An Lorenz und alle: Desmond Morris und die Fußschweißfrage (Hobby? Barfuß! 2)

Georg @, Sunday, 10.02.2002, 13:04 (vor 8328 Tagen)

Hallo Lorenz und alle an einer sachorientierten Diskussion Interessierte,

ich möchte doch noch einmal auf die "Fußschweißfrage" in Desmond Morris Ausführungen eingehen,.
Ich hatte aus seinem Buch zitiert und leitete die Passage ein mit meiner Feststellung :

Dass Füße Schweiß produzieren, empfinden wir vorzugsweise als lästig. Der Autor stellt auch zu diesem Thema aufschlussreiche Erwägungen an :

Nicht verloren haben wir unsere Fähigkeit, mit den Füßen Duftsignale zu hinterlassen. Australische Ureinwohner können angeblich Menschen am Geruch ihrer Fußabdrücke identifizieren, und dies sogar noch einige Zeit, nachdem sie vorübergegangen sind. In solchen Fällen waren die Vorübergehenden natürlich barfuß. Hunde können die Fußspuren sogar verfolgen, wenn die Menschen dicke Schuhe getragen haben. Die Fußsohlen sind dichter mit Schweißdrüsen besetzt als alle anderen Körperteile, ausgenommen die Handflächen (die natürlich Ex - Füße sind). Diese Schweißdrüsen sind außerordentlich stressempfindlich und steigern ihre Produktion ungeheuer, wenn wir unter Druck stehen [...] Der Fußschweiß riecht so stark, dass er unsere Strümpfe und Schuhe durchdringen und eine Duftspur hinterlassen kann, die auch noch nach zwei Wochen von einem Bluthund mit Leichtigkeit verfolgt werden kann. Höchstwahrscheinlich waren die Fußschweißsignale in unserer urzeitlichen Vergangenheit, als unsere Spezies die Erde noch nicht so dicht bevölkerte, von ziemlicher Bedeutung, damit wir uns über Freund und Feind auf dem laufenden halten konnten.
Heute ist die Duftproduktion unserer Füße nur noch lästig. Nur die Toilettenartikelindustrie profitiert noch davon. Der duftende Schweiß wird, eingeschlossen in Socken und Schuhen, sehr schnell von Bakterien befallen und muffig. Unsere wunderbaren, duftsignalisierenden Füße werden zu einer Karikatur ihres früheren Selbst. [...]

Lorenz, Du hast Dich wohl vor allem an der Passage gestoßen, in der es heißt:: Australische Ureinwohner können angeblich Menschen am Geruch ihrer Fußabdrücke identifizieren, und dies sogar noch einige Zeit, nachdem sie vorübergegangen sind. In solchen Fällen waren die Vorübergehenden natürlich barfuß. und warst der Auffassung, bare Füße seien im Gegensatz zu beschuhten praktisch schweiß- und vor allem schweißgeruch- los. U. a. deshalb hast Du Morris als "Theoretiker" klassifiziert.

Wenn man die oben noch einmal zitierte Passage erneut liest, wird für mich deutlich, dass Morris durchaus auf Deiner Seite ist, was den Schuhschweiß anbelangt.
Dass bare Füße in Belastungs- und Stresssituationen überhaupt nicht schwitzen, kann ich mir auch nicht recht vorstellen. Wenn ich intensiv Sport treibe, schwitzen auch meine nackten Hände und mein Kopf, warum sollen ausgerechnet die Füße mit ihren vielen Schweißdrüsen es nicht tun?

Das von Morris beschriebene Szenario bezog sich auf die australischen Ureinwohner, die bekanntlich den tropischen und subtropischen Wüstenraum ihres Kontinents besiedeln - wie auch der Mensch bekanntlich aus dem warmen afrikanischen Kontinent stammt. Da gibt der Kühlmechanismus der Haut durch das Schwitzen sicher noch mehr Sinn als in unseren Breiten.

Dass die Aborigines über erstaunliche Fähigkeiten ihrer Sinnesorgane verfügen, ist ebenfalls bekannt und (bis auf die Frage, ob sie tatsächlich über weite Distanzen eine Gedankenbeziehung zueinander aufbauen können) unbestritten. Warum sollen sie also nicht Fußspuren, z. B. von einem angestrengt Jagenden, sehen und riechen können? Ich halte es zumindest für möglich (vermutlich gibt es auch Untersuchungen darüber, die Morris vielleicht kennt, denn eine Zeit lang haben sich ganze Scharen von Völkerkundlern auf das Aborines - Thema gestürzt).

