Maipresse 2/1 (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo zusammen,
ob man den Pressespiegel im Einzelfall interessant oder langweilig findet, liegt wesentlich an dem, was die Presse in der betreffenden Zeit so geschrieben hat. Diesmal bin ich mir aber ziemlich sicher : Ihr werdet es interessant finden!
Barfußgeher
Der Frühling ist da und bleibt, die Barfußgeher sind wieder verschwunden. Sie waren über Nacht aufgetaucht, kaum dass die Radiostimme im Anschluss an die Nachrichten ein wenig Optimismus versprühte und unsereins überlegte, ob man nicht langsam die lange Unterhose weglassen könnte. Nacktfüßig schritten sie daher, mit entrücktem Gesicht. Weite Schritte machten sie, sie rollten die Ballen wie in Zeitlupe ab, als probten sie für ein modernes Tanztheaterstück.
Dabei ist gegen das Barfußlaufen in der Stadt einiges einzuwenden: Glasscherben, Hundedreck, überhaupt der schmierige Film aus diesem und jenem Undefinierbaren, von dem wir gar nicht wissen wollen, aus was er im Detail besteht. Den Barfußgeher kümmert das nicht. Er ist der großstädtische Vorbote des Frühlings, den er erkennt, während alle anderen noch zweifeln.
Doch dann, schon wenige Tage später, ist es mit einem Mal vorbei mit dem Barfußgehen und dem Ballen-abrollen. Das Wetter ist gut, der Winter ist tatsächlich gebannt, unsereins legt seine frisch gewaschene lange Unterhose gefaltet in den Schrank. Alle sind wir luftig bis luftiger gekleidet, der Barfußgeher zieht seine Schuhe wieder an und ist bis zum nächsten Jahr nicht mehr als Barfußgeher zu erkennen.
Ist der Barfußgeher ein Demonstrant des Augenblicks, der - ähnlich dem Castorgegner - von der Heftigkeit plötzlicher Aufmerksamkeit lange wird zehren müssen, so ist der biertrinkende Kunstlederjackenträger ein Dauerdemonstrant. [...] Dass ein biertrinkende Kunstlederjackenträger kurzzeitig barfuß geht oder ein Barfußgeher eine Kunstlederjacke mit Bierdose trägt, hat die Welt noch nicht gesehen.
[Frankfurter Rundschau, 16. 05. 2001]
Letzteres bliebe zu hoffen. Erstere Behauptung - Barfußgeher als Augenblickserscheinung - wollen wir gemeinsam ad absurdum führen !
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Die ersten Kirchentagsbesucher kommen barfuß daher
Jugendliche der Friedensgemeinde im Gallus lassen das Kirchentagsmotto "Du stellst meine Füße auf weiten Raum" in einer Foto-Ausstellung lebendig werden [...]
Am 13. Juni ist es so weit, der Evangelische Kirchentag kommt nach Frankfurt. Sein Motto: "Du stellst meine Füße auf weiten Raum" aus dem biblischen Psalm 31.
Was heißt das? fragte die Friedensgemeinde im Gallus und nähert sich dem Thema auf anschauliche Weise: Sie fotografierte Füße.
GALLUS. Ein Fuß ist ein Fuß. Und sechzig Füße sind sechzig Füße, oder? Aber sind sie nicht auch Provokation, weil sie in einer Kirche hängen? Kult, weil sie amateurhaft fotografiert sind und jedes Heftpflaster, jeden eingerissenen Nagel zeigen? Oder wirklich nur ein Werbegag für den herannahenden Kirchentag, wie Pfarrer Nulf Schade sagt, der mit einer Jugendgruppe die 60 Füße fotografierte und in der Friedenskirche ausstellt?
"Das Kirchentagsbüro hatte uns aufgefordert, mit Frankfurt-Bildern ein bisschen Werbung zu machen, doch das war uns schnell zu langweilig", erzählt der lebhafte Kirchenmann. Irgendwann hätten sie dann begonnen, die Linse Richtung Boden zu senken, ihr Gegenüber zu bitten, sich von Strümpfen und Schuhen zu entledigen - und abgedrückt.
Denn was passt besser zu dem biblischen Motto, das im Juni 100 000 Christen nach Frankfurt locken soll: "Du stellst meine Füße auf weiten Raum"?
