Bericht über das Barfußtreffen in Berlin (Hobby? Barfuß! 2)
Hi zusammen,
hier ist der Bericht über unsere Fahrt nach Berlin.
Am Samstag stand ich morgens bereits um vier Uhr auf (Eva H. hatte mich dankenswerterweise per Telefon geweckt), und ging um viertel vor fünf zur S-Bahnstation. Dort war bereits eine Horde grölender Jugendlicher, die aber keine Notiz von mir nahm. Zum Glück stiegen sie auch in die S-Bahn Richtung Düsseldorf und nicht in die gleichzeitig eintreffende S-Bahn Richtung Essen, welche ich nahm. Ich hatte diesmal nur leichtes Gepäck (einen Leinenbeutel) dabei, in dem sich ebensowenig wie an meinen Füßen Schuhe befanden. Ich war mindestens fünf Jahre lang nicht mehr nach Berlin gekommen, aber der Gedanke, ohne Schuhe hinzufahren, war mir bei meinen früheren Reisen nach Berlin nie gekommen.
Als ich am Essener Hauptbahnhof durch die Passage zum ICE- Bahnsteig ging, bemerkte ich dort zwei junge Männer in ziemlich schriller Aufmachung, welche ganz entsetzte Gesichter machten, als ich in weißem Hemd, schwarzer Hose und eben barfuß vorüberging. Kurze Zeit später kamen Eva H. und Hansjörg, und als der Zug auch eingetroffen war, stiegen wir ein.
Am Berliner Ostbahnhof sahen wir zunächst keine anderen Barfüßer, obwohl Eva entsprechende Vereinbarungen getroffen hatte, aber wir postierten uns in der Nähe des Infostandes und beschlossen, erst einmal abzuwarten. Nach einiger Zeit kam Thomas, ein Berliner Barfüßer, und etwas später auch Unci, der mit dem Zug aus Dresden eintraf. nun waren wir fürs erste vollzählig und beratschlagten, wohin wir zuerst gehen wollten. Wir einigten uns, über den Alexanderplatz, Unter den Linden und durch das Brandenburger Tor zum Bundeskanzleramt zu gehen, das an diesem Wochenende gerade "Tag der offenen Tür" hatte, und zogen los. Am Alexanderplatz fuhren wir den Fernsehturm hinauf und genossen das Berliner Panorama. Ich staunte: wieviel hatte sich in den letzten fünf Jahren verändert! Etliche Bauten waren neu entstanden, einige ältere auch verschwunden. Dann gingen wir weiter. Am Bundeskanzleramt, einem ziemlich protzigen Neubau, stieß Thomas' Freundin Marion, die ebenfalls barfuß läuft, zu uns. Eva war sehr glücklich, endlich nicht mehr die einzige Frau auf einem Barfüßertreffen zu sein. Danach mußten wir, um ins bundeskanzlermt eingelassen zu werden, zuerst unsere Taschen abgeben und uns dann in eine zimlich lange, gewundene Schlange stellen, deren Verlauf durch Stangen mit Bändern vorgegeben war. Zum Zeitvertreib gab es Musik sowie eine Geschichtsstunde per Videoleinwand, während die Schlange sich allmählich vorwärts schob. Im Bundeskanzleramt gab es nicht viel zu sehen. Wir wurden die Teppe hinauf in den ersten Stock an in jeweils in einer bestimmten Farbe bemalten Wänden und durch einen mit Augen bemalten großen Raum und dann einen langen Gang entlang geleitet, von welchem aus wir die aus mehreren gestalteten Innenhöfen bestehenden "Kanzlergärten" bestaunen konnten. Ich mußte unwillkürlich daran denken, daß sich die in schönen Farben angelegten Schotterflächen in diesen Gärten gewiß hervorragend zum Sohlentraining eigenen, aber da der Kanzler wohl keinen Sinn dafür hat, sind solche Anlagen an jenem Orte eigentlich vergebliche Liebesmüh. Zum Schluß gingen wir durch den "Kanzlerpark", wo auch die beiden Hubschrauber des Bundeskanzlers zu besichtigen waren. Der Besuch des Bundeskanzleramtes bestätigte mich ziemlich in meiner grundsätzlichen Systemkritik an unserer "Parteiendemokratur", wie ich unser Staatswesen zu nennnen pflege.
Aber zurück zum Thema! Barfuß im Bundeskanzleramt gewesen zu sein, ist in jedem Falle gut fürs barfüßige Selbstbewußtsein. Nachdem wir wieder draußen waren und auch unsere Taschen zurückerhalten hatten, trafen Markus aus Berlin und Thorsten aus Aachen auf uns (dank Mobiltelefon sind derlei Ortungen relativ problemlos). Wir zogen gemeinsam zum Kollwitzplatz am Prenzlauer Berg, wo wir in einer der vielen tollen Kneipen, die es dort gibt, den Abend verbrachten.