Außerdem finde ich es immer wieder interessant, wenn jemand eine logisch aufgebaute Begründung zu solchen Fragen anbieten kann. Morris schreibt der Schweißproduktion der Füße und an anderer Stelle den hellen Fußsohlen einen einleuchtenden Sinn zu. Trotz Logik muss das ja nicht unbedingt stimmen, aber eine interessante These ist doch schon mal besser als überhaupt keine Erklärung - oder nicht ?

Fuß aus Köln
Georg

Wie glaubwürdig ist D. Morris ...

Kai ⌂ @, Sunday, 10.02.2002, 13:59 (vor 8328 Tagen) @ Georg

[image] [image]

Hallo Georg,

folgende Passage hattest Du neulich von Morris gepostet:

Jedes Mal, wenn der Fuß während der Fortbewegung den Boden berührt, erhält er, auch wenn wir noch so weich auftreten, einen Stoß. Man schätzt, dass die Füße im Lauf eines durchschnittlichen Lebens mit mäßiger körperlicher Bewegung über zehn Millionen mal den Boden berühren. Der erste Moment eines jeden Bodenkontakts besteht aus dem Aufprall der Ferse und ihrer stoßdämpfenden Wirkung. Diese wichtige Funktion nehmen wir als völlig selbstverständlich hin [...]

Die Ferse hat nur eine minimale stoßdämpfende Wirkung, ansonsten müssten wir uns nicht mit Krücken wie "Air"- und sonstigen Federsystemen in Sportschuhen behelfen. Da stelle ich mir schon etwas die Frage, wie fundiert Morris wirklich schreibt, oder was seine Phantasie oder Wunschvorstellung entspricht.

Echte Stoßdämpfung geschieht durch das gesamte Fußgewölbe (Längs- und Quergewölbe), so wie es in nachfolgendem Link beschrieben wird:

Grüße
Kai

[image] Barfußlaufen - Dämpfung des Fußes

Gangarten

Georg @, Sunday, 10.02.2002, 20:37 (vor 8328 Tagen) @ Kai

folgende Passage hattest Du neulich von Morris gepostet:

Jedes Mal, wenn der Fuß während der Fortbewegung den Boden berührt, erhält er, auch wenn wir noch so weich auftreten, einen Stoß. [...] Der erste Moment eines jeden Bodenkontakts besteht aus dem Aufprall der Ferse und ihrer stoßdämpfenden Wirkung. Diese wichtige Funktion nehmen wir als völlig selbstverständlich hin [...]

Die Ferse hat nur eine minimale stoßdämpfende Wirkung, ansonsten müssten wir uns nicht mit Krücken wie "Air"- und sonstigen Federsystemen in Sportschuhen behelfen. Da stelle ich mir schon etwas die Frage, wie fundiert Morris wirklich schreibt, oder was seine Phantasie oder Wunschvorstellung entspricht.
Echte Stoßdämpfung geschieht durch das gesamte Fußgewölbe (Längs- und Quergewölbe)

Hallo Kai,
die deutsche Version des Buches ist 1986 erschienen, geschrieben ist es mithin spätestens Anfang der Achtziger. Dass die von Dir zitierten Systeme recht neue Erfindungen sind, spricht dafür, dass es zu dieser Fragestellung auch neue Erkenntnisse geben könnte.
Das könnte in dieser Einzelfrage vielleicht erklären, weshalb Herr Morris, der sich sicher - wie wir auch - vieles angelesen hat, nicht mit den von Dir zitierten Erkenntnissen übereinstimmt.

Viel wichtiger ist im Kontext aber, dass das Abrollen über die Ferse ohnehin eine Schuhträger - Bewegung ist. Wer barfuß joggt, stellt ganz schnell fest, dass sich der Fuß intuitiv auf die Barfußbewegung umstellt, also mit dem Ballen aufsetzen, Ferse senken, Ferse heben und mit den Zehen abdrücken - weshalb in Laufbüchern auch immer wieder empfohln wird zumindest gelegentlich barfuß zu laufen.
Vor einiger Zeit habe ich - leider schon reichlich schlaftrunken, weshalb ich mir den Namen nicht gemerkt habe - ein Interview von Frank Elstner mit einem Mediziner gesehen, der ein Buch über das Ballenlaufen geschrieben hat. In Mokassins und mit Tänzelschritt machte er genau diese Bewegung im Studio vor und erläuterte seine These, dass durch das Abrollen über die Ferse diverse Krankheiten - nicht nur orthopädischer Art - gefördert würden, die sich mit Ballenlaufen vermeiden ließen. Von barfuß hat er leider nichts erzählt.