Das Ergebnis hängt nun an den weißen Innenwänden der evangelischen Friedenskirche. Kleine Fotografien, an die man nahe herantreten muss, um etwas zu erkennen.
Zu sehen ist eigentlich nichts Neues: Füße sind unterschiedlich, die einen schmal, die anderen breit, einige braun gebrannt, andere blass mit roten Stellen. Das könnte als Einladung zu einer Sozialstudie dienen nach dem Motto: Wer kann es sich leisten, sich im Winter die Zehen bräunen zu lassen? Oder es könnte einen mal wieder in Gedanken über den Unterschied zwischen Mann und Frau versinken lassen. Doch Schade hält sich bedeckt: "Die Interpretation bleibt jedem überlassen. Wir zeigen schlichtweg Füße." Richtig schöne übrigens, wie man sie aus Zeitschriften kennt, wohlgeformt und gepflegt, sind nicht darunter. Aber das war auch nicht zu erwarten, denn die Ausstellungsobjekte gehören ganz normalen Leuten, zum größten Teil Gemeindemitgliedern. Welche wem? Das ist hier nicht zu erfahren und darum geht es auch gar nicht.
Nur, worum geht es dann? Ach ja, um "Raum", genauer: den weiten Raum, auf den Gott die Füße des Menschen stellt. Die Räume, die die Fotos zeigen, sind Teppiche, Badezimmerfliesen und Asphaltboden und strahlen nicht unbedingt Weite aus. Erfrischend wirkt, dass sich einzelne Vertreter eine Blumenwiese gesucht hatten oder weichen Sand. Doch auch hier vermittelt der immer gleiche Bildausschnitt eher Begrenzung. Zumal nichts Bewegung andeutet und keiner die "Weite" des Kirchentagsmottos ausnutzt. [...]
Von der Gemeinde verlangten die Konfirmanden zwar nicht, was niemanden mehr verwundert hätte, die bloßen Füße herzuzeigen, aber ganz fallen lassen wollten sie dieses Thema auch nicht. Zum Abschluss bekam jeder Besucher ein kleines Geschenk: Fußbalsam.
Die Ausstellung zur Aktion "Zeigt her Eure Füße", bei der auch Kirchentagspräsident Dr. Peter Steinacker mitmachte, ist nach telefonischer Anmeldung (Gemeindebüro, Telefon: 73 33 17) bis Montag, 18. Juni, in der Friedenskirche, Frankenallee 150, zu sehen.
[Frankfurter Rundschau, 17. 05. 2001]
Gute Aussichten für einen barfüßigen Kirchentag ? Wer berichtet darüber ??
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Wenn der Schuh drückt
70 Prozent der Kinder tragen falsche Größen - Mess-Aktion in Kiel [...]
Schuhmodelleur Manfred Liessfeld stellte auch hier fest, dass viele der 40 Kinder, deren Füße er auf das Messbrett setzte, zu kleine Schuhe trugen.
Noch ein Problem: Bei ausländischen Marken stimmen die Auszeichnungen oft nicht mit der tatsächlichen Länge überein.
Mit rund 270 Millionen Schritten umkreist ein Mensch im Laufe seines Lebens drei- bis viermal die Erde - Zahlen, die deutlich machen, wie wichtig gesunde Füße sind. Die aber werden durch falsches Schuhwerk und mangelnde Bewegung allzu oft verformt.
Wenn Erwachsene zum Beispiel unter Hammer- und Krallenzehen leiden, liegt dies meist daran, dass sie als Kinder auf falschen Sohlen gingen. Die Folge: Nur noch 40 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland haben gesunde Füße, und auch bei Kindern sind Fußprobleme bereits weit verbreitet.
Hauptursache dafür sind zu kurze Schuhe, wie Professor Erne Maier, der "Vater" von WMS, beobachtet hat. Eltern sollten wissen, dass Kinder eine geringere Schmerzempfindlichkeit hätten und Druck nicht so stark wie Erwachsene verspürten: "Darum warten Eltern vergebens, dass sich Kinder über zu kurz gewordene Schuhe beklagen." Andererseits entwickeln Kinder im Alter von drei Jahren einen eigenen Geschmack und lernen schnell, wie man den am besten durchsetzt [...] Dann sollte man keine Kompromisse machen, meint Dr. Gerd Küchmeister, Mitarbeiter der Kieler Uni-Forschungsgruppe Industrieanthropologie. Wichtig sei die Passform und nicht das Design.
