Barfuss fliegen (Swissair-Nachruf) (Hobby? Barfuß! 2)

Bene, Saturday, 06.04.2002, 00:41 (vor 8274 Tagen)

Zwei aktuelle Gegebenheiten geben Anlass zu diesem Bericht - es war Ostern und es war Swissair (Gott hab sie selig):

Vor zwei Jahren bin ich Karfreitag geschäftlich (wirklich, es musste über Ostern sein, ich habe aber meine Familie mitgenommen) nach Mallorca geflogen. Schon bei der Abreise gab es Traumwetter, soweit ich mich erinnere, war das 2000 der erste richtig schöne Tag, ich war jedenfalls noch nicht auf "barfuss" eingestellt, so ging es zunächst beschuht los.

Abgesehen von meinen Kundenterminen habe ich dann aber in Mallorca keine Schuhe mehr getragen. Auch bei einem der Kundentermine habe ich auf die Schuhe verzichtet (dort war es schon ziemlich warm), allerdings insgesamt war es nicht adäquat.

Interessant war die Rückreise: Meine Schuhe waren natürlich sicher im Koffer verstaut (sie durften ja nicht verlorengehen ;-) ). Mietwagenabgabe, Einchecken, lange Märsche durch den Flughafen, Sicherheitskontrollen, warten auf den Einlass ins Flugzeug, nirgends waren meine Füsse ein Thema.

Als wir dann aber das Flugzeug besteigen wollten, ging man durch einen kleinen Durchgang von der grossen Wartehalle hinter den Sicherheitskontrollen in einen kleineren Raum, bevor man von dort eine Treppe hinuntergehen konnte, ca. 50m über das Rollfeld lief und dann wieder über eine klassische Treppe das Flugzeug bestieg.

An diesem Durchgang stand eine "Kontrolleuse", mit der in einem Spielfilm eine garstige Waisenhaus-Wärterin perfekt besetzt gewesen wäre. Sie meinte nun, barfuss käme ich nicht in das Flugzeug. Die Abfertigungsleiterin, die wir bei der Kofferabgabe kurz gesprochen hatten, bestätigte dies (obwohl Sie schon dort mich auf die Barfüssigkeit hätte hinweisen können).

Jetzt wurde es spannend, in mir stieg deutlich Wärme auf, zumal beide zwar Swissair-Logos trugen, aber über Ihre spanische (pardon ggf. mallorkinische) Kultur hinaus für Flughafen-Mitarbeiter erstaunlich wenig Internationalität präsentierten, d.h. eine Diskussion in Englisch oder gar Deutsch scheiterte. Sie beharrten sehr energisch auf Ihrer Position und meine Schuhe waren im Koffer.

Glücklicherweise spricht meine Partnerin so gut spanisch, dass sie in anderen Situationen von Spaniern schon gefragt wurde, aus welcher Region von Spanien sie denn käme.... Es kam zu einer heissen Diskussion, von der ich nur wenig mitbekam. Zwischendurch erlebten wir hektischem Funkbetrieb und Gerenne der Abfertigungsleiterin zum Flugzeug, weil nun ernsthaft versucht wurde, unseren Koffer beim Verladen zu stoppen - dieser war aber schon verschwunden.

Schliesslich durften wir dann doch die Treppe runter, ich spürte 50m Rollfeld-Asphalt und wir stiegen in die Maschine. Dort empfing uns schon eine sehr freundliche Kabinencrew, so nach dem Motto "ach Sie sind das, toll, hier ist das kein Problem...".

Ich habe mich dabei übrigens ziemlich gewundert, wieviele Scherben auf diesen 50m lagen und mir gedacht, die sollten sich mal lieber mehr Sorgen um die Flugzeugreifen als um meine Füsse machen, die Räder sind nämlich auch barfuss und können nicht aufpassen...

Dies war in meiner langjährigen Barfusszeit das einzige Mal, dass echte Probleme drohten, zudem war diese Situation in meinen Augen sehr skurril, ich habe noch bis heute die Abfertigungtickets aufgehoben und die Namen der Mitarbeiterinnen aufgeschrieben, weil ich mich eigentlich bei der Swissair beschweren wollte, kam aber nicht dazu, jetzt ist es zu spät

Man kann daraus zwei Lehren ziehen:
1. Sicherheitshalber irgendetwas für die Füsse in der Bordtasche haben, falls man an einem Flughafen ohne Gangway abgefertigt wird.
2. Vorbehalte gegenüber Barfüssigkeit sind ein winziger Stein im Mosaik der grösste Pleite der Schweiz, das muss Wirtschaftslenkern zu denken geben...

Noch am Rande: Vom Flughafen Zürich fuhren wir in einem übefüllten IC nach Luzern - so im Gang stehend, kamen wir ins Gespräch mit einem Ehepaar, das auch nach Luzern wollte, irgendwie beiläufig erwähnten wir, dass wir noch schauen müssten, wie wir vom Bahnhof nach Hause kämen (und wir hatten auch noch unsere 1,5jährige Tochter dabei).

Einen längeren Aufenthalt in Zug nutzte dann der Mann, um seinen Sohn anzurufen, er solle mit dem Auto kommen (dieses Paar lebte in Luzern und hätte sonst kein Auto gebraucht). Der Mann hat uns dann noch abends um ca. 23 Uhr nach Hause gefahren, die einfache Strecke dauert etwa eine halbe Stunde, mit ÖPNV wäre bei unserem Wohnort um diese Zeit nichts mehr zu machen gewesen.

Diese Hilfsbereitschaft fand ich sensationell, solches ist mir ebenfalls noch nie passiert. (das hatte aber nichts damit zu tun, dass ich nebenbei auch noch barfuss war)

Herzliche Grüsse

Bene


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