Februarpresse (1) (Hobby? Barfuß! 2)

Georg @, Sunday, 24.02.2002, 11:55 (vor 8249 Tagen)

Hallo zusammen,
was lange währt ...
Der Februarpresse erster Teil :
Sind Hunde künftig zu erden?
Hundebesitzer, welche zusammen mit ihrem Liebling mit der Drahtseilbahn vom Stoos hinunter ins Schlattli fahren wollen, tun gut daran, ihren Vierbeiner vor Betreten der Talstation zu erden. Laut Bericht eines Hundebesitzers gebärdete sich sein Liebling kürzlich beim Betreten des Bereichs, der mit einer Bodenheizung ausgestattet ist, ziemlich verrückt. Der Hund begann von einem Bein aufs andere zu tänzeln, gerade so als ob er unter Strom stünde.
Bekanntes Phänomen?
Ob des tanzenden Hundes erstaunt, wandte sich der fragliche Hundebesitzer an einen Bahnangestellten [...] Lapidare Antwort des Bähnlers: Das ist die Bodenheizung, die durchschlägt. Den Menschen, die Schuhe anhaben, macht das nichts, aber die Hunde laufen ja barfuss.
Richtig: Hunde laufen barfuss. Nur, dass die Hunde durch leichte Stromstösse zu ihren Tänzen animiert werden, ist nicht gesichert. [...]
Grund für das Verhalten der Hunde könne doch der mangelnde Druckausgleich sein. Die Hunde - und deren Besitzer - hätten bei der Talfahrt mit der Drahtseilbahn gut 700 Höhenmeter zu bewältigen. Es wäre doch möglich, dass die Hunde den Druck, der durch die Talfahrt entsteht, nicht ausgleichen können und sich deshalb nach dem Verlassen der Kabine derart tänzerisch geben. Das allerdings scheint abwegig.
Wie nämlich der Brunner Tierarzt Bruno Winzap auf Anfrage erklärte, können Hunde den Druck genauso gut ausgleichen wie Menschen. [...]
Nachdem Stromstösse und Druckausgleich als mögliche Ursache für die Tanzeinlagen des Hundes ausgeschlossen werden können, verringert sich die Zahl möglicher Auslöser drastisch. Die Talstation Schlattli steht nahe bei der Muota. Eine mögliche Vermutung wäre, dass eine versteckte Wasserader unter Bodenheizung und Isoliermatten durchfliesst und so die Zuckungen des Hundes ausgelöst hat - nicht ganz abwegig, oder?
[Neue Luzerner Zeitung, 01. 02. 2002 ]
Ein lohnendes Reiseziel für die Schweizer Barfüßer(innen)? Und nicht vergessen : Auch wenn Ihr überhaupt nichts Ungewöhnliches spürt, auf jeden Fall Tänzchen aufführen !

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Den Füßen wird es heiß und kalt
Pfarrer Kneipp zu Besuch unterm Regenbogen: Wechselbäder im Kindergarten
NEUSTADT AM KULM [...]
Amelie hält die Luft an. Atemlos lässt sich das eiskalte Wasser viel besser ertragen. Denn die Füße, die kurz vorher noch im warmen Wasser badeten, zehn Sekunden ins kalte Wasser zu hängen, kostet ganz schön Überwindung. Aber so ist das nun einmal, wenn im Regenbogen-Kindergarten in Neustadt am Kulm gekneippt wird.
Seit einer Woche wird es den Füßen der Kinder heiß und kalt. Diese Wechselbäder (fünf Minuten warmes Wasser, zehn Sekunden kaltes Wasser) gehören zu den Kneippschen Anwendungen, die Pfarrer Sebastian Kneipp vor etwa 150 Jahren entwickelt hat.
Nicht nur Fußbäder sollen zu einem gesunden Leben beitragen. Auch die richtige Ernährung und Bewegung, ein geordneter Tagesablauf und Heilkräuter helfen dabei. Möglichst alle dieser fünf Bereiche will man im Neustädter Kindergarten auch umsetzen. Immer klappt das natürlich nicht. Man kann die Drei- bis Sechsjährigen ja nicht zum Kräutersammeln schicken. Aber Kräuter anbauen, das können die Kinder sicher, und sie dürfen es im Frühjahr auch ausprobieren.
Auch Armbäder (dabei hält man statt der Füße die Arme in warmes und kaltes Wasser) oder Taulaufen (barfuß über feuchtes Gras gehen) stehen noch auf dem Programm, das getestet werden wird.
Den Kindern macht das Kneippen jedenfalls riesig Spaß. Einige von ihnen machen sogar zu Hause mit den Eltern weiter und tauchen auch dort die Füße abwechselnd in warmes und kaltes Wasser. "Zum Glück müssen wir nur ein paar Sekunden in das kalte Wasser" sagt Amelie. "Das ist nämlich eiskalt", fügt ihre Freundin Eva hinzu. Aber Füße im warmen Wasser zu baden, das sei so richtig toll, schwärmen die Mädchen.
Auf die Idee, das Kneippen in den Kindergarten zu bringen, kamen die Kindergartenleiterin [...] Sie haben von einem anderen Kindergarten gehört, in dem gekneippt wird, und sich gedacht, dass das auch für Neustadt eine gute Sache wäre. Und so haben die beiden Frauen in einem Kurs gelernt, wie das Kneippen richtig angewandt wird.
