Männliche /weibliche Kleidung & deren Hintergründe (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Tuesday, 03.09.2002, 07:14 (vor 8060 Tagen) @ Andi

Hi Bernd, hi Andi!

Die Bekleidungsvorschriften sind im Zusammenhang mit dem allgemeinen Bild von Mann und Frau zu sehen:
Früher waren die Rollen von Mann und Frau genau festgelegt - nicht nur bezüglich der korrekten Lebensweise (Hausfrau), sondern auch bezüglich der Bekleidung. Eine Frau mit Hosen war undenkbar - das ist doch keine richtige Frau...

Ein kurzer Abriß zu den historischen Hintergründen:
Zur Zeit des Rokoko (18.Jh.) trugen Männer und Frauen gleichermaßen farbenfrohe und mit allerlei Zierat (Rüschen etc.) versehene Kleidung. Dies änderte sich um 1800. Ich zitiere (JÜrgen Mirow, Geschichte des Deutschen Volkes, S. 528/529):
"Mit der Wendung gegen den Müßiggang wurden süße Schokolade (die es bald auch in fester Form gab) und buntfarbige Kleidung, beides bislang ein höfisches Statussymbol der Erwachsenen beider Geschlechter, zur Sache derer, die nicht arbeiteten: der bürgerlichen Frauen und Kinder. Die bürgerlichen Männer, die arbeitsam und ernsthaft zu sein hatten, gingen dagegen schon Ende des 18. Jahrhunderts nach englischem Vorbilde zu einer einfacheren, unverzierten und praktischeren Kleidung im Frackschnitt über. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden dabei lange Hosen anstelle der Kniehosen und der Zylinder üblich. Diesen Anzug übernahm dann auch der Adel. Überdies wurden im Laufe der Jahrzehnte die Farben der Herrenkleidung immer ruhiger, verdunkelten zu flaschengrün, tabakbraun und pflaumenblau, bis in der Mitte des 19. Jahrhunderts praktisch nur noch schwarz und grau übrig blieben. In dieser phantasielosen, uniformen Tristheit hat der Herrenanzug dann bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verharrt. Dagegen konnten sich bei der Kleidung der nicht arbeitenden Frauen Bestrebungen zum Einfachen nicht durchsetzen; der repräsentative Aufwand kehrte wieder."
Wie die Geschichte zeigt, war also während des 19. und teilweise auch des 20. Jahrhunderts die Kleidung der Frauen weitaus bunter und verspielter und auch formenreicher als männliche Kleidung - und diese lange Übung hat bis heute Auswirkungen!

Die Frauenbewegung änderte dies. Sie änderte nicht nur speziell Bekleidungs- und Moralvorschriften, sondern ganz allgemein verlangt die Emanzipation der Frau unter anderem, sich nicht auf bestimmte Vorschriften festlegen zu lassen. Eine Frau muss also nicht extra beweisen, dass sie eine "richtige" Frau ist, indem sie Hausfrau mit Kindern ist und nur Kleider statt Hosen trägt, sie wird einfach so als Frau anerkannt.
Bei den Männern ist eine solche Emanzipation ausgeblieben - ein Mann ist nicht einfach ein Mann, sondern muss sich als solcher ständig beweisen; dies tut er, indem er sicherstellt und demonstriert, dass er bestimmten, festen (künstlichen) Richtlinien entspricht. Alles, was diesen Richtlinien zuwiderläuft, muss deshalb tunlichst gemieden werden - deshalb das Imponiergehabe, deshalb das mangelnde Körperbewusstsein (siehe Ärztestatistik), deshalb die Homophobie, und deshalb auch die rigideren Kleidungsvorschriften.
In unserer Gesellschaft muss sich der Mann als solcher beweisen, die Frau muss sich dagegen nicht als solche beweisen und hat damit die größere Freiheit. So erkläre ich mir persönlich diese Unterschiede.

Barfüßige Sommergrüße,
Markus U.


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