Projekt »Gegen Gewalt barfuß im Wald« (Teil 2) (Hobby? Barfuß! 2)

Projektleiter, Sunday, 01.07.2001, 09:03 (vor 8485 Tagen) @ Projektleiter

4) Das Vortreffen

Viele der Projektideen waren noch sehr vage, und weil bestimmte Ideen ja auch Vorlauf benötigen (Referenten oder Material besorgen etc.), gab es am Freitag ein 90minütiges Vortreffen.
Die Idee, mir mit 27 Kindern, von denen ich übrigens kein einziges aus dem Unterricht kenne, da ich derzeit in den oberen Klasssen eingesetzt bin, an einem warmen Morgen zwei Schulstunden lang über das Barfußlaufen nachzudenken, fand ich nicht sehr prickelnd, und da sich unsere Schule zum Glück in Ortsrandlage befindet, habe ich am Tag davor noch schnell einige barfußgeeignete Wege rund um das Schulgelände ausgekundschaftet.
Wir begannen im Klassenraum im "Stuhlkreis" mit einer Vorstellungsrunde und einer kurzen Diskussion über die Motive der einzelnen, dieses Projekt zu wählen. Geäußert wurde die Hoffnung, ungewohnte Erfahrungen zu machen und ein bisschen mutig sein zu können. Aber auch die Aussage "ich gehe gern barfuß" kam, ein Junge erzählte vom Sommerurlaub beim Zelten in Italien in Strandnähe, den er fast komplett barfuß verbringt, und ein Mädchen war bei ihrer Oma auch schon wiederholt barfuß im Wald. Sie erzählte von Schnecken, auf die mit nackten Füßen besser nicht treten sollte, und ich lenkte die Diskussion auf den Aspekt "Gewalt durch Schuhe" in dem Sinne, dass man barfuß schon im eigenen Interesse auf den Boden sieht und der Schnecke aus dem Wege geht, dies aber mit Schuhen im Zweifel nicht tut und dadurch Tiere und Pflanzen Schaden nehmen (können). Der Denkanstoß schien viele erheblich nachdenklich zu machen (jemand witzelte, barfuß gehen wäre dann auch so eine Art Tierschutz).
Nach diesem Teil stellte ich fest, dass wir rund um die Schule zwar keinen Wald, aber interessante Wege hätten, und forderte alle auf, Schuhe und Strümpfe auszuziehen, unter den Stühlen stehen zu lassen und mit mir Richtung Schulhof zu gehen. Ein kurzer Einwurf, ob da nicht Fußpilzgefahr bestehe, ließ sich mit einem kurzen "Wodurch denn ?" zerstreuen (jemand machte die Anregung, unter diesen Umständen die Fenster des Klassenraums besser offen zu lassen).
Und sofort ging ein beträchtlicher und deutlich geäußerter Aha - Effekt los : wie interessant die wechselnden Bodenbeläge eines Schulgebäudes (wir haben Bereiche mit Teppich, Parkett, Kunststoffnoppen etc.) und erst einmal der warme Schulhof doch sein können, wenn man sich diese Eindrücke nicht durch Schuhe vorenthält !
Über einen begrasten Bolzplatz führte uns die Wegführung auf einen Feldweg mit Fahrspuren und hohen Gräsern in der Mitte, etliche fanden die Fahrspur langweilig und das Gehen durch die Gräser viel spannender. Dieser Weg führte auf eine im Bau befindliche Straße, im Einmündungsbereich lagen auf einer Seite dicke Steine, auf der anderen feiner Kies. Vorne gehend ging ich über den Kies und äußerte, dass ganz Mutige ja über die Steine laufen könnten - mit dem Effekt, dass nicht nur knapp die Hälfte über die Steine turnte, sondern auch auf der Baustellenstraße nicht den schon fertigen Bürgersteig, sondern die steinige Fahrspur wählte.
Eine asphaltierte Seitenstraße wurde als angenehm, aber eher langweilig eingestuft, auf dem nächsten Feldweg konnten - im Interesse des Landwirts und der Pflanzen - etliche nur mit Mühe davon abgehalten werden, das Getreidefeld mal barfuß zu durchqueren.
Der Rückweg führte wieder auf den Feldweg vom Hinweg, weil die Füße den aber schon kannten, erkundeten viele das Stoppelfeld nebenan und auch die Heuschichten.
Und am Ende machten fast alle einen reichlich glücklichen Eindruck - und waren verwundert, dass ihre Füße kaum schmutzig waren - ein Problem, an das ich aber gedacht hatte und dafür ein Paket "feuchte Tücher" zum Füßesäubern im Klassenraum mitgenommen hatte.
Ein Junge hatte allerdings mit dem Zeh eine Scherbe erwischt (ausgerechnet an einer Stelle, wo ich ausdrücklich davor gewarnt und um genaues Hinsehen gebeten hatte) und eine kleine Schnittwunde, und einige waren auch eher über die Wege geeiert als gegangen (hoffentlich trainieren die bis September etwas).

Rund 20 Minuten Besprechungszeit blieben noch, und schnell einigten wir uns auf einen Tag im Wald, einen im Gebirge und einen Dokumentations- und Vorbereitungstag für die Präsentation, für die ein Mädchen den Aufbau eines Fühlpfads mit zuvor gesammelten Materialien vorschlug. Sie kannte dies auch als Variante mit verbundenen Augen; mein Vorschlag, auch den Wald mal blind und barfuß zu durchstreifen, stieß allerdings auf Skepsis.
Zum Schluss wurde von einer starken Mehrheit versichert, sie seien sehr froh, in diesem Projekt gelandet zu sein. Ich ließ noch jeden ein Blatt ausfüllen mit positiven und negativen Assoziationen zum Thema "Barfußgehen" mit der Absicht, am Ende des Projekts zu überprüfen, ob die Meinungen sich evtl. geändert haben.

Alles in allem war ich hochzufrieden und konnte gutgelaunt verkünden, mein Projekt sei in doppeltem Wortsinn "bestens gelaufen".

5) Perspektiven

Wenn das Wetter im September mir keinen Strich durch die Rechnung macht, hoffe ich auf ein sehr gelungenes Projekt.
Je nach Stimmung der Gruppe habe ich auch schon einmal überlegt, für Eltern und Geschwister - und sonstige Interessierte, wie die Kolleginnen - eine Barfußwanderung am Wochenende anzubieten.
Und ein Paket "Feuchte Tücher" schließe ich mal in der Schule ein - für plötzliche Vertretungsstunden bei schönem Wetter in jüngeren Klassen.


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