Inzwischen darf jedes Kind einmal pro Woche die Füße ins Wasser tauchen oder andere Aspekte des Kneippens kennen lernen. Die Kinder fiebern diesen Kneipp-Tagen regelrecht entgegen. Und das können sie auch noch länger: Denn Kneipp wird mindestens noch bis zum Sommer zum Kindergartenalltag gehören.
Die Füße im warmen Wasser baden kann richtig angenehm sein, aber im eiskalten Nass halten es die Kinder des Neustädter Kindergartens nur zehn Sekunden aus. Derzeit machen die Mädchen und Jungen dort Bekanntschaft mit den Heilmethoden des Pfarrers Sebastian Kneipp.
[Nordbayerischer Kurier, 01. 02. 2002 ]
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Frag doch einfach das Kind in dir
Die deutsche Kinderbuchautorin Kirsten Boie verabschiedet sich von ihrer großen Kollegin Astrid Lindgren
In den letzten Jahren hatte sie sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück gezogen. Krank war sie nicht, nur alt: alt und müde. Der Tod, sagte Astrid Lindgren, würde sie jetzt nicht mehr erschrecken, wenn er käme. In Lindgrens letztem großem Buch, in "Ronja Räubertochter", heißt es beim Tod des alten Räubers Glatzen-Per: "Ronja hatte noch nie jemand sterben sehen, und sie weinte eine Weile. Aber in letzter Zeit ist er ja schon müde gewesen, dachte sie. Vielleicht ruht er sich jetzt irgendwo anders aus, wo, das weiß ich nicht."
In einem anderen Buch hat Astrid Lindgren es gewusst. Vor dreißig Jahren hat sie in der Geschichte von den "Brüdern Löwenherz" davon erzählt, dass nach dem Tod Nangijala auf uns wartet, das Land der Märchen und Abenteuer, und viele todkranke Kinder hat sie damit getröstet. Für sich selber allerdings brauchte sie diesen Trost nicht. "Ich glaube weder an Nangijala noch an Nangilima noch an den Himmel noch an sonst etwas", hat sie gesagt. [...]
Astrid Lindgren ist die einzige Schriftstellerin, die mir einfällt, mit deren Figuren in diesem Land beinahe jeder aufgewachsen ist. Gibt es überhaupt Kinder in Deutschland, die Pippi, Michel, Ronja, Kalle oder die Kinder aus Bullerbü nicht kennen? Und das - man mag es ja kaum sagen, so unzeitgemäß altmodisch erscheint es - ohne jede ausgeklügelte Marketingstrategie eines international operierenden Medienkonzerns, praktisch ohne jedes Merchandising, ohne Pippi-Federmäppchen, Kalle-Hausaufgabenhefte, Michel-Plastikbecher und Ronja-Kuschelkissen. Wer Pippi und ihre Kollegen kennt, tut das ausschließlich aus Lindgrens Büchern. Oder aus ihren Filmen.
Astrid Lindgren wurde 1907 im südschwedischen Smaland geboren, und in dieser Landschaft spielen auch die meisten ihrer Bücher, die in siebzig Sprachen übersetzt wurden. Halb Sm?land, stöhnen die Schweden, sei inzwischen in deutscher Hand, und wer kann sagen, wie oft nicht hinter dem Kauf einer alten, einsam gelegenen Kate in den sm?ländischen Wäldern, an sm?ländischen Seen, der aus den Kinderträumen ins Erwachsenenleben hinüber gerettete Wunsch nach dem ganz eigenen Bullerbü oder Lönneberga steht?
Da haben wir sie, die Wirkung der Literatur ins Leben hinein.
Auf der ganzen Welt lesen Kinder - dort, wo sie das Privileg haben, lesen zu können und Bücher zu bekommen - Lindgrens Geschichten. Es ist diese vermutlich einmalige Kombination aus Humor, Spannung und Ernsthaftigkeit, die offenbar Kinder auf allen Kontinenten zu fesseln vermag. Es ist Lindgrens Bereitschaft, die in all ihren Texten aufscheint, Kinder ganz und gar ernst zu nehmen, aber als das, was sie sind: als Kinder. [...]
Wenn wir aber ihre Bücher als Erwachsene (wieder) lesen, wird in uns die Erinnerung wach an die starken Gefühle der Kindheit. An das Glück, im Sommer barfuß über warme Sandwege zu laufen; an die abgrundtiefe Verzweiflung, wenn wir zu Unrecht beschuldigt wurden, etwas getan zu haben, für das wir nichts konnten. [...]
"Wir werden geboren und wir sterben", sagt Lovis, die Mutter von Ronja Räubertochter zu ihrem Mann, als Glatzen-Per, der Älteste seiner Räuber, sich für immer von ihnen verabschiedet hat. "So ist es seit eh und je. Was jammerst du da?"
Wir jammern gar nicht, Astrid. Wir sind einfach nur froh, dass du deine Bücher geschrieben hast. Hej daa! Und dankeschön.
[Die Welt, 01. 02. 2002]
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Eine Frage der Motivation
In den Feuerlauf werde zu viel interpretiert, sagt ein Wirtschaftstrainer, der ihn anbietet. Auch wenn er den Menschen durchaus "etwas bringt". [...]
"Ich wollte sehen, was ich in mir möglich machen kann", erklärt Angela Mayerhofer ihre Motivation, barfuß über einen Glutteppich zu gehen. Die Kindergartenpädagogin und Mentaltrainerin aus Flachau erzählt, dass nach einem Tagesaufbau, in dem sie von einem Trainer auf den Feuerlauf vorbereitet worden war, "Körper und Geist darauf eingestellt waren. Es ist wichtig, ein mentales Fundament zu haben und so etwas nicht einfach aus Spaß oder als Event zu machen."
