Joggen (Hobby? Barfuß! 2)

jan es @, Sunday, 11.08.2002, 13:07 (vor 8082 Tagen) @ Wolfgang

Hallo Wolfgang,

ein super Beitrag von Dir! Er ist absolut geeignet als Umfassende Anleitung für Anfänger.

Das Problem mit Blasenbildung (erst Wasser, dann Blut) kenne ich auch als eine der ersten Hürden, wenn mensch sich erstmal überhaupt dazu entschlossen hat, barfuß auch auf Asphalt zu joggen. Aber es ist ja nur verständlich, daß unsere "zivilisierten" Füße ein längeres Training nötig haben, wenn sie nach 20 oder 30 Jahren endlich aus ihren Plastiksärgen auferstehen dürfen. Es ist quasi erstmal einiges an "Wiederbelebung" nötig...

Keep on Rockin'
but don't keep on Sockin'!

jan

Hallo, Sandra, Carla, Forumsteilnehmer,
als seltener aktiver Gast, aber Barfußhardliner melde ich mich mal wieder. Barfuß joggen: Darüber findet sich hier im Forum viel geschrieben - vor allem erfreulich gute Beiträge. Es gibt auch einige einschlägige Web-Sites.
Ab und an läßt sich (und sollte man) trotzdem wieder was dazu schreiben. Also meine persönlichen Erfahrungen.
Selbst laufe (laufe - Joggen ist 'nur' langsamer Trab) ich seit gut 20 Jahren Strecken bis Halbmarathon und mehr mittlerweile grundsätzlich ohne Schuhe und das - zugegeben - recht schnell. Zu allen Jahreszeiten, und im Winter auch im Schnee. Gut, aber das zählt nun schon zum Fortgeschrittenenstadium.
Der Bewegungsablauf ist beim trainierten Barfußläufer ein viel dynamischerer, ökonomischer als bei den modehörigen Klumpschuhträgern. Nun, ein gewisses Training ist die Voraussetzung - also mehr als sich nur Hornhaut anzulaufen.
Als Anfänger sollte man bekanntermaßen zunächst auf nachgiebigem Untergrund laufen und bewußt die (dem Menschen anatomisch natürliche) Vorderfuß-Lauftechnik einsetzen. Dabei ist zu beachten, dass die Ferse nach dem Vorderfuß auf dem Boden aufsetzt und das Körpergewicht trägt (Personen mit - durch falsches Schuhwerk - verkürzer Achillessehne sind diesbezüglich eingeschränkt).
Zunächst nur einige hundert Meter weit laufen. Dann die Distanz langsam(!) steigern. Eine zu schnelle Belastungserhöhung zieht u.U. eine Entzündung der Achillessehne u/o Wadenmuskulatur nach sich. Erstere ist sehr hartnäckig (sag ich aus eigener Erfahrung). Also, auch ein Muskelkater ist ein Warnsignal.
Später sollte man auf wechselnen Untergründen laufen, vorzugsweise Feinkies, um die Hornhautbildung und Festigung des Unterhautgewebes anzuregen. Aber, nicht übertreiben: Zuerst Wasser-, dann Blutblasen bilden sich schnell, reißen auf, schmerzen und heilen langsam. Ganz ungünstig ist auf Grobkies/Schotter zu laufen, was zu Stoßtraumata der Fußmuskulatur und -gelenke führen kann. Im Ggs. dazu erträgt eine starke Fußmuskulatur und -hornhaut leicht einige Kilometer harten Asphaltboden: Bei richtiger Vorderfuß-Lauftechnik werden Stöße auf die Wirbelsäule deutlich besser absorbiert als durch die teuersten Plastik-Luft-Treter. Besser eine Investition in Training statt in Modetreter.
