Barfüßige Gedanken und Erinnerungen (Hobby? Barfuß! 2)

Harald 2, Monday, 10.12.2001, 00:03 (vor 8390 Tagen)

Hi!
Ich hab in den letzten Tagen nur ab und zu in das Forum geschaut, und kam dabei aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Hier geht gerade die 197. Fake-Debatte seit der Forumsgründung ab, ich werde zeitweise von solcher Sommer- und Barfußsehnsucht heimgesucht, dass ich an nichts anderes mehr denken kann, und dann kommt bei uns so schönes Winterwetter, dass ich es einfach genieße, bei -5 Grad, Schnee und Rauhreif mit dicker Jacke und festen Schuhen draußen zu sein. Alles reichlich widersprüchlich also. Zwischendurch fasse ich einmal den Beschluss, euch von ein paar meiner barfüßigen Erinnerungen zu berichten, kann aber jetzt doch nicht den Mund halten zu den Vorgängen in diesem Forum.

Natürlich ist's nicht die feine Art, anderen Leuten einen Bären aufzubinden, auch dann nicht, wenn es ein barfüßiger Bär ist. Aber, wie so oft im Leben, Kontrolle bringt uns nicht wirklich weiter. Lieber Georg, nichts für ungut, aber um wieviel sind wir nach deinem Datenvergleich jetzt wirklich schlauer? Was wissen wir von dem Menschen, der hinter dem Pseudonym "Anja" steckt? Ist's ein Mann, der sich nach der barfüßigen Traumfrau sehnt, eine Frau, die ab und zu barfuß ist und beim Erzählen ein bißchen dick aufträgt, oder stimmen vielleicht doch die Berichte und werden nur die Fragen und Kommentare dazuerfunden? Wir wissen nur, dass es da jemanden gibt, der oder die offenbar so viel Zeit hat, wie ich manchmal gerne hätte, und alle Stunden einen längeren Text am Computer verfasst. Vielleicht würde ich an ihrer/seiner Stelle diese Zeit doch für etwas anderes verwenden, vielleicht um barfuß rumzulaufen, wenn ich sowieso an nichts anderes mehr denken kann, oder mir auch diese Zeit einfach für Leute nehmen, die mir wichtig sind. Aber sei's drum. Jetzt gibt es eben diese Texte, sie stehen in diesem Medium, mit dem wir erst gemeinsam eine Umgangsform finden müssen. Betrachten wir sie doch als eine neue und unkomplizierte Form von Literatur, bei der der Reiz auch darin liegt, dass sich Wahres mit gut Erfundenem mischt. Und wenn manchmal schlecht Erfundenes dabei ist, ist es erstens eine Frage des persönlichen Geschmacks und zweitens auch keine Katastrophe. Wer die Sicherheit braucht, dass jeder Mensch, mit dessen Gedanken er sich auseinandersetzt, wirklich "echt" ist, kann eben nicht dem Internet vertrauen, sondern muss bei guten alten Kommunikationsformen bleiben. Wozu es ja dieses Wochenende für Barfüsser auch eine gute Gelegenheit gegegeben hat. Hätte mir wohl auch Spass gemacht, aber es gibt halt noch ein paar andere Dinge, die mir wichtig sind. Wer sich noch an Würzburg erinnern kann, weiß jedenfalls, dass ich schon echt bin ;-) Und ich komm sicher wieder einmal zu euch. Oder noch besser: Wir treffen uns einmal in Österreich. Vielleicht am Zirbitzkogel im nächsten Sommer???

So, jetzt schreib ich lang und breit vor mich hin und komme immer noch nicht zu meinen Erinnerungen. Na gut, ich mach's so: Jetzt kommt eine Geschichte, weitere kommen irgendwann nächste Woche. Okay?

Eine meiner ersten intensiven Barfußzeiten begann, als ich einmal als Student in den Sommerferien im Versuchsbetrieb einer Landwirtschaftsschule zu arbeiten begann. An einem meiner ersten Arbeitstage bestand mein Job darin, Getreidesäcke bei der Ernte auf einem Versuchsfeld mit verschiedenen Getreidesorten einzusammeln, zu beschriften und auf einen LKW zu verladen. Nicht gerade eine angenehme Sache auf einem heißen, schattenlosen Stoppelfeld. Ich arbeitete gemeinsam mit einem Arbeiter dieser Versuchswirtschaft, der zu meinem Erstaunen bald seine Schuhe im Auto verstaute. Ich war damals schon ab und zu barfuß, fürchtete mich aber vor Getreidestoppeln. In einer kurzen Pause fragte ich ihn, ob er hier ohne Schuhe keine Probleme habe. Nein, das sei ganz okay, meinte er. Da konnte ich mich natürlich nicht mehr halten. Bald kam ich drauf, wie man die Füsse auf Getreidestoppeln aufsetzen muss, damit sie nicht in die Sohlen stechen: möglichst schlurfend, nicht von oben auf die Stoppeln. Zuerst war es mühsam, aber ich wollte nicht klein beigeben. Und irgendwann kam der Punkt, wo es einfach Spass machte. Das Gehen, die Sonne, der Sommer. Zu meiner Verblüffung war ich enttäuscht, als wir fertig waren, obwohl ich schon ziemlich müde war. Natürlich fuhr ich barfuß zurück. Die nächsten Tage verbrachte ich mit Unkraut jäten. Bald standen meine Schuhe am Feldrand. Später blieben sie gleich in meinem Zimmer, nicht nur zur Arbeit, sondern auch, wenn ich in die nahe Stadt radelte, um einzukaufen. Oder wenn ich mit meinen KollegInnen am Abend zum nahen Badesee fuhr. Später in diesem Sommer arbeitete ich auf einem Bauernhof, ziemlich viel auch im Stall. Ich konnte nicht genug kriegen vom barfüßigen Leben, und die Bauern staunten nicht schlecht, als ich gleich am ersten Morgen ohne Schuhe auftauchte. Ich denke, den Kühen war's egal ;-))) Das ging so bis zum Herbst, als es kühler wurde, ging ich draußen mit Schuhen und zog sie bei der Stalltür aus, wo die anderen die Gummistiefel anzogen.
Es war einer der schönsten Sommer meines Lebens! Auch wenn ich sonst nicht so ein "erdiger" Typ bin und mich eigentlich sehr mit Büchern und Papier wohlfühle, diese Erfahrung war mir viel wert. Und mit Schuhen hätte ich sie nicht so intensiv gemacht, auch wenn mir das erst viel später klar werden sollte.


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