Dann trennten wir uns, nachdem wir verabredet hatten, uns Sonntagmorgen an der Pfaueninsel zu treffen. Thomas und Marion sowie Markus mit Thorsten fuhren jeweils zu sich nach Hause, während Eva, Hansjörg, Unci und ich zum Hotel Transit Loft gingen, das Eva vorab auskundschaftet hatte. Es war in der Dunkelheit gar nicht so leicht zu finden. Zuerst mußten wir in einen Hinterhof mit einer Baustelle gehen, wo wir zunächst vergeblich den eingang suchten. Es stellte sich schließlich heraus, daß der Eingang ein unmittelbar von draußen zu betretender Fahrstuhl war, mit dem man zum dritten Stock fahren mußte, wo sich die Rezeption befand. Dort hing ein Schild mit dem passenden Spruch: "Das Leben ist eine Baustelle." Wie sollte es jetzt weitergehen? Nur Eva und Hansjörg hatten gebucht, aber nach kurzem Disput stellte sich heraus, daß es ein Vierbettzimmer gab, in dem wir alle vier unterkommen konnten. Das war famos, denn so konnten wir auch während der nacht zusammenbleiben, so daß auf jeden Fall gewährleistet war, daß am andern Morgen keiner von uns (oder wir alle) verschlafen würde. Aber noch war es nicht soweit, denn wir wollten zumindest versuchen, noch in die Ausstellung "Körperwelten" zu gelangen. Während des Tages hatten wir nämlich gehört, daß die Wartezeit wegen des unerhört großen Andranges bis zu zehn Stunden betragen solle. Als wir (zu Fuß) um 23.15 Uhr den Ausstellungsort in der Nähe des Ostbahnhofes erreichten, sahen wir eine lange Schlange, die bis hinter die Bahnunterführung reichte. Also beschlossen wir, die Wartezeit für uns abzukürzen, indem wir uns mitten hinein stellten. Die Schlange kam nur sehr langsam vorwärts, da die Leute nur stoßweise eingelassen wurden, und sie hatte im Innenhofe des Ausstellungsgebäudes einen noch gewundeneren und verschlungeneren Weg als jene vor dem Bundeskanzleramt. Nach mehr als zwei Stunden gelangten wir endlich ins Gebäude - und sahen ein Schild mit der Aufschrift: "ab hier noch eine Stunde Wartezeit". So geschah es auch. Die Ausstellung war sehr interessant (es gab übrigens auch Füße und sogar ein ganzes Pferd zu sehen), vor allem, weil sie sehr eindrucksvoll die gesundheitsschädigenden Folgen des Rauchens zeigte.
Besonders interessant fand ich auch die Darstellungen schwangerer Frauen mit Kind. Ich finde es allerdings etwas makaber, daß es ganz offensichtlich Menschen gibt, die sich bereit finden, sich nach ihrem Tode für eine solche Ausstellung präparieren und in Scheiben schneiden zu lassen. Ich bin nicht dazu bereit!
Als wir endlich in unseren Betten lagen, war es vier Uhr morgens. Am Sonntagmorgen standen wir um acht Uhr auf, genossen in Ruhe ein lekkeres Frühstück und fuhren dann vom Prenzlauer Berg mit Straßenbahn (Linie 4), S-Bahn und Bus zur Pfaueninsel. Dort trafen wir wie vereinbart wieder auf Thomas und Marion, während Markus und Thorsten anscheinend in der Nacht irgendwo versackt waren...Schade.
Auf der Pfauenindel war es sehr schön; es gibt dort künstliche Ruinen und sandige, barfußfreundliche Wege mit ganz wenig Feinschotter. Auch zwei Pfauen waren zu sehen und in Volieren Kakadus, Graupapageien sowie etliche andere Vögel. Als wieder auf dem "Festland" waren, setzten wir uns zum Mittagessen in ein dort gelegenes sehr schönes Ausflugslokal mit Garten. Dort stieß schließlich noch Georg der Straßenbahner zu uns. Nach dem Mittagessen verabschiedeten wir uns von Thomas und Marion, denn wir mußten an unsere Heimreise denken. Akls wir in der S-Bahn zum Bahnhof Zoo saßen, machten wir uns Gedanken: Würden wir den Zug nach Essen erreichen? Wir hatten am Bahnhof Zoo höchstens eine Minute Zeit zum Umsteigen! Wir beschlossen, unser Bestes zu versuchen, und legten am Bahnhof Zoo, wo wir unseren Zug schon von der S-Bahn aus abfahrbereit stehen sahen, den totalen Barfußsprint hin, doch als wir den Bahnsteig erreichten, setzte sich der Zug just in Bewegung. Also verbrachten wir noch eine halbe Stunde mit Unci und Georg dem Straßenbahner auf dem Bahnhof Zoo, bis der nächste Zug in Richtung Essen fuhr. Am Essener Hauptbahnhof verabschiedete ich mich dann auch von Eva H. und Hansjörg, und um 22 Uhr war ich wieder zu Hause. Das Barfußtreffen in Berlin war alles in allem recht gelungen, und ich hoffe, daß es auch dort weitere Barfußtreffen geben wird.
Herzliche Barfußgrüße,
Markus U.