Und was hat ihr der heiße Weg gebracht? "Wenn ich mich konzentriere, habe ich das Gefühl des Sieges und der Freude noch in mir." Angela Mayerhofer hat den Feuerlauf gemeinsam mit ihrem Mann gemacht. In anspruchsvollen Situationen erinnere sie sich daran, "das haben wir damals auch geschafft".
Er steht auf der anderen Seite: Peter Glatz, Wirtschafts- und Mentaltrainer aus der Steiermark. Er bietet Klienten auch Feuerläufe an. "Nicht mehr als zwei bis drei pro Jahr." Für seinen Geschmack werde von vielen "ein zu großes Theater um den Feuerlauf gemacht. Da wird zu viel hineininterpretiert." Dabei, sagt er, könne jeder drübergehen. Zwischen den Atomen in den Füßen und der Glut würden Interferenzmuster auftreten, dadurch würde die Hitze nicht als heiß empfunden. Dass trotzdem bei Feuerläufen Verletzungen passieren, bestätigt Glatz. "Wenn du die falsche Motivation für so etwas hast und die Angst verdrängst statt überwindest, kann man sich verbrennen."
Glatz hat nichts dagegen, wenn Leute als Event oder zum Spaß über Kohlen laufen. Nur die Motivation sollte passen. Glatz warnt vor Gruppendruck. Man müsse jedem Teilnehmer begreiflich machen, dass es mehr Mut erfordere, Nein zu sagen, wenn im Gegensatz zu ihm alle anderen über die Glut gehen [...] Ein guter, erfahrener Trainer könne die Leute in zwei bis drei Stunden vorbereiten, so Glatz.
Das Ergbnis? "Mehr Lebensvertrauen und ein wichtiges Erlebnis. Die Menschen haben zu viel Angst, das will ich zeigen." [...]
[Salzburger Nachrichten, 02. 02. 2002 ]
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Spuren der Geschichte drohen verweht zu werden
Das Grauen der Vergangenheit darf nicht verschwiegen werden. Darin sind sich alle einig - solange es nicht ums liebe Geld geht. Noch immer fehlt ein Gedenkstein für die einstigen jüdischen Zwangsarbeiterinnen im Mühlhäuser Stadtwald.
Früh hin, abends zurück. Einige Kilometer. Spuren nackter Füße, eingeprägt in Bronze, eingeprägt ins Gedächtnis der Nachgeborenen. Die Spuren der jüdischen Frauen. Täglich mussten sie den langen Weg zwischen dem KZ-Außenlager am Stadtwald und der Fabrik tief drinnen im Wald gehen. Hungrig, entkräftet, unzureichend gekleidet, zwar der Hölle von Auschwitz entronnen, aber ungewiss ihrer Zukunft.
Die Fußspuren in der Bronzeplatte sind eine Idee des Bad Langensalzaer Bildhauers Harald Stieding. Im Original drei bis vier Meter lang, einen Dreiviertelmeter breit. Wer hier drüber geht, muss ganz einfach nachfragen, was damals war. Zumal sich gleich daneben eine Stele erhebt mit dem Grundriss des jüdischen Davidsterns.
Von dem Denkmal existiert bislang nur ein Entwurf, aber auch der hat den Künstler Nachdenken, Zeit und Geld gekostet. Nicht einen Cent hat er dafür bekommen. Und ob es das Original je geben wird, und das noch zu Lebzeiten Orna Birnbachs, einer ehemaligen Lagerinsassin, das steht in den Sternen. Sie hatte die Stätte ihrer Leiden besucht und war verwundert darüber, dass nichts, aber auch gar nichts an die Schicksale der jüdischen Frauen im Stadtwald erinnert. [...]
[Thüringer Allgemeine, 02. 02. 2002]
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Aus Tennishallen werden Beachvolleyballplätze
Das Ende eines Volkssports [...]
Rainer Möllenbeck hat feinsten Strandsand ankarren lassen und in seine Tennishalle in Brück geschüttet. Dort, wo einst ruhige Tennismatches ausgetragen wurden, kann heute laut und lustig Strandfußball oder Beachvolleyball gespielt werden. Firmen feiern ihre Betriebsfeste mit Barfuß-Spielchen und einem Buffet im knöcheltiefen Sand.
Im März macht der rührige Betreiber des in "Mulitsports-Area" umgetauften ehemaligen "Brücker Sportparks" zwei weitere Tennisplätze dicht. Dort kann dann auf "Mulitfunktionsplätzen" Basketball, Handball oder Skaterhockey gespielt werden. [...]
"Der Boom ist vorbei", sagt Athanasios Chatzinas von Omega-Sports, der die Tennishalle in Dellbrück betreibt. "Vielen geht es schlecht." Chatzinas hofft wie alle, die heute noch dabei sind, dass die Pleite-Welle schnell zu Ende geht und das kleinere Kölner Angebot nun der geschrumpften Nachfrage entspricht.
Doch der Tiefpunkt scheint noch nicht erreicht: In der Tennishalle in Porz-Wahn wird zur Zeit die Kundschaft befragt, um zu erfahren, wieviele Plätze man im Sommer schließen kann. Die Betriebskosten für nicht ausgebuchte Plätze seien einfach zu hoch. Auch hier wird überlegt, demnächst Tennisplätze in Beachvolleyball-Felder umzuwandeln.