Gut trainierte und durchblutete Füße lassen sich dann auch niederen Temperaturen aussetzen. Sehr zu empfehlen ist die Gewöhnung an Schnee. Dabei sollte die Außentemperatur nicht unter 0 Grad liegen und der Schnee feucht, nicht nass und nicht vereeist, sein. Zuerst 10 Minuten, später 20 usw. Ab 30 Minuten stellt sich i.d.R. das Gefühl von starker Wärme ein. Etwas später ist das Empfinden ein 'normales'. Das Barfuß-Laufen im Schnee belastet die Wadenmuskulatur stark, sollte daher am Anfang auch nicht übertrieben werden. Später, kann man sich auch echte Minusgrade zumuten. Aber Vorsicht: Punktuelles Brennen zeigt z.B. schon leichte Erfrierungen an, mit anschließender Blasenbildung etc. Solange aber taktile Wahrnehmung vorhanden ist, besteht keine Gefahr.
Nun, die immer wieder genannten 'Gefahren':
* Blasen durch Überbelastung oder Erfrierungen wurden schon oben angesprochen.
* Verletzungen durch Glasscherben oder Dornen passieren (hier in D.) sehr selten, wenn man nicht gerade in Industriegebieten, Hinterstädten etc. läuft. Waldwege, mit abwechslungsreichem Böden sind i.d.R. ideal und sicher.
* Umknicken: Diese Gefahr ist tatsächlich gegeben und größer für ungeübte Läufer, besonders in unebenem Gelände. Langsam das Training beginnen und v.a. nicht mit kalten Gelenken/Sehnen/Muskeln loslaufen. Eine Aufwärmphase (kleine Wippbewegungen, leicht auf der Stelle Laufen) ist immer sinnvoll.
* Anstoßen: Auf unebenen Wegen sollte man halt genauer hinsehen, wohin man tritt.
Abgesehen davon. Echte Hindernisse oder Nachteile sind diese 'peanuts' von Gefahren nicht. Schließlich will man sich ja der Umwelt exponieren und nicht eingepackt und wahrnehmungsarm herumschleichen.
Ach ja, zu beachten ist auch, dass jede (stärkere) sportliche Aktivität mit Entpannungsgymnastik beendet werden sollte. D.h. nach dem Laufen mittels Dehnen und Lockern der (noch warmen) belasteten Muskeln. Da beim Barfußlaufen (wie erwähnt) die Achillessehne und Wadenmmuskulatur relativ stark beansprucht werden, sollte man sich auch um diese besonders kümmern.
Schließlich ein paar der 'Vorteile':
* Wie gesagt, der Bewegungsablauf wird runder, dynamischer, die Koordination eine bessere. Nun, es gibt eine Reihe von Untersuchungen zur Biophysik des Laufes mit und ohne Schuhe. Deren Ergebnisse sind sehr widersprüchlich, nicht zuletzt weil es zu Vergleich kaum geübte Barfußläufer in diesen Breiten gibt.
* Mir erscheint auch die Wahrnehmung der Umwelt wichtig. Wir haben in unserer überformten Landschaft verlernt und denken zu selten dran, unsere Sinne, also auch den taktilen, umfänglich einzusetzen.
* Selbst bei schlechtem und kaltem Wetter barfuß zu laufen, reizt und stärkt/reguliert die Immunabwehr (liest man nicht nur, es ist wirklich so - sogar mein ehemals heftiger Heuschnupfen ist langsam ganz verschwunden). Und man wird, nach einem solchen guten Durchblutungsschub, auch nicht mehr unter kalten Füßen leiden.
* Nachdem man eine gute Stunde barfuß im Schnee gelaufen ist, stellt sich ein ausgesprochen euphorisches Wohlgefühl ein. Das letzte, was man tun möchte, ist sich jemals wieder Schuhe anzuziehen (... sie passen nachher auch gar nicht mehr recht).
* Außerdem: Man spart sich die 150 Euro für die HighTech-Bremser.
Es gäb auch noch viel mehr Positives zum Barfußsporteln zu erzählen, aber jetzt reichts hier. Kurz und gut: Ich kanns jedem empfehlen auszuprobieren!
Wolfgang


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