Um noch einmal auf Morris zurückzukommen: der ist gewiss kein Fußspezialist , das muss seine Thesen aber nicht unglaubwürdig machen. Logisch hinterfragen schadet wie immer gewiss nichts.

Fuß aus Köln
Georg

Gangarten

TeWe, Sunday, 10.02.2002, 22:26 (vor 8328 Tagen) @ Georg

Viel wichtiger ist im Kontext aber, dass das Abrollen über die Ferse ohnehin eine Schuhträger - Bewegung ist. Wer barfuß joggt, stellt ganz schnell fest, dass sich der Fuß intuitiv auf die Barfußbewegung umstellt, also mit dem Ballen aufsetzen, Ferse senken, Ferse heben und mit den Zehen abdrücken - weshalb in Laufbüchern auch immer wieder empfohln wird zumindest gelegentlich barfuß zu laufen.

Ich kann das mit meinen Erfahrungen aus dem letzten Sommer bestätigen (ich laufe ja außer beim Schulsport nur im Sommer barfuß - bisher!).
Wenn man so joggt, wie man das gewöhnt ist, tut's spätenstens nach einem Kilometer so in den Füßen, Knien etc. weh, daß man sich die oben angeführte "Barfußbewegung" angewöhnt.

An Lorenz und alle: Desmond Morris und die Fußschweißfrage

Lorenz ⌂, Sunday, 10.02.2002, 21:11 (vor 8328 Tagen) @ Georg

Hallo Georg,

Lorenz, Du hast Dich wohl vor allem an der Passage gestoßen, in der es heißt:: Australische Ureinwohner können angeblich Menschen am Geruch ihrer Fußabdrücke identifizieren, und dies sogar noch einige Zeit, nachdem sie vorübergegangen sind. In solchen Fällen waren die Vorübergehenden natürlich barfuß. und warst der Auffassung, bare Füße seien im Gegensatz zu beschuhten praktisch schweiß- und vor allem schweißgeruch- los. U. a. deshalb hast Du Morris als "Theoretiker" klassifiziert.

Er setzt halt gerne Spekulationen in die Welt. Und hier tut er es auf der Grundlage des Vorurteils, dass Füße zum Naserümpfen sind. Meine waren es heute tatsächlich, als ich aus den Skistiefeln stieg :-(((
Aber dann lief ich kurz durch den Schnee und schon war der Spuk vorbei!

Warum sollen sie also nicht Fußspuren, z. B. von einem angestrengt Jagenden, sehen und riechen können?

Na klar, an spärlich bekleideten Menschen läuft der Scheiß herunter und gelangt so von den geruchsintensiven Regionen (Schamregion, Achselhöhlen etc.) an die Füße.

...... Morris schreibt der Schweißproduktion der Füße und an anderer Stelle den hellen Fußsohlen einen einleuchtenden Sinn zu.

Morris bezeichnet uns Menschen ja ganz reißerisch als nackte Affen. Und dann interpretiert er alles, was an Affen beobachte wurde, in uns hinein. Mir greift das zu kurz! Gerade das mit den Fußsignalen finde ich eine sehr gewagte Theorie: eine Affe, der durch die Bäume hangelt, hat natürlich die Füße zum Gestikulieren frei. Aber uns würde dies doch erheblich um unsere Standfestigkeit bringen! Also geben wir Zeichen zweckmäßigerweise mit den Händen.

Die Parallelen zwischen den Klettertieren mit dem Zottelfell und unserer aufrecht gehenden Art, die Dutzende von Nutztieren und Hunderte von Kulturplflanzen domestiziert hat, sollte man m.E. nicht überstrapazieren! Wir sind im Zuge der Bildung vieler Hunderter neuartiger Symbiosen ganz andere Wesen geworden und unsere Füße haben demzufolge auch ganz andere Funktionen entwickelt. Z.B. eine ganz differenzierte Tastwahrnehmung der Bodenqualität, die für die ersten Ackerbauer sicher sehr wertvoll war.

Aber jetzt fange ich selbst zu spekulieren an. Aber ich bin halt auch nicht frei von dieser Versuchung ;-)

Serfuß, Lorenz

[image] Mein Senf zum Thema Symbiose

An Lorenz und alle: Desmond Morris und die Fußschweißfrage

TeWe, Sunday, 10.02.2002, 22:13 (vor 8328 Tagen) @ Lorenz

Na klar, an spärlich bekleideten Menschen läuft der Scheiß herunter und gelangt so von den geruchsintensiven Regionen (Schamregion, Achselhöhlen etc.) an die Füße.