"Nur neue Sportarten anzubieten ist aber zu wenig", sagt Pionier Möllenbeck. "Mulitfunktionalität" sei das Zauberwort. Und die zeige sich nicht nur in der "Aneinanderreihung von mehreren Monosportarten", sondern darin, dass auf einem Platz gleich mehrere Sportarten ausgeübt und gleichzeitig ein Kindergeburtstag gefeiert werden können. [...]
Die Konkurrenz wird immer härter", sagt Harald Michels vom Institut für Freizeitwissenschaften an der Sporthochschule. Er spricht von einer "sehr großen "Ausdifferenzierung des Sport- und Freizeitangebots". "Manchmal kann man gar nicht so schnell gucken, wie neue Trendsportarten entstehen."
Wie beim Fernsehen durch die Kanäle würden junge Leute heute durch die Sportarten "hoppen". Alten Sportarten wie Tennis fehle die "erlebnisorientierte Inszenierung"; sie würden als langweilig empfunden. [...]
[Kölnische Rundschau, 03. 02. 2002]
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Vom Zuckerhut in den Taunus [...]
Ein paar nackte Füße lugen unter dem grünsamtenen Vorhang hervor, eine Trompete dudelt, die Spannung wächst. Der große Saal im Köpperner Bürgerhaus ist bis auf den letzten Platz besetzt. 330 Gäste wollen alle nur eins: Die "Brasil-Tropical-Show" sehen und lateinamerikanische Lebensfreude spüren.
Da sind sie auch schon: Die weltberühmten, kaffeebraunen Schönheiten, die mit üppigen Federbüschen auf den Köpfen und in knappen, aber verschwenderisch verzierten Bikinis Samba tanzen, die temperamentvollen Musiker, die zu sechst für einen Sound sorgen, der fast von einer Bigband kommen könnte, und die athletischen Tänzer, die Räder und Salti schlagend über die Bühne wirbeln, dass die Zuschauer vor Staunen den Atem anhalten. Das Ensemble unter der Leitung von Edvaldo Carneuros und Domingos Campos stammt aus Salvador, der Hauptstadt des brasilianischen Staates Bahia.
Das Tempo und der Rhythmus reißen die Gäste mit, und das Strahlen auf den Gesichtern der Tänzerinnen geht auf den ganzen Saal über. Die Mädchen mit den langen schwarzen Haaren treten mal als Urwald-Amazonen mit bloßem Oberkörper, Pfeil und Bogen, dann wieder züchtig verpackt als balinesische Tempel-Tänzerinnen mit kronenartigem Kopfschmuck und weiten Röcken auf. [...]
[Taunus Zeitung, 04. 02. 2002]
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St.-Annen-Museum sammelt kuriose Souvenirs: So kitschig ist das Holstentor [...]
Lübeck - Bierhumpen, Tassen, Schneekugeln: Das St.-Annen-Museum sucht Nippes rund ums Holstentor - für eine große Kitsch-Ausstellung.
Was zierte den Fünfzig-Mark-Schein, wäre um ein Haar (besser: um eine Stimme) 1863 abgerissen worden und gilt heute als das Lübecker Wahrzeichen schlechthin? Richtig: das Holstentor. Kaum ein Ort in Lübeck, den mehr Touristen aufsuchen als das berühmte Backstein-Gebäude. Kein Wunder also, dass das wuchtige Wehrtor auch zum beliebten Miniatur-Mitbringsel für Souvenir-Sammler geworden ist - und in Kürze sogar der Star einer Ausstellung sein wird. [...]
Besonders stolz ist Rodiek auf einen über 100 Jahre alten Zettel, auf dem der Wegezoll verzeichnet ist, der für das Durchschreiten des Holstentores zu entrichten war: fünf Pfennig barfuß, 20 Pfennig mit Schuhwerk. [...]
[Lübecker Nachrichten, 07. 02. 2002 ]
Eine nachahmenswerte Preispolitik! Was uns heute gut gefallen würde, hatte aber sicherlich unerfreuliche soziale Hintergründe (barfuß = arm, beschuht = wohlhabend). Da zahle ich dann doch lieber Einheitspreise!
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Frag doch einfach das Kind in dir
Die deutsche Kinderbuchautorin Kirsten Boie verabschiedet sich von ihrer großen Kollegin Astrid Lindgren
In den letzten Jahren hatte sie sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück gezogen. Krank war sie nicht, nur alt: alt und müde. Der Tod, sagte Astrid Lindgren, würde sie jetzt nicht mehr erschrecken, wenn er käme. In Lindgrens letztem großem Buch, in "Ronja Räubertochter", heißt es beim Tod des alten Räubers Glatzen-Per: "Ronja hatte noch nie jemand sterben sehen, und sie weinte eine Weile. Aber in letzter Zeit ist er ja schon müde gewesen, dachte sie. Vielleicht ruht er sich jetzt irgendwo anders aus, wo, das weiß ich nicht."
In einem anderen Buch hat Astrid Lindgren es gewusst. Vor dreißig Jahren hat sie in der Geschichte von den "Brüdern Löwenherz" davon erzählt, dass nach dem Tod Nangijala auf uns wartet, das Land der Märchen und Abenteuer, und viele todkranke Kinder hat sie damit getröstet. Für sich selber allerdings brauchte sie diesen Trost nicht. "Ich glaube weder an Nangijala noch an Nangilima noch an den Himmel noch an sonst etwas", hat sie gesagt.