Füße wachsen bei Jungen und Mädchen anders
Küchmeister gehörte zu den Studien-Mitarbeitern, die [...] vor fünf Jahren 3000 Kinderfüße vermaßen, um das WMS-System zu überprüfen. Denn nicht nur die wachsende Körpergröße, sondern auch der Gesellschaftswandel zwingen Industrie und Handel, in regelmäßigen Abständen die Messlatte an Füße zu legen: So stammen 20 Prozent der Kinder in Deutschland aus ausländischen Familien.
Während sich die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen zu verwischen beginnen, registrierten die Kieler ein Nord-Süd-Gefälle: Norddeutsche gehen nach wie vor auf größeren Füßen als die Landsleute im Süden. Küchmeister: "Bei den Kindern zeigte sich dabei ein Unterschied von drei bis vier Millimetern in der Länge."
Entscheidend ist natürlich auch das Geschlecht: Bereits bei der Geburt haben Jungen im Schnitt drei Millimeter größere Füße als Mädchen. Während die Füße der Mädchen ab dem 13. Lebensjahr aufhören zu wachsen, geht es bei den Jungen noch bis zum 18. Lebensjahr weiter - "maßmäßig unabhängig vom Wachstum anderer Körperteile" [...] Eltern müssen also darauf achten, den jeweils "aktuellen Stand" zu erfassen. Keine leichte Aufgabe, zumal sich die Größe innerhalb eines Jahres bei Drei-Jährigen bis zu drei Nummern ändern kann.
Experten raten Eltern deshalb, alle drei Monate die Füße ihrer Sprösslinge zu messen, die richtige Länge und Weite von Schuhen zu überprüfen sowie auf hochwertige und atmungsaktive Materialien zu achten.
Wenn es das Wetter zulässt, sollten sie ihren Nachwuchs auf die Wiese oder an den Strand schicken, um das Beste für die Entwicklung der Füße zu tun: nämlich barfuß laufen. (mad)
[ Kieler Nachrichten, 19. 05. 2001]
Varfuß laufen - das Beste nicht nur für die Entwicklung im Kindes-, sondern auch den Erhalt der Fußgesundheit in jedem Alter !
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Bischofswiesen: Hat der grüne Regenwurm zu viel Moos gefressen?
Ausgehend von der Hütte erobern die Kinder mit der Erzieherin und Montessoripädagogin Ute Ganserer Wald und Wiese, spielen an der Quelle und an Baumwurzeln, balancieren auf Baumstämmen und klettern auf bemooste Steine. Keines der Kinder hat bisher vorgefertigtes Spielzeug vermisst. Statt dessen haben sämtliche "Waldzwerge" wie selbstverständlich auf ihre angeborene Kreativität zurückgegriffen und sich intensiv mit dem befasst, was die Natur zu bieten hatte. [...] Raum für natürliches Potential
Tabäa suchte beim Durchqueren des ersten Waldstücks vorsichtshalber erst mal sicheren Halt an der Hand einer Betreuerin, denn Ute Ganserer wird bei ihrer Arbeit jedes Mal von zwei anderen "Muttis" unterstützt. Die kleine Gruppe stürmte durch das Fichtengehölz und steuerte zielsicher einen umgestürzten Baumstamm an. "Halt, ich will meiner Mami zeigen, wie gut ich balancieren kann", rief Rebecca und setzte ihr Vorhaben sofort in die Tat um. Da war es auch mit Tabäas Zurückhaltung vorbei. Sie setzte sich schnell auf den Boden, zog unbemerkt Schuhe und Strümpfe aus und tapste barfuß über Stock und Stein zum Balancierstamm. [...]
"Im Wald sind die Kinder belastbarer" ist die Erfahrung von Ute Ganserer. Ob das an der besänftigenden Wirkung von Sonnenkringeln auf weichem Boden, am Vogelgezwitscher im lichtdurchfluteten Laubdach oder an der beim Spiel empfundenen Freude liegt, ist nicht gewiss.
Sicher ist jedoch, dass Kinder in diesen stressfreien Auszeiten alle Sinne ganz unbewusst und spielerisch trainieren und einen Schatz an positiven Lebenserinnerungen sammeln.
[Chiemgau - Online, 22. 05. 2001]
Und Tabäa weiß, wie sie den sichersten Halt beim Balancieren findet !