Igitt! *ggg*

An Lorenz und alle: Desmond Morris und die Fußschweißfrage

Marc (CH) @, Sunday, 10.02.2002, 23:31 (vor 8328 Tagen) @ Lorenz

Hallo Georg,Hallo Lorenz

kann's nicht lassen und muss meinen Senf auch noch beisteuern...
Ich werd versuchen möglichst mit Fakten und nicht mit Thesen zu argumentieren, ob es gelingt sei mal dahin gestellt.
Geruchsspuren müssen nicht zwangsläufig mit Schweissabsonderung zusammenhängen. Dies belegt zum Bsp die Tatsache, dass Hunde gar keine Schweissdrüsen haben und trotzdem z.T. sehr intensive Gerüche hinterlassen. Also gibt es neben Schweiss noch andere (Duft-)Stoffe die als Geruch (+/-) wahrgenommen werden können. Bsp. Pheromone.
2. Wir sind heute mit unnatürlichen Fremdgerüchen übersättigt. Parfum, Autoabgase etc. Zudem verfälschen wir täglich mit dem Duschen unseren ureigenen Körpergeruch. Hinzu kommt noch, dass wir 'manipulierte' Nahrung und Getränke zu uns nehmen. Auch dies dürfte den Körpergeruch nachhaltig verändern.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Ureinwohner auch an den (Geruchs-)Spuren andere erkennen können. Ob da allerdings der Schweiss die zentrale Rolle spielt wage ich zu bezweifeln.
Ha, jetzt bin ich auch schon in den Thesen, was soll's vielleicht finden wir ja noch die Synthese...
serfuss Marc (CH)

An Lorenz und alle: Desmond Morris und die Fußschweißfrage

Norbert, Wednesday, 13.02.2002, 16:06 (vor 8325 Tagen) @ Marc (CH)

Hallo Marc!

kann's nicht lassen und muss meinen Senf auch noch beisteuern...
Geruchsspuren müssen nicht zwangsläufig mit Schweissabsonderung zusammenhängen. Dies belegt zum Bsp die Tatsache, dass Hunde gar keine Schweissdrüsen haben und trotzdem z.T. sehr intensive Gerüche hinterlassen.

Daß Hunde _keine_ Schweißdrüsen haben, ist leider falsch; Hunde haben ihre Schweißdrüsen allerdings nicht wie Menschen auf der ganzen Haut, sondern ausschließlich an den *Fußsohlen* (Ballen) ! Daher haben fast alle Hunde an ihren Füßen den typischen Fußschweißgeruch, wenn sie eine Weile im Warmen gelegen haben. Beim Herumlaufen im Freien geht der Geruch wie beim Menschen allerdings auch schnell wieder weg (für Menschennasen). Trotzdem nutzen Hunde ihren Fußgeruch zum Markieren, das intensive Scharren mit allen vier Pfoten am Boden dient diesem Zweck.

Meine persönliche Erfahrung: auch als Barfüßer schwitzt man an den Füßen, man stelle sich nur einmal mit warmen Füßen ein paar Minuten auf kalte Fliesen - der Fußabdruck ist anschließend als Feuchtigkeitsfilm relativ gut zu erkennen.
Allerdings kann bei einem nackten Fuß die Wärme leichter abtransportiert werden, als bei einem eingesperrten Fuß, und der Schweiß kann leicht verdunsten (was ja auch Sinn und Zweck des Schwitzens ist). Daher werden die im Schweiß enthaltenen Eiweißstoffe von den Bakterien auf der Haut mangels Wasser und Wärme kaum abgebaut, also auch kaum Fußgeruch.
Ob der beim (barfüßigen) Menschen vorhandene Fußgeruch irgendeine Funktion hat, hat meines Wissens auch noch keiner untersucht. Daß damit Signale gesendet werden, halte ich für reine Spekulation, zumal die menschliche Nase eigentlich auch viel zu unempfindlich für eine solche Funktion ist

An Lorenz und alle: Desmond Morris und die Fußschweißfrage

unci, Tuesday, 12.02.2002, 00:30 (vor 8327 Tagen) @ Georg

Vierbeiner sind deutlich besser dazu geeignet, Gerüche am Boden zu identifizieren, als Zweibeiner, die sich dazu erst mal verrenken müssen. Zwar können bekanntlich zum Beispiel Hunde Fährten aufnehmen und mit der Nase verfolgen, aber diese Fähigkeit ist den Vorfahren des Menschen vermutlich schon ziemlich früh abhanden gekommen.

RSS-Feed dieser Diskussion