Schon zwei Stunden nach ihrem Tod sendete die "Tagesschau" einen ungewöhnlich umfangreichen filmischen Nachruf: Das ist nicht erstaunlich bei einer Schriftstellerin, die 94 Jahre alt geworden ist und deren Tod nicht überraschend kam. Erstaunlich ist allerdings, dass ihr Tod in den Nachrichten sämtlicher Fernseh- und Rundfunksender ausführlich kommentiert wurde - der Tod einer Schriftstellerin, die ihr Leben lang nie für eine andere Zielgruppe hat schreiben wollen als für Kinder und die dies auch immer wieder und mit Nachdruck betont hat. Oder dann vielleicht doch nicht so erstaunlich: Denn Astrid Lindgren ist die einzige Schriftstellerin, die mir einfällt, mit deren Figuren in diesem Land beinahe jeder aufgewachsen ist. Gibt es überhaupt Kinder in Deutschland, die Pippi, Michel, Ronja, Kalle oder die Kinder aus Bullerbü nicht kennen? Und das - man mag es ja kaum sagen, so unzeitgemäß altmodisch erscheint es - ohne jede ausgeklügelte Marketingstrategie eines international operierenden Medienkonzerns, praktisch ohne jedes Merchandising, ohne Pippi-Federmäppchen, Kalle-Hausaufgabenhefte, Michel-Plastikbecher und Ronja-Kuschelkissen. Wer Pippi und ihre Kollegen kennt, tut das ausschließlich aus Lindgrens Büchern. Oder aus ihren Filmen.
Astrid Lindgren wurde 1907 im südschwedischen Smaland geboren, und in dieser Landschaft spielen auch die meisten ihrer Bücher, die in siebzig Sprachen übersetzt wurden. Halb Sm?land, stöhnen die Schweden, sei inzwischen in deutscher Hand, und wer kann sagen, wie oft nicht hinter dem Kauf einer alten, einsam gelegenen Kate in den sm?ländischen Wäldern, an sm?ländischen Seen, der aus den Kinderträumen ins Erwachsenenleben hinüber gerettete Wunsch nach dem ganz eigenen Bullerbü oder Lönneberga steht?
Da haben wir sie, die Wirkung der Literatur ins Leben hinein.
Auf der ganzen Welt lesen Kinder - dort, wo sie das Privileg haben, lesen zu können und Bücher zu bekommen - Lindgrens Geschichten. Es ist diese vermutlich einmalige Kombination aus Humor, Spannung und Ernsthaftigkeit, die offenbar Kinder auf allen Kontinenten zu fesseln vermag. Es ist Lindgrens Bereitschaft, die in all ihren Texten aufscheint, Kinder ganz und gar ernst zu nehmen, aber als das, was sie sind: als Kinder. Was dann bedeutet, ihnen, ohne auf sie herab zu sehen, eine erzählte Welt zuzugestehen, die sie nicht überfordert; die immer die Hoffnung auf die Zukunft offen lässt und gleichzeitig, zumeist ganz unauffällig und ohne jede offene Didaktik, dem Leser deutlich macht, dass es auch von ihm abhängt, ob sich diese Hoffnung erfüllt.
Es fällt schwer, sich einen anderen Schriftsteller zu denken, der in seinen Geschichten die Gefühls- und Erlebniswelt von Kindern so authentisch dargestellt hat wie Astrid Lindgren. Hinzu kommt, dass wir ihren Büchern kaum absprechen können, was im Zusammenhang mit Kinderliteratur nicht selbstverständlich ist: literarische Qualität. Niemand wird ernsthaft bestreiten wollen, dass Texte für Kinder niemals die gleiche Komplexität erreichen können wie die besten Texte der Erwachsenenliteratur - sie würden, wollten sie versuchen, hier zu konkurrieren, ihre Leser verraten, die noch Anfänger sind auf dem Gebiet der Literatur (wie im Leben) und die einen Anspruch darauf haben, dass es einem Text gelingt, ihnen auch Komplexes auf einfache Weise nahezubringen.
Genau hier nun war Astrid Lindgren Meisterin - eine Meisterin der Poesie des Einfachen. Niemals haben wir bei ihren Büchern das Gefühl, dass einfach ein Synonym für simpel wäre, dass es sich bei der Einfachheit ihrer Texte um bewusste Reduktion im Interesse der kindlichen Leser handelt, um das Fehlen von etwas, um das es uns (als erwachsenen Lesern) also eigentlich leid tut. So, genau so, das merken wir beim Lesen, muss dieser Text sein.
Immer wieder hat Astrid Lindgren darauf verwiesen, dass sie sich, sie wisse nicht warum, eben ganz genau daran erinnern könne, wie es sich anfühlt, ein Kind zu sein. Und aus diesem Wissen heraus hat sie ihre Geschichten erzählt, wie sie ihrer Überzeugung nach für die jeweilige Altersgruppe erzählt werden mussten; was ja nichts anderes bedeutet, als dass die Form des Textes nicht nur dem zu erzählenden Inhalt, sondern auch dem Rezeptionsvermögen der kindlichen Leser entspricht.
Wenn wir aber ihre Bücher als Erwachsene (wieder) lesen, wird in uns die Erinnerung wach an die starken Gefühle der Kindheit. An das Glück, im Sommer barfuß über warme Sandwege zu laufen; an die abgrundtiefe Verzweiflung, wenn wir zu Unrecht beschuldigt wurden, etwas getan zu haben, für das wir nichts konnten.