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Neuer Kulturverein im Fersental
"Schratl" will tiefe Beziehung zu den Bürgern herstellen [...]
Vlarötz/Florutz (eh) - Im Heimatmuseum Filzerhof wurde vor kurzem der neu gegründete Verein "Schratl" vorgestellt. [...] Ihr Anliegen ist es, die Talbevölkerung in kulturelle Initiativen miteinzubeziehen und sie darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig die Erhaltung und die Pflege von Sprache und Tradition ist. [...]
Woher kommt der Name "Schratl"? Schratl war laut einer Legende des Fersentales ein arbeitsames Männlein, das des nachts die Schafherde eines Bauern auf die Weide führte und am Morgen wieder in den Stall brachte. Der Bauer stellte dem Männlein, das barfuß war, ein Paar rote Schuhe vor den Stall, dieses nahm sie und sagte "nou dos vort und nora niemehr" (noch dieses Mal und dann nie mehr) und wurde nicht mehr gesehen.
[Dolomiten, 23. 05. 2001]
Die Reaktion des Schratls kann jeder von uns leicht nachvollziehen - oder ?
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«Barfuss, fertig, los!» - die Expo lockt
Die Ostschweiz mit ihrem Projekt «aua extrema» ist bereit - die Expo-Leitung erfreut und voll Lob
Ein auf der Gasse lebender Mann regt sich auf: «Man kann doch nicht im Sommer einen Eisklotz in die Stadt stellen. Die spinnen doch. Im Winter - das wäre etwas ganz anderes.» Vor dem gleichen Eiswürfel sagt - nach dem Lesen der Informationstafel - ein Sohn zum Vater: «Was, das soll Kunst sein?» Und man spürt, dass er keine Antwort will. Ehrlicher die nächste Fragerin: «Was soll denn dieser riesige Eisklotz bedeuten?»
Seit gestern steht ein acht Kubikmeter grosser Eiswürfel, aus Rheinwasser gefroren, am Bohl in St. Gallen und schmilzt langsam vor sich hin. Er lässt - buchstäblich - niemanden kalt. Und hat damit seine wichtigste Aufgabe erfüllt: Die Aufmerksamkeit des Publikums, das Interesse der Passanten zu gewinnen, den Spieltrieb der jungen Generation anzuregen. [...] «Nach zwei bis drei Wochen ist der massive Klotz verschwunden, das Wasser wieder in den Rhein geflossen.»
Lustvoll bis in Zehenspitzen
Dieser «Kreislauf» ist eines von sieben Kunst- und Begegnungsobjekten, die unter dem Namen «au'art» jetzt in der Stadt St. Gallen gezeigt werden und danach auf Tournee durch die sieben Ostschweizer Kantone St. Gallen, beide Appenzell, Thurgau, Schaffhausen, Glarus und Graubünden gehen.
«au'art» soll für den Ostschweizer Beitrag «aua extrema» und für die in einem Jahr beginnende Expo.02 werben. Am Eis kratzen, auf Sitzbällen auf dem Klosterplatz jonglieren, im Brühltorpark auf der Muschel sitzen und dem Meeresrauschen zu hören; das hat alles mit Lust und Freude zu tun. Und das Gleiche soll auch für den Ostschweizer Auftritt auf der Arteplage in Neuenburg gelten. Auch dort wird es Erlebnisse geben.
Das beginnt schon beim Eintritt in den 1700 Quadratmeter grossen Ostschweizer Pavillon. Dort heisst es dann «Schuhe ausziehen: barfuss, fertig, los!», wie es Alice Scherrer, Ausserrhoder Gesundheitschefin und Präsidentin des Steuerungsausschusses des Ostschweizer Projektes, formulierte. Die Quittierung kam prompt: «Ich habe die Ostschweizer als zielstrebig und herzlich, als innovativ und ein bisschen frech kennen gelernt», sagt Lisa Humbert-Droz, in der künstlerischen Expo-Leitung zuständig für die Ausstellungen von Bund und Kantonen. Und sie bezieht das «ein bisschen frech» ausdrücklich auf den Barfuss-Auftritt: «Wer sonst schon getraute sich, die Besucher ihre Schuhe ausziehen zu lassen.»
