Projekt »Gegen Gewalt barfuß im Wald« (Teil 1) (Hobby? Barfuß! 2)

Projektleiter, Sunday, 01.07.2001, 09:01 (vor 8485 Tagen)

Hallo Forum,

ich möchte vom bisherigen Verlauf des o. g. Projektes berichten.

1) Die Idee
Auf Vorschlag der Schülervertretung und der Schulleitung sollen Projekttage zum Thema Gewalt in unserem Gymnasium stattfinden. Als Mitglied der Vorbereitungsgruppe habe ich an der Konzeptentwicklung mitgewirkt; von Belang ist im Zusammenhang, dass zu diesem Zweck Doppeljahrgangsstufen definiert wurden, für die altersangepasste Angebote für drei Projekttage plus einem sogen. "Präsentationstag" für Mitschüler und Eltern entwickelt wurden.
Alle Klassen konnten Vorschläge unterbreiten, bei Interesse auch Lehrer(innen).
Ich habe darauf für die jüngste Doppeljgst. - künftige Klassen 6 und 7 - folgenden Vorschlag formuliert :

»Unten ohne - barfuß gegen Gewalt«
Mal etwas zu tun, was wir bisher für kaum möglich hielten, wie z. B. barfuß durch den Wald oder durch das Gebirge zu laufen, zeigt uns, dass mehr in uns steckt, als wir glauben. Und Spaß machen kann es auch noch ! (Gewaltprävention)

Der für die Koordination der Vorschläge zuständige Kollege schaute zwar zunächst etwas kariert, ließ sich aber leicht überzeugen, wobei ich als Mitglied der Vorbereitungsgruppe diesbezüglich natürlich auch eine günstige Ausgangsposition hatte.

2) Das Wahlverfahren

Der jüngsten Doppeljahrgangsstufe (insges. 10 Klassen mit rund 270 Schüler(inne)n) wurden elf Vorschläge unterbreitet; sie sollten daraus drei auswählen und eine Präferenz angeben mit Erst-, Zweit- und Drittwunsch.
Am Montag der abgelaufenen Woche gingen Paare aus einem Schüler und einem Lehrer (ich lasse die weiblichen Formen mal weg) durch die Klassen; ich hatte, nicht ganz uneigennützig, den jüngsten Doppeljahrgang übernommen.
Bei der Vorstellung der Projekte haben sich der Schüler und ich klassenweise abgewechselt; ich habe das vom Redakteur der Wahlblätter auf die Formulierung "Barfuß im Wald" verkürzte Konzept immer etwas erläutert, der 16jährige Schüler - der nicht wusste, dass der Vorschlag von mir stammte - immer mit einem gewissen Lächeln vorgelesen.
Beobachtung : das einzige der elf Projekte, nach dem in jeder Klasse eine Nachfrage gestellt wurde, war dieses.

3) Das Wahlergebnis

Die Schüler waren informiert, dass ihre Präferenzen wichtig sind, die Organisierbarkeit aber ebenso - das betrifft besonders beschränkte Ressourcen personeller oder materieller Art. Deshalb sollte auch die Drittwahl noch ein echter Wunsch sein (immerhin konnte man sich durch Nichtwählen ja gegen acht Projekte entscheiden).
Mit Erstpräferenz wurden Projekte wie "Selbstverteidigung" oder "Gewalt gegen Tiere", auch "Spuren von Gewalt in unserer Schule" oder "Zeichen gegen Gewalt" (mit künstlerischem Inhalt) stark gewählt, für das Barfußprojekt entschieden sich in Erstpräferenz knapp zehn Mädchen bzw. Jungen.
Mit der Zweit- und Drittwahl waren es aber schon deutlich über vierzig ! Und da durch das zuständige Tierheim z. B. nicht mehrere Projektgruppen geschleust werden und für Selbstverteidigungsprojekte nur in beschränkter Zahl Fachleute gewonnen werden können, musste auf Zweit- und Drittwahlen ohnehin zugegriffen werden.
Am Ende entstand eine Projektgruppe mit 27 Schülerinnen und Schülern aus sieben Klassen der künftigen Jahrgangsstufen 6 und 7.

Nächster Schritt : Zuordnung von Lehrern zu den Projektgruppen. Zu diesem Zweck hing im Lehrerzimmer eine Übersicht der stattfindenden Projekte. Ich habe mich flugs für "Barfuß im Wald" eingetragen und war äußerst überrascht, dass sich drei weitere Kolleginnen eintrugen, wovon sich eine aber durch eine befreundete Kollegin schnell zu deren Projekt abwerben ließ.
Einige Kolleg(inn)en begannen auch mir gegenüber ein leichtes Frotzeln, ließen sich aber mit dem Argument "Sonst heißt das Managerseminar und kostet mindest 1500 Mark pro Person" sehr schnell ruhigstellen.
Machen durfte ich die Vorbereitung dann aber doch alleine, weil der Chefkoordinator - auch er hatte schon mal mit Barfuß im Wald geliebäugelt, als Mittfünfziger wegen des Termins in der zweiten Septemberhälfte aber gesundheitliche Bedenken bekommen - diese in ein verwaistes anderes Projekt setzte. Ich habe kräftig reklamiert, hat aber erst einmal nichts geholfen.

Fortsetzung in Teil 2

Projekt »Gegen Gewalt barfuß im Wald« (Teil 2)

Projektleiter, Sunday, 01.07.2001, 09:03 (vor 8485 Tagen) @ Projektleiter

4) Das Vortreffen

Viele der Projektideen waren noch sehr vage, und weil bestimmte Ideen ja auch Vorlauf benötigen (Referenten oder Material besorgen etc.), gab es am Freitag ein 90minütiges Vortreffen.
Die Idee, mir mit 27 Kindern, von denen ich übrigens kein einziges aus dem Unterricht kenne, da ich derzeit in den oberen Klasssen eingesetzt bin, an einem warmen Morgen zwei Schulstunden lang über das Barfußlaufen nachzudenken, fand ich nicht sehr prickelnd, und da sich unsere Schule zum Glück in Ortsrandlage befindet, habe ich am Tag davor noch schnell einige barfußgeeignete Wege rund um das Schulgelände ausgekundschaftet.
Wir begannen im Klassenraum im "Stuhlkreis" mit einer Vorstellungsrunde und einer kurzen Diskussion über die Motive der einzelnen, dieses Projekt zu wählen. Geäußert wurde die Hoffnung, ungewohnte Erfahrungen zu machen und ein bisschen mutig sein zu können. Aber auch die Aussage "ich gehe gern barfuß" kam, ein Junge erzählte vom Sommerurlaub beim Zelten in Italien in Strandnähe, den er fast komplett barfuß verbringt, und ein Mädchen war bei ihrer Oma auch schon wiederholt barfuß im Wald. Sie erzählte von Schnecken, auf die mit nackten Füßen besser nicht treten sollte, und ich lenkte die Diskussion auf den Aspekt "Gewalt durch Schuhe" in dem Sinne, dass man barfuß schon im eigenen Interesse auf den Boden sieht und der Schnecke aus dem Wege geht, dies aber mit Schuhen im Zweifel nicht tut und dadurch Tiere und Pflanzen Schaden nehmen (können). Der Denkanstoß schien viele erheblich nachdenklich zu machen (jemand witzelte, barfuß gehen wäre dann auch so eine Art Tierschutz).
Nach diesem Teil stellte ich fest, dass wir rund um die Schule zwar keinen Wald, aber interessante Wege hätten, und forderte alle auf, Schuhe und Strümpfe auszuziehen, unter den Stühlen stehen zu lassen und mit mir Richtung Schulhof zu gehen. Ein kurzer Einwurf, ob da nicht Fußpilzgefahr bestehe, ließ sich mit einem kurzen "Wodurch denn ?" zerstreuen (jemand machte die Anregung, unter diesen Umständen die Fenster des Klassenraums besser offen zu lassen).
Und sofort ging ein beträchtlicher und deutlich geäußerter Aha - Effekt los : wie interessant die wechselnden Bodenbeläge eines Schulgebäudes (wir haben Bereiche mit Teppich, Parkett, Kunststoffnoppen etc.) und erst einmal der warme Schulhof doch sein können, wenn man sich diese Eindrücke nicht durch Schuhe vorenthält !
Über einen begrasten Bolzplatz führte uns die Wegführung auf einen Feldweg mit Fahrspuren und hohen Gräsern in der Mitte, etliche fanden die Fahrspur langweilig und das Gehen durch die Gräser viel spannender. Dieser Weg führte auf eine im Bau befindliche Straße, im Einmündungsbereich lagen auf einer Seite dicke Steine, auf der anderen feiner Kies. Vorne gehend ging ich über den Kies und äußerte, dass ganz Mutige ja über die Steine laufen könnten - mit dem Effekt, dass nicht nur knapp die Hälfte über die Steine turnte, sondern auch auf der Baustellenstraße nicht den schon fertigen Bürgersteig, sondern die steinige Fahrspur wählte.
Eine asphaltierte Seitenstraße wurde als angenehm, aber eher langweilig eingestuft, auf dem nächsten Feldweg konnten - im Interesse des Landwirts und der Pflanzen - etliche nur mit Mühe davon abgehalten werden, das Getreidefeld mal barfuß zu durchqueren.
Der Rückweg führte wieder auf den Feldweg vom Hinweg, weil die Füße den aber schon kannten, erkundeten viele das Stoppelfeld nebenan und auch die Heuschichten.
Und am Ende machten fast alle einen reichlich glücklichen Eindruck - und waren verwundert, dass ihre Füße kaum schmutzig waren - ein Problem, an das ich aber gedacht hatte und dafür ein Paket "feuchte Tücher" zum Füßesäubern im Klassenraum mitgenommen hatte.
Ein Junge hatte allerdings mit dem Zeh eine Scherbe erwischt (ausgerechnet an einer Stelle, wo ich ausdrücklich davor gewarnt und um genaues Hinsehen gebeten hatte) und eine kleine Schnittwunde, und einige waren auch eher über die Wege geeiert als gegangen (hoffentlich trainieren die bis September etwas).

Rund 20 Minuten Besprechungszeit blieben noch, und schnell einigten wir uns auf einen Tag im Wald, einen im Gebirge und einen Dokumentations- und Vorbereitungstag für die Präsentation, für die ein Mädchen den Aufbau eines Fühlpfads mit zuvor gesammelten Materialien vorschlug. Sie kannte dies auch als Variante mit verbundenen Augen; mein Vorschlag, auch den Wald mal blind und barfuß zu durchstreifen, stieß allerdings auf Skepsis.
Zum Schluss wurde von einer starken Mehrheit versichert, sie seien sehr froh, in diesem Projekt gelandet zu sein. Ich ließ noch jeden ein Blatt ausfüllen mit positiven und negativen Assoziationen zum Thema "Barfußgehen" mit der Absicht, am Ende des Projekts zu überprüfen, ob die Meinungen sich evtl. geändert haben.

Alles in allem war ich hochzufrieden und konnte gutgelaunt verkünden, mein Projekt sei in doppeltem Wortsinn "bestens gelaufen".

5) Perspektiven

Wenn das Wetter im September mir keinen Strich durch die Rechnung macht, hoffe ich auf ein sehr gelungenes Projekt.
Je nach Stimmung der Gruppe habe ich auch schon einmal überlegt, für Eltern und Geschwister - und sonstige Interessierte, wie die Kolleginnen - eine Barfußwanderung am Wochenende anzubieten.
Und ein Paket "Feuchte Tücher" schließe ich mal in der Schule ein - für plötzliche Vertretungsstunden bei schönem Wetter in jüngeren Klassen.

Herzlichen Glückwunsch zu diesem Projekt,

Rainer aus Freiburg @, Sunday, 01.07.2001, 12:09 (vor 8485 Tagen) @ Projektleiter

lieber Projektleiter,
mit großem Interesse habe ich den Bericht über das Projekt an Eurem Gymnasium gelesen. Und ich bedauere, dass ich nicht Schüler an Eurer Schule sein kann. Meine Schulzeit liegt schon etwas zurück. Leider gab es bei uns nie solche Aktionen, die etwas vom üblichen Lehrplan abweichen. Natürlich war zu meiner Zeit das Thema: "Gewalt an Schulen" nocht nicht so prisant, wie es heute der Fall ist. Wäre ich Schüler bei Euch gewesen, hätte ich sicher an dem Projekt teilgenommen. Ich hoffe, Du berichtest weiter, über die Aktivitäten Deiner Gruppe. Ich wünsche Dir eine weiteren positiven Verlauf Deiner Arbeit.

Rainer aus Freiburg

Projekt »Gegen Gewalt barfuß im Wald« (Teil 2)

Kai, Sunday, 01.07.2001, 21:47 (vor 8485 Tagen) @ Projektleiter

Herzlichen Glückwunsch zu dieser Projektidee! Mich würden ja mal die gesammelten Assoziationen zum Thema "Barfußlaufen" bei den Jugendlichen interessieren. Ich kann auch nur wünschen, dass das Septemberwetter keinen Meinungsumschwung bei den Kids bringt - September heißt halt doch oft Regenwetter. Aber sehen wir der Sache mal optimistisch entgegen.

Grüße
Kai

Projekt »Gegen Gewalt barfuß im Wald« (Teil 2)

Lorenz ⌂, Sunday, 01.07.2001, 22:49 (vor 8485 Tagen) @ Projektleiter

Der Rückweg führte wieder auf den Feldweg vom Hinweg, weil die Füße den aber schon kannten, erkundeten viele das Stoppelfeld nebenan und auch die Heuschichten.
Und am Ende machten fast alle einen reichlich glücklichen Eindruck ......

Daß Barfußaktionen bei Kindern sehr viel spontane Bewegungs- und Entdeckungsfreude wachrufen, habe ich immer wieder bei Barfußpfadaktionen festgestellt. So auch heute, als ich einen Parcours auf einem Umweltfest aufgebaut habe. Es war wieder eine Freude, so viele glückliche Kindergesichter bei Barfußspaß und Fußgymnastikspielen zu sehen!

Ciao, Lorenz

P.S.: die Mädchen, die den Fühlpfad machen wollen, sollten mal die Anleitung in meiner HP anschauen:

[image] Natürliche und gesunde Barfußaktivitäten

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