Astrid Lindgrens Texte sind von einer großen Ehrlichkeit - und das ist etwas, nach dem wir nicht nur in der Kinderliteratur häufig vergeblich suchen. "Es gibt eine heimliche Hauptperson in allen Büchern Astrid Lindgrens", schreibt ihr Landsmann Henning Mankell. "Und das ist sie selber. Sie ist nicht nur die Schriftstellerin, die dichtet. Sie schreibt sich selber ein." Genau deshalb, sagt Mankell, seien all ihre Figuren so lebendig und hätten wir beim Lesen das Gefühl, für eine Weile mit ihnen in ihrer Welt zu leben. Nicht nur als Kinder, übrigens.
Die Vielfalt der Genres, derer Lindgren sich bedient hat - bedient, denn sie hat sie niemals einfach nur übernommen, kopiert, sondern immer für ihren jeweiligen Zweck angepasst, bis es uns fast erscheint, sie hätte ein neues Genre geschaffen - sucht (auch im Bereich der Erwachsenenbelletristik) ihresgleichen: Vom klassischen Mädchenbuch ("Kati") über den Krimi ("Kalle Blomquist"), die Idylle ("Bullerbü"; "Saltkrokan"), die Familiengeschichte ("Lotta") mit sozialkritischer Einbettung ("Madita"), die Farce ("Pippi", "Karlsson"), die Lausbubengeschichte ("Michel"), die fantastische Erzählung ("Mio, mein Mio"; "Die Brüder Löwenherz") schließlich wieder zum - jetzt keineswegs mehr klassischen - Mädchenbuch ("Ronja Räubertochter") finden wir eine Fülle unterschiedlichster Gestaltungsformen.
Und auch ihre Sprache ist so wandlungsfähig, wie wir es nicht von vielen Schriftstellern kennen, ist immer in Übereinstimmung mit den Notwendigkeiten einer Geschichte und schafft erst deren jeweilige, immer ganz spezifische Atmosphäre. Zwischen der mündlich anmutenden Alltagssprache der siebenjährigen Ich-Erzählerin in den Bullerbü-Büchern und dem ruhigen poetischen Stil des allwissenden Erzählers in "Ronja Räubertochter" spannt sich ein weiter Bogen sprachlicher Möglichkeiten.
Dabei ist Lindgren mit ihren Büchern keineswegs immer auf begeisterte Reaktionen gestoßen: Pippi, längst das bekannteste Kinderbuchmädchen der Welt, hat zunächst in Schweden, danach in Deutschland keinen Verlag finden können und jahrelang heftigste Proteste bei Pädagogen und anderen wohlmeinenden Menschen ausgelöst. Und noch als sie längst weltberühmt war, haben 1973 ihre "Brüder Löwenherz" (ein Buch über den Tod zu einer Zeit, als dieser in der Kinderliteratur als Tabuthema galt) zu scharfen Reaktionen der Kritiker geführt. So hat Lindgren durch ihre Bücher mit untrüglichem Gespür für das, was jeweils an der Zeit war, immer wieder die bestehenden Grenzen der Kinderliteratur durchbrochen oder vielleicht eher: nach vorne hin verschoben und damit mehr Raum, mehr literarische Möglichkeiten geschaffen auch für andere Schriftsteller.
Dabei ist es ihr nicht primär um die Literatur, sondern immer zuerst um die Kinder gegangen. Um das, was Kritiker, Lehrer und andere berufene Erwachsene zu einem Buch vermutlich sagen würden, könne sie sich beim Schreiben leider nicht scheren, hat Lindgren in einem Interview gesagt, sonst wäre ihr das Schreiben nämlich ganz und gar unmöglich. Sie frage sich einfach - das Kind in ihr frage sie -, wie die Geschichte, die sie erzählen wolle, wohl für Kinder geschrieben werden müsse; nur darum gehe es ihr.
Und sie hat recht behalten. Eben weil sie sich niemals von der Kritik hat irritieren lassen, hat sie durch ihre Bücher die kinderliterarische Landschaft über Jahrzehnte hin grundlegend verändern können.
Auch die Palette der Probleme, mit denen Lindgren sich in ihren Büchern auseinander gesetzt hat, ist groß - aber, wie das der Literatur nur im glücklichen Fall gelingt: Wir merken kaum etwas davon, solange wir lesen, eintauchen in die Welt der Geschichte; erst wenn wir bewusst darüber nachdenken, fallen uns die Themen ins Auge. Meilenweit ist Lindgren einer bemühten Kinderliteratur entfernt, die meint, Buch um Buch penetrant Problem nach Problem abhaken zu müssen. Dass Ronja unter anderem eine Geschichte über die schmerzhafte Ablösung von den Eltern ist, die Brüder Löwenherz eine Geschichte vom Sterben und der Bekämpfung der Angst, Madita eine streckenweise satirische Erzählung über die sozialen Verhältnisse in einer schwedischen Kleinstadt Anfang des letzten Jahrhunderts: Niemals drängt es sich beim Lesen in den Vordergrund und kann doch vermutlich gerade deshalb beim Leser einen so starken Eindruck hinterlassen.