Der Tonfall zeigte, die Aussage der Ausstellungsmacherin verlangt kein Fragezeichen. Und versöhnlich: «Sie sagen 'barfuss'; wir 'bluttfuss'. Vielleicht liegt in der Sprache schon das Geheimnis.» [...]
[Tagblatt, 23. 05. 2001]
Diese expo02 sollte unter den Umständen fast eine Reise wert sein im nächsten Jahr ...
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Die "Tanzhalle" auf Kampnagel
Alles hat zwei Seiten
So muss die Hölle sein: ein altes Foyer, eine Rezeptionistin, halb Domina, halb Barfrau. Hier hocken zehn Menschen ohne Namen, in Ballkleidern, barfuß und stumpf vor sich hinstarrend. Mal quetschen sie einen Laut heraus, mal kollert ein irres Lachen über ihre Lippen, mal sprechen sie ein Textfragment. Von irgendwoher dringen Geräusche. Aus den Köpfen dieser Unlebendigen oder von einer Welt da draußen?
Sartres "Geschlossene Gesellschaft" stand Pate für Sandra Strunz' Projekt "Tanzhalle", das am 17. Mai in Hannover uraufgeführt wurde und nun auf Kampnagel Hamburg-Premiere hatte.
Alles hat zwei Seiten im Leben - so auch diese Aufführung: eine triste Garderoben-Seite und die helle Seite des Tanzsaals.
Der Tod und das Leben.
Das Stück wird zweimal gespielt. Der Zuschauer sieht erst die eine, dann die andere Version. Die Reihenfolge des Betrachtens bestimmen die Buchstaben A und B, die am Einlass ausgegeben werden.
Die Bardame wirft Schuhe in den Raum. Gierig stürzen sich die Figuren darauf. Wer welche hat, darf durch eine Art Schleuse auf die andere Seite verschwinden. Den Zurückgebliebenen bleiben die Sehnsucht und Erinnerungsfetzen aus der Vergangenheit. Nach und nach kommen die Tänzer wieder, geben ihre Schuhe ab. Später wird sich herausstellen, dass sie auf dem Parkett des Lebens versagt haben. [...] Im Kontrast filtert sich eine Erkenntnis heraus: Die Gier nach Leben lässt sich nur kurz erfüllen.
[Hamburger Morgenpost, 24. 05. 2001]
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Sekt für die Sohlen
Der Barfußpfad in Bad Sobernheim ist wie das Leben: mal steinig, mal läuft sich's wie auf Wolken [...]
Bei der Eröffnung marschierte der Herr Bürgermeister allen voran - barfuß wie zum Gang nach Canossa. Jetzt sind in einem guten Sommer schon mal über 100 000 unterwegs - Kurgäste sowieso, aber auch Gruppen, Firmen, Schulklassen, Kindergärten, ganze Amtsgerichte und andere Verwaltungen. Und manchmal sogar Einheimische - alle barfuß wie reuige Sünder.
Der Barfußpfad in Bad Sobernheim - Deutschlands erster und immer noch längster - führt seit 1992 auf 3,5 Kilometern an der Nahe entlang, im Trend der Zeit, aber auch in der Tradition des "Lehmpastors" Emanuel Felke. Er war evangelischer Pfarrer, er war vor allem Naturarzt, einer wie Kneipp. Er propagierte eine Ganzheitskur mit Licht und Luft, Wasser und Lehm, vitalstoffreicher Kost und Bewegung. Er wirkte lange in Sobernheim, wo er - 70 Jahre alt - 1926 starb.
Sobernheim ist heute das einzige Felke-Heilbad in Deutschland. So lag die Idee von einem Barfußpfad nahe: "Barfuß durch die Natur", so hieß ja einer von Felkes Schlachtrufen.
Basislager zur Barfußwanderung ist der Quellen-Pavillon im Freizeitpark in Bad Sobernheim. Schuhe und Socken wandern ins markierte Schließfach: roter Fuß auf grünem Grund. Handgeschnitzte Barfuß-Wegweiser geben die Richtung an. Ein bisschen Dramaturgie ist auch dabei. Der Bodenbelag wechselt alle paar Schritte. Eine ungemähte Wiese als Erstes zum Warmwerden. Steine folgen, ganz wie im Leben. Prickelnder Kies: Sekt für die Füße. Weicher Rhein-Sand im Anschluss: Nur auf Wolken geht es sich weicher. Lehm, Teer, Rindