Ich hab's getan - das erste Mal barfuß! (Hobby? Barfuß! 2)
Nachdem ich heute Nacht meinen ersten Beitrag zum Thema Erotikdiskussion geleistet hatte, konnte ich vor Aufregung kaum schlafen, so glücklich war ich, mich endlich in einem mir geeignet scheinenden Forum als Fußerotiker geoutet zu haben und ganz offensichtlich nicht der einzige zu sein.
Ich schaute vor Aufregung in meinem Kalender in der falschen Woche nach und kam prompt - das erste Mal, seit ich Straßenbahnfahrer bin (seit neun Monaten) zu spät zum Dienst. Es gab aber keinen Anschiss. Den ganzen Tag führte ich müde, aber gelöst meinen Trambahnwagen quer durch meine neue Heimatstadt, in der ich ebenfalls seit neun Monaten lebe. Erstmals seit Wochen saß ich nicht verkrampft im Fahrersitz, sondern konnte richtig atmen und sang vor mich hin, flirtete sogar mit weiblichen Fahrgästen. Ein paar barfüßige Frauen sah ich. Ein Mädchen stieg sogar ganz hinten in meinen Wagen. Aber das ist das Schicksal des Trambahners: Ein kurzer Blick und dann ist der Gegenstand der Sehnsucht auch schon auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Da kam mir der Gedanke: Warum nicht Du selber? Ich wollte es ja schon immer tun. In meiner alten Heimat und bei meinem alten Beruf wäre es bestimmt nicht gegangen. Dort kannte mich Gott und die Welt und ich war auf einem Posten, wo "man" unmöglich barfuß gehen kann, auch nicht in der Freizeit. Das Getuschel, ich wäre dort und dort barfuß gesehen worden, hätte mir gründlich die Freude daran verleidet. Schlimm genug, als ich einmal mit meinem Akkordeon als Straßenmusiker gesichtet worden war. Aber hier, wo mich außer etlichen Kollegen und drei Verwandten niemand kennt? Jetzt geht’s! Vorfreude durchflutete mich wie plötzlich eintretendes Sonnenlicht, dazu sang ich leise Peter Alexanders Lied "Feierabend".
Kaum zu Hause und auf T-Shirt und kurze Hose umgekleidet, schritt ich zur Tat. Aber ach: Was tun, wenn ich einem Nachbarn begegne? Vorsichtshalber nahm ich den Eimer mit dem Inhalt des Katzenklos meiner Katze Siri mit in den Hof. Barfuß zu den Mistkübeln (österreichisch und teilweise Bairisch für Mülleimer), das geht ja noch. Natürlich war ich nicht völlig gelöst, sondern meinte, mich rechtfertigen zu müssen. Das ist aber wahrscheinlich bei jedem Barfuß-Anfänger so.
Erstmals spürte ich die von der Abendsonne erwärmten Betonplatten im Hof - ein schönes Gefühl. Dann schwang ich mich aufs Rad. Am Jugendstiltheater vorbei, am Nobel-Feinkostladen, dann: die Strecke der Linie 18! Was, wenn mich ein Kollege sieht? Aber Entwarnung: Keine Tram weit und breit. Überhaupt scheint mich kein Mensch zu beachten. Andere schauen halt einen barfüßigen Radfahrer nicht so an wie ich eine barfüßige Radfahrerin. Vorbei an der Villa mit der vorübergehend demontierten Amazone, an der goldenen Flügelfigur auf der Säule. Dann eine magische Stelle: Der Fluss wird überschritten! Kurzer Seitenblick auf das graugrüne Wasser, rechts geht’s stromabwärts. Dann: Linie 17! Aber die Gleise liegen gerade alleine in der Abendsonne. Keiner beachtet mich, Gott sei Dank! Dann am Kunstbau aus der Nazi-Zeit vorbei in den weitläufigen Park, den ein gewisser Sckell geplant hat. Ein Mädchen in der Wiese, die nackten Füße im Bach baumelnd. Die Sandalen daneben im Gras. Ich bin, scheint’s, der einzige "echte" Barfüßer.
Dann hinüber in das Viertel, wo vor ca. 90 Jahren Kandinsky &Co lebten. An der breiten Vergnügungsmeile wird das Rad abgestellt. Zwei Typen lehnen an einem Geländer süffisant-gelangweilt. Leichte Paranoia meinerseits: Beobachten sie mich? Wird nachher noch Luft in meinen Reifen sein?
Dann zu Fuß mitten durch die Gastgärten. Also ein bisschen mulmig ist mir schon. Vorsichtshalber mache ich Brust raus, Bauch rein. So eine Körperhaltung muss eine Schwarzeneggersche Kampfmaschine haben. Die Arme nicht locker baumelnd, die Hände in den Hosentaschen. Anfangs normal, beruhige ich mich selbst. Nach einiger Zeit geht’s auch besser. Der Boden fühlt sich super an, als wäre ich schon immer barfuß gegangen.