Darum war es auch von großer Naivität, wenn wir in den Jahren nach 1968 der Lieblingsschriftstellerin unserer Kindheit plötzlich abgeschworen und ihr vorgeworfen haben, sie wäre harmlos, ihre Bücher einfach nur Heile-Welt-Literatur. Gäbe es eine Möglichkeit, derartige Wirkungen zu messen, ich bin sicher, wir würden feststellen, dass Lindgrens Bücher mit ihrer emotionalen Intensität bei vielen, vielen Kindern Spuren hinterlassen haben, die weit in ihr Leben reichen - mehr als viele der Bücher, die sich mühsam, gut gemeint und oft hölzern an den verschiedensten Problemen abarbeiten.
In jedem Fall haben ihre Geschichten unendlich viele Kinder zu Lesern gemacht, haben ihnen vermittelt, dass in Büchern noch etwas anderes verborgen ist, ein Extra, das man in Filmen nicht finden kann, und dass es deshalb lohnt, sie zu lesen, auch wenn es zunächst mühsam erscheint. Auf altersgemäße Weise haben sie beim Leser Ansprüche geweckt, die mit trivialer Lektüre allein nicht mehr zu befriedigen sein werden, weshalb wir hoffen dürfen, dass Lindgrens kindliche Leser auch später als Erwachsene noch zu Büchern greifen werden, und nicht nur zu den oberflächlichsten.
"Ich glaube, wir sollten Gott bitten, mich mit dem Nobelpreis zu verschonen", hat Astrid Lindgren vor Jahren gesagt, als sie auf diese international wichtigste literarische Auszeichnung angesprochen wurde. Und er hat sie erhört, auch wenn ihr Name, in den Medien wohl stärker als in der Schwedischen Akademie, über Jahre hin immer wieder im Gespräch war. Andere Preise hat sie erhalten, schon 1978 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. "Niemals Gewalt", unter dieses Motto hat Astrid Lindgren damals ihre Rede bei der Verleihung gestellt - und diese Haltung liegt spürbar allen ihren Büchern jenseits aller Tagesaktualität zugrunde und verleiht ihnen gerade darum dauerhaftere Bedeutung.
Dass es ihr im Umgang mit konkreten Problemen niemals ausgereicht hat zu schreiben, sondern dass sie gehandelt, dass sie sich eingemischt hat, wenn es ihr wichtig war, hat Lindgren in ihrer Auseinandersetzung mit der schwedischen Steuergesetzgebung und einer Kampagne gegen Massentierhaltung gezeigt, die schließlich zu einer neuen Tierschutzgesetzgebung in Schweden geführt hat.
In den letzten Jahren hatten wir nicht mehr so viel von ihr gehört. Aber immer noch sind da ja Gott sei Dank ihre Bücher, die ihre Leser trösten und traurig und zornig und fröhlich machen können und die vielleicht, wer weiß, den einen oder anderen auch dazu verführen, sich wie sie einzumischen, wenn es ihm nötig erscheint. Das würde sie freuen, glaube ich.
Und wenn sie nun in Vimmerby zu Grabe getragen wird, dann wird vielleicht vom Stadthausturm der kleine Herr Lilienstengel angeschwebt kommen, Lillebror und Karlsson werden unsichtbar über der Trauergesellschaft kreisen, auf seinem Pferd Lukas wird Michel ihr zu Ehren Müsse und Büsse schwingen, und Pippi, für die es ja schon immer ganz selbstverständlich war, eine Mama zu haben, die ein Engel ist, wird ohne alle Manieren hoch winken zum Himmel, von wo, das kennt sie ja, nun auch ihre Schöpferin durch ein kleines Loch auf sie herunter sieht.
"Wir werden geboren und wir sterben", sagt Lovis, die Mutter von Ronja Räubertochter zu ihrem Mann, als Glatzen-Per, der Älteste seiner Räuber, sich für immer von ihnen verabschiedet hat. "So ist es seit eh und je. Was jammerst du da?"
Wir jammern gar nicht, Astrid. Wir sind einfach nur froh, dass du deine Bücher geschrieben hast. Hej daa! Und dankeschön.
Kirsten Boie wurde mehrfach für den Jugendliteraturpreis vorgeschlagen. Im Januar erschien ihr Buch "Sommer im Möwenweg" bei Oetinger.
[Die Welt, 06. 02. 2002]
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Sei eine Schlingpflanze!
Nur für außen Stehende lustig: ein Besuch bei der Berliner Schule für Schauspiel [...]
Pau pau pau pau, pau pau pau pau". Fünf erwachsene Menschen stehen barfuß oder nur mit Socken an den Füßen im Kreis und geben merkwürdige Töne von sich. Dabei verlagern sie ihren Körperschwerpunkt in einer fließenden Bewegung vom linken auf den rechten Fuß und zurück. Zu jedem "pau" schlagen sie leicht mit der rechten Hand am linken Arm entlang, dann mit der linken Hand am rechten.
In der Berliner Schule für Schauspiel in der Boxhagener Straße ist Tag der offenen Tür. Von den Besuchern lassen sich die vier Schülerinnen und Schüler des Seminars "Körpertraining" nicht aus der Ruhe bringen. [...]
Den Körper wahrnehmen
Dozent Bernhard Dökel leitet die Schüler zu Dehn- und Yogaübungen an. Diese sollen das Rhythmusgefühl, die Körperwahrnehmung und die Konzentrationsfähigkeit der zukünftigen Schauspieler schulen. "Sie müssen lernen, die Gedanken einer Figur mit Hilfe ihres Körpers auszudrücken", erklärt Dökel nach der Stunde. Nur für außen Stehende sehen diese Übungen lustig aus.
