Hi Alex,
danke für den Hinweis. Mal schaun, ab wann der Artikel im Archiv der Kronen Zeitung auftaucht. Momentan ist er da noch nicht. Dafür fand ich einen anderen Beitrag über einen Grazer Sportlehrer, der hier im Forum schon mal erwähnt wurde:
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Der erste Gedanke, wenn einer ...
[ 2000-09-25,Stmk ]
Der erste Gedanke, wenn einer immer barfuß geht: Ein komischer Kauz muss das sein. Aber Kersten Rath, Sportlehrer aus Graz, hat einfach die bessere Bodenhaftung. Sollen die Leute nur glotzen im Theater oder in der Felswand.
Tadelloser Anzug, gepflegte Erscheinung. Kersten Rath ist ein Mann, der sich überall blicken lassen kann. Gebildet, astreine Manieren. Trotzdem kommt es vor, dass der Sportlehrer aus einem Restaurant fliegt. SIE nicht, bitte! Beehren Sie uns auf keinen Fall wieder!
Kersten Rath nimmt das locker und gelassen. Wenn die Leute ihn nicht packen - ihr Problem. Er ist kein Radaubruder. Alles, was man ihm vorwerfen kann, das ist, dass er barfuß geht. Immer. Seit siebzehn Jahren schon.
Wegen einer Fußverletzung kam er auf die Idee. Die wäre wahrscheinlich gar nicht passiert, wäre Kersten Rath barfuß gewesen. Das hat mit komplizierten physikalischen Gesetzen zu tun und auch mit der eher schlichten Tatsache: Die Füße des Menschen sind intelligenter als jeder Schuh. Wenn man die Füße lässt.
So richtig extremen Ärger hatte der Bloßfüßige noch nie. Außer einmal: im Flugzeug. Da sind die Stewardessen richtig ausgezuckt. Der Flughafen-Manager musste herbei. Keine Starterlaubnis, solang der Passagier nicht zumindest Socken trägt. Ja, dann halt, sagte Herr Rath. Er wollte ja nach Hause.
In Graz, wo der Sportsmann mit Frau und vier Kindern daheim ist, dreht sich kaum noch jemand nach ihm um. Die Studenten mögen ihn bloßfüßig, manche versuchen es selber, aber so wirklich durchgehalten wie der Meister hat noch keiner.
Kersten Rath, eine bizarre Ausnahme-Erscheinung? Wirklich nicht. Der überwiegende Teil der Menschheit ist noch immer ohne Schuhe unterwegs. Und die Kindheitserinnerungen unserer Groß- und Urgroßeltern - das sind durchwegs barfüßige Geschichten. Dass es ein paar Schuhe gab, für die Kirche am Sonntag, das war das Höchste.
Das mit dem verhüllten Fuß sieht Kersten Rath sowieso als schweren Eingriff ins Leben; kulturell, religiös motiviert. Der Fuß ist einerseits ein delikates Sex-Symbol, und dann wieder im Mittelpunkt ritueller Reinigung. Schuld und Unschuld.
Was der Fuß alles kann, wenn der Kopf ihn lässt! Kersten Rath hat es nicht nur in Büchern, sondern am eigenen Leib studiert. Ein Gewölbe, eine Landschaft, eine geniale Architektur, die den Rest des Menschen trägt und organisiert.
Bergab auf eisigem Boden zum Beispiel: Der Fuß setzt auf dem großen Zeh auf. Der Fuß erkennt, was da unten los ist: Nie würde er in eine Scherbe treten. Das passiert ihm nur durch den falschen Impuls aus dem Kopf, der sich offenbar für klüger hält.
Es gibt freilich schon Situationen, da reißt es selbst Herrn Rath herum wie den Kabarettisten Alfred Dorfer in seiner Szene vom Sonnenstrand: Wenn der Sand fünfzig Grad hat, schreien alle seine Fühler da unten nur noch HILFE!
Kerstens Füße in Großaufnahme sind eine wilde Landschaft. Frau Vera konnte nicht widerstehen und wollte die starken Pfoten einmal in die zarten Hände nehmen. Hornhaut wie ein Elefant, das muss sein. Was so grob und nicht wirklich fotogen ausschaut, ist sensibel wie ein Babyfüßchen. Herr Rath ist furchtbar kitzelig. Frau Vera, kille, kille, hat es ausprobiert.
Manchmal ist der Sex im kleinen ZehApropos die Babys, sagt der Mann. Was ist das Erste, was ihnen alle Tanten und Verwandten anziehen wollen? Klitzekleine Patschenschuhe. So fängt das an. Und dann verlernen die Kinder mehr und mehr die Kunst, ihre Füße richtig zu bedienen. Fußbetten und Stützsohlen und all das Zeug: Immer ein schlechter Ersatz für das, was der liebe Gott da unten installierthat.
Kalte Füße kann man sich im Leben auf viele Arten holen, in der Liebe oder beim Chef, aber sicher nicht beim Barfußlaufen. Kalt werden Herrn Raths Füße nur, wenn schon ein Infekt in ihm schlummert. Dann weiß er: Hallo, obacht! Dann tut er, was zu tun ist: ein heißes Bad nehmen! Gesund werden. Bei Rath können die Leute auch gehen lernen, wenn sie schon lang im Leben stehen. "Laufen ohne Schnaufen" heißen seine Kurse oder "Schiiifoan", damit sich die Leute ihre Haxen nicht so schnell brechen. Aber auch pikante Impulse für die Liebe werden geboten - mehr Spaß am Sex durch (Wieder-)Belebung verkannter Zonen.
Herrn Raths Ehefrau war anfangs nicht übermäßig begeistert von ihrem barfüßigen Gespons. Die jüngeren Kinder, die Mädchen, kennen den Papa gar nicht anders. Papa läuft und läuft, ist aber nie auf den Felgen. Seine Füße sind wie Formel-eins-Reifen.
Das Thema Füße füllt auch ganze Erotik-Bibliotheken. Dass Füße in unserem Kulturkreis so verhüllt werden, hält Rath für falsche Scham. Denken wir an die äußerst lebenslustige Fergie aus dem englischen Königshaus: Keines ihrer Gspusi hat die Welt je so empört wie die Geschichte mit der Zehenküsserei, bei der sie in flagranti von einem Paparazzo abgeschossen wurde.
Barfüßige haben keine SchweißfüßeUnd die Mode, die tut natürlich auch nichts anderes, als ständig neue Spiele mit dem Fuß zu erfinden: verhüllen, verschnüren, verlocken. Natürlich eher bei Damenfüßen.
Den Staub und den Dreck der Welt mit sich herumzuschleppen, das macht dem Bloßfüßigen aus Graz aber schon überhaupt nichts aus. Es gibt ja Wasser. Und manchmal eine Belohnung, eine gute Creme oder so was.
Wie Vera aus eigener Erfahrung weiß, braucht bei Herrn Raths Füßenwirklich niemand die Nase zu rümpfen. Und jede Wette: In diesen Restaurants, in denen sie den Bloßfüßigen nicht haben wollten, hätte er gewiss keine penetrante Duftmarke hinterlassen. Barfüßige haben nämlich nie Schweißfüße. Was man von vielen anderen Leuten nicht behaupten kann.
(Informationen über Seminare und Kurse: Institut für Bewegungs-Management, Graz, Telefon & Fax 0316-393333; E-Mail: kersten.rathkfunigraz.ac.at)
© 2000-09-25 by "NEUE KRONEN ZEITUNG"
Tiroler Kronen Zeitung