe ich immer reichlich zu tun, die Übungen in Einzelarbeit mit den "ja es sind eigentlich schon Patienten" durchzuziehen. Anfangs ist oft nicht mehr als eine kräftige Fußmassage mit leich-ter Dehnung im Anschluß möglich. Später gegen Ende des Fußtrainings muß ich dann oft schon ganz schön gegenhalten, wenn der Fuß z.B. gekippt oder seitlich aus dem Fußgelenk gedreht wird. Meine Leute sind dann immer ganz verwundert welche Bewegungen und mit welcher Kraft auch vom Fuß aus möglich sind. Dabei ist es völlig klar, wenn man sich verge-genwärtigt auf welch unwegsamem Gelände beispielsweise barfüßige Afrikaner/innen sicher und ohne Umknicken, Bänderrisse und voller Ausdauer bewegen. - Für viele hierzulande ist das was absolut neues.
Die erwähnte Dame wird jetzt jedenfalls noch viel Arbeit mit mir vor sich haben, ist aber z. Zt. noch ganz begeistert. Ich kann nur hoffen, dass auch andere Trainer/innen hier mehr lernen und dem Thema Fuß wenigstens etwas Beachtung schenken.
Andrea

Hallo Andrea!

Ich bin Tischtennisnachwuchstrainer in der Steiermark. Es gehört zu meinen Trainingsmethoden, dass alle Kinder und Jugendliche (Alter 10 - 17 Jahre) barfuß trainieren. Leider sind wir der einzige Verein in der Steiermark, in dem es erlaubt ist und sogar dringenst angeraten wird, dass Kinder barfuß trainieren.

Mir fällt auf, genauso wie es Hans-Martin als Kampfsporttrainer festgestellt hat, dass ein Großteil der Kinder grundsätzlich beim Stehen aber auch in der Bewegung die Fersen belasten. Dies wirkt sich beim Tischtennis fatal aus, weil dadurch beim Schlag der Ball "in die Wolken gejagt" wird.

In den unteren Klassen spielen unsere Kinder auch in der Meisterschaft barfuß. Leider sind wir dabei aber auf die Toleranz der Gegner angewiesen, denn im Tischtennisregelbuch sind Socken und Schuhe verpflichtend vorgeschrieben.
Allerdings könnte es vielleicht demnächst zu einer Änderung kommen, die indirekt von unseren Verein angeregt wurde. Folgendes hat sich nämlich ergeben: Nachdem barfuß bei Turnieren kein Problem ist (wahrscheinlich weil jeder Teilnehmer den veranstalteten Verein Nenngeld bezahlt)haben 6 Nachwuchsspieler und ich am vergangenen Sonntag barfuß bei einem Turnier in Graz teilgenommen. Wie fast jedesmal waren wir die einzigen, die barfuß spielten. Die Nachwuchtrainerin (eine Dame um die 60 Jahre) des veranstaltenden Vereines war so begeistert davon, dass wir barfuß spielen, dass sie es auch gleich ausprobierte und war davon fasziniert. Wie der Zufall so spielt ist diese Trainerin im Ausschuß für Regelkunde im steirischen Tischtennisverband. In der Ausschußsitzung am 5.9.2002 wird sie den Antrag stellen auf Streichung der Schuh- und Sockenpflicht im Regelbuch und dies mit sportlichen (bessere Beweglichkeit, Schnelligkeit, spätere Ermüdung...) und mit gesundheitlichen (mehr als 70% der österreichischen Kinder im Schulalter haben Problemfüsse) Aspekten begründen. Es bleibt also Abzuwarten.

Die Jungs und ich werden natürlich auch bei den nächsten beiden Turnieren am Sonntag und am 15.9. wieder barfuß spielen.

Barfuß am Turnunterricht teilzunehmen ist in Österreich kein Problem. Zumindest von 4 meiner Schützlinge weiß ich bei das sie barfuß turnen.

lg

Ron


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