Die Ausbildung an der kleinen privaten Schauspielschule ist anstrengend und erfordert Disziplin. Geschäftsführer Lars Liepe sagt: "Ein Konzept der Schule ist die permanente Überforderung der Schüler. Die teure Ausbildung soll sich für die Schüler rentieren. Sie sollen sich später selbstbewusst auf der Bühne präsentieren und im harten Markt bestehen können." [...]
[Berliner Zeitung, 08. 02. 2002 ]
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Keine Eile in Sachen Wolfswiesental
Gemeinderat Gechingen beauftragt Werkgruppe "gruen" mit Erstellung eines Konzepts
Gechingen. Ein planerisches Konzept lässt die Gemeinde Gechingen über die Möglichkeiten zur Umgestaltung des "Wolfswiesentales" erstellen. Bereits seit längerem wird unter dem Motto "Grünes Wolfswiesental" darüber nachgedacht, dieses Randgebiet, das dennoch in räumlicher Nähe zum Altort liegt, aufzuwerten. [...]
Die Ziele, die hier verwirklicht werden sollen, fallen in die Bereiche Erholung, Freizeit, Spiel und ökologische Aufwertung. Ideen, wie das Gelände einmal aussehen und was dort angelegt werden könnte, gibt es viele.
Sie reichen von einem kleinen Teich, zu dem der Bach aufgestaut werden könnte, über einen Spielplatz für Kleinkinder oder einen Abenteuerspielplatz, Boccia-Anlagen, eine Half-Pipe, Kommunikationsflächen und eine Bühne bis hin zu einem Barfuß-Park. [...]
[Schwarzwälder Bote, 08. 02. 2002]
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Schwierige Aufgabe für Schule
Schön an der Religion ist, dass sie nicht an Leistung gebunden ist. Bei den Katholiken etwa wird man schon als Baby getauft, rennt als Kindergärtler barfuss in den Maigottesdienst, freut sich als Primarschüler aufs Erstkommunionskleid und hört sich stolz und ein wenig einsam auf Kinderknien im Beichtstuhl sprechen. Fehlt nur noch der Pfarrer, der im Religionsunterricht von Engeln und Teufeln erzählt.
Diese dramatische Erlebniswelt existiert für heutige Luzerner Kinder kaum mehr in dieser Form. Braucht sie auch nicht: Jede Kindheit produziert wieder andere Bilder, und die Spiritualität von Kindern entfaltet sich auch unter neuen kulturellen Voraussetzungen.
Es ist trotzdem einen Gedanken wert, wie schnell sich die religiöse Sozialisation verändert hat. Sonntagsgottesdienste sind nicht mehr Pflicht. Die Konfessionsgrenzen lösen sich auf. Den zunehmend konfessionslosen Kindern sollen nun aber die Grundwerte der abendländischen Kultur mit Ethikunterricht nahe gebracht werden.
In ihrem Engagement zur im weitesten Sinn religiösen Bildung will die Schule vor allem kompensieren, was in der Gesellschaft an Boden verliert. Bekenntnisunterricht von ihr zu erwarten, wäre abgefallene Blätter an den Baum zu nageln. Denn der Geist weht bekanntlich, wo er will.
[Neue Luzerner Zeitung, 09. 02. 2002]
Hoffentlich holt die Schule auch das Barfußlaufen nach !
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Rudolf Seibolds kleines Grunbacher Welttheater
Von ehrbaren Bürgern und knitzen Buben: Erzählabend beim Museumsverein unter dem Motto "Des hot schau mei Vadder gsait" [...]
Da hocken sie im Eck, die Grantler und Originale, da schleichen sie herein, die Lausbuben und Tratschweiber. Sie stehen herum, schwätzen und lachen, schimpfen und heulen, all' diese kleinen Helden, denen so manches Missgeschick passiert ist, und die so manchen Spruch ins Gedächtnis ihrer Nachfahren gebrannt haben. Ganz normale Menschen, die man übersehen könnte, die bald vergessen wären, gäbe es nicht einen wahrhaft begnadeten Geschichtenerzähler und Chronisten Grunbacher Alltäglichkeiten wie Rudolf Seibold. [...]
Rudolf Seibold steht vorne am Lesepult, aber mit jedem Spruch, mit jedem G'schichtle rückt er ein bisschen mehr unter seine Zuhörer. Da wird gelacht und kommentiert, da murmelt einer: "Ja, so war's " und eine andere: "Den han i au no kennt." [...]
"Barfuaß en warma Kuadreck nei"
Rudolf Seibolds Schluss zu einem Schauspiel, das aufgeführt wurde auf den Bühnen unserer kleinen Welt, war in Gedichtform gefasst. Nachfolgend daraus ein paar Zeilen:
"Ich möcht amol wieder a Lausbub sei,
wenigstens für oin Tag nomal ganz klei,
nach em Stroßalicht Schnaiballa schmeißa,
D'Fräula Zeller Dragonere hoißa
I möcht amol wieder richtig Schlitta fahra.
I möcht amol wieder em Schulhof mit Blechbüchsa kicka.
I möcht amol wieder am Wehr donda bada,
eikaufa em Sautter seim Lada.
I möcht amol richtig mei Zeit vergammla
barfuß en warma Kuadreck nei trambla.
Deshalb wellt i fei
gern sona Lausbua wieder sei.
Ois möcht i nemme mitmacha, des Gott erbarm,
dass Kriag wär ond nachts Fliageralarm."
[ZVW (Rems-Murr-Nachrichten), 08. 02. 2002]
Belesene Füße
Georg


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