Vorbei an dem großen Verkehrsknotenpunkt, welcher früher einmal Feilitzschplatz geheißehat. Jetzt kommt bezeichnenderweise das Wort "Freiheit" im Namen vor. Dann: der erste barfüßige Geschäftskontakt: Ich kaufe mir ein Eis von zwei Kugeln, Erdbeer und Straciatella. Meine Stimme klingt wie immer, trotz baren Füßen. Eine Mutter mit zahlreichen Kindern steht auch um ein Eis an. Ich erwarte, dass die Kinder etwas blödes wie "Schau, der Mann ist barfuß?" sagen wrden. Wie unrecht ich ihnen in Gedanken tue: Nichts sagen sie! Die Mutter lächelt mich an, vielleicht Ende dreißig. Ich lächle zurück. Ob sie überhaupt auf meine Füße geschaut hat? Weiter drüben Polizisten und U-Bahn-Wachleute. Werden die mich jetzt kontrollieren, ich bin doch verdächtig? Nichts dergleichen. Direkt an ihnen vorbei gehe ich aber doch lieber nicht, sondern an an einen Betonstein, hinter dem Wasserkaskaden fließen. Dort schlecke ich genüsslich mein Eis. Ich betrachte meine Sohlen: Dunkelbraunschwarz, so wie es mir bei Frauen so gefällt. Bei mir selber gefällt es mir auf andere Weise. Es erfüllt mich mit Stolz. Ja, die Freiheit! Jetzt wo ich in einer (noch) fremden Stadt in einem sozial nicht hochangesehenen Beruf stehe, habe ich die größte Freiheit. Mein oberster Chef und die diversen Unterchefs könnten sich das nicht erlauben!
Zwei junge Frauen gehen vorbei, eine barfuß, die Sandalen in der Hand. Sie blickt, scheint’s mir, flüchtig herüber. Dann verschwinden sie im U-Bahn-Labyrinth.
Wieder zurück durch den belebten Boulevard, wieder ein bisschen mulmig. Ich versuche, selbstbewusst durch die Massen zu schreiten, nicht rechts, nicht links schauend. Umweg durch eine kleine Seitengasse. Ein Hübsches Mädchen mit Handy kommt mir entgegen. Unverbindlich-freundliches kurzes Blickkreuzen. Barfuß wäre sie noch schöner. Dann wieder auf den Boulevard. Hoffentlich kein Kollege beim Bier mit seinen Spezeln, der mich sehen könnte. Wieder Schwarzenegger-Haltung. Aber hier verirrt sich selten ein Trambahner her. Die wissen, wo’s im Gegensatz zu hier gemütlich ist. Vorsichtig fange ich an, wieder nach rechts und links zu schauen. Außer mir weit und breit kein(e) Barfüßige(r) zu sehen.
Wieder aufs Rad, die Luft ist noch drin. Auf dem Weg zum Park der einzige Komentar: Zwei ca. achtzehnjährige Jungtürken mit ebenso alter Blondine. Das Mädchen: "Schau, der fährt barfuß Rad!" Es fällt halt doch auf. Durch den Park, im Bach Fußsohlen gewaschen.
Dann wieder heimwärts. Keine Trambahnen gekreuzt, niemanden getroffen. Die Nachbarin schaut auch nicht aus dem Fenster. Niemand außer mir nähert sich der Haustüre. Innen alle dunkel.Rad im Hof abgestellt, Katzenklo-Kübel an mich genommen. Im Stiegenhaus fühlt sichs barfuß so an, als wäre ich schon daheim, überhaupt nicht fremd. Schlüssel ins Schloß, schon begrüßt mich das Kätzlein. In der Badewanne Füßewaschen. Duften jetzt. Siri wälzt sich vor mir und poliert mit ihrem seidigen Fell die Füße. Dann schnurstracks zum Computer.
So weit war ich von meinen Schuhen wohl noch nie entfernt gewesen - mindestens vier Kilometer von der Behausung. Stolz. Vom Barfuß-Voyeur also zum Selbst-Barfüßer. Das werde ich allerdings bestimmt nicht immer tun. Aber vielleicht immer öfter, bis es mir selber nicht mehr auffällt. Mit einer gleichgesinnten Frau wärs allerdings viel, viel schöner.
So, diesen Erfahrungsbericht habe ich verfasst, bevor ich nun die Website aufschlage. Wer weiß, ob ich von Leuten Beton bekomme, der Webmaster mich vielleicht zensuriert hat? Wenn dem so wäre, hätte ich bestimmt keine Lust mehr gehabt, meine Erfahrung aufzuschreiben. Aufgeregte Gedanken schießen in meinem Kopf herum, Spannung baut sich auf.
Außer Euch erzähl ich aber einstweilen noch niemandem von meiner Erfahrung
Kommentare zu meiner Premiere erbeten
Georg, der Straßenbahner
PS: Nun habe ich die Website aufgeschlagen. Alle Ängste von wegen Zensur waren bloße Gespinste. Dank Euch für die positiven und prompten Feddbacks!