schöne Grenzerfahrung(?) (Hobby? Barfuß! 2)
blöder Begriff... Grenzerfahrung. Abgegriffen.
Aber hier könnte er einmal passen.
Ungeachtet oder trotz der z.Z. kursierenden Mißverständnisse, erzähl ich einfach von einem Erlebnis. Ich schicke voraus, daß ich selbst jeglichen Sport seit +/- 25 Jahren allermeist barfuß mache. Oder eigentlich... besser andersherum, mich nur für den Sport begeistere, den man auch barfuß betreiben kann.
So auch Klettern. In der Halle (sofern erlaubt... das ist ein anderer diskussionswürdiger Punkt) und im Klettergarten. Eine feine Sache (s. 'best of'). Etwas delikater ist das natürlich im etwas anspruchvolleren alpinen Bereich.
So waren also wir zu zweit, vor kurzem (als es noch schön warm war) in den Oberammergauer Bergen. Wir haben uns eine nette kurze Route mit einer 8-minus-Stelle herausgesucht. Und diesmal tatsächlich klassisch: Kletterschuhe vergessen! Ich denk mir, was soll's. Das riskier ich jetzt auch mal. Vorstieg über griffigen Kalk auf Reibung. Also... klappt pfenniggut, ca. 25 m, bis zu einer flachen Verschneidung (leicht gewinkelte, vertikale Rinne), die nur mit Klemmen und Spreizen zur rampfen ist. Ich acker mich so 2 m über den letzten Bolt (Sicherungshaken) und es fehlen noch 2 m, dann wirds leicht mulmig, und mir bricht ganz dezent der Schweiß aus. Und eben auch an den Füßen, wie das halt in solchen Situation ist... es reicht ja allein die Vorstellung. Dieses langsame Abrutschen ist ein unvergeßliches Gefühl. Ich: "Seil zu!"... noch zwei hastige Schritte zurück und Absprung... Und dann... 'plaff!', die Landung am Fels mit zwei, drei schnellen Schritten seitwärts um ins Gleichgewicht zu kommen. 'Uff'... zunächst finde ich mich nur ein paar Meter weiter unten. Aber, bei der Aktion, mußte ich feststellen, hatte ich mir den linken Fuß ziemlich angeschlagen, so daß die große Zehe und der Knöchel nicht schlecht bluteten. Ich überleg mir ob ich's nochmal versuchen soll, oder lieber - vernünftigerweise - aufgeben. Weder noch, ich bin die Stelle großzügig umgangen. So wars dann wohl ein glücklicher, knapper 7er. Auch ok.
Dem aber nicht genug. Ich wollts nicht glauben und ließ mich nun wieder ab. Jetzt das gleiche im Nachstieg. Und: ohne die lästigen Schweißausbrüche (dazu: man kann im Nachstieg nicht stürzen, das Seil kommt ja straff von oben) der reinste Felsgenuß. Ein tolles Gefühl, glatte Bewegungen. Die Verschneidung war nun herrlich leicht mit weiten Griffen zu nehmen. Wie ich an einer solchen Stelle scheitern konnte? "Ja... die Psyche!" werden kletternde hardcorer sagen, und "eh nur eine 8-" usw., aber 1. sollen die das auch mal versuchen und 2. ist es mir Wurst, was die sagen.
Es war alles in allem eine tolle Erfahrung, eine schöne Wahrnehmung und Erinnerung an den Fels, und hat auch schlicht die Grenzen gezeigt. Es hätte ja auch dümmer ausgehen können. Nun, ich stehe auf dem Standpunkt, lieber Abstriche bei der Leistung zu machen, die sich nur in Zahlen ausdrücken läßt - man muß sich ja nicht immer an kleinsten Strukturen hochhangeln - dafür aber um einiges mehr an sinnlicher Erfahrung mitzunehmen. Und da gibt es natürlich noch die vielen anderen Argumente, die fürs barfuß sporteln sprechen.
Jedenfalls: In den Hallen, in denen das barfuß-Klettern verboten(!) ist, verspreche ich mein diplomatisch-renitentes Vorgehen.
Also descalzo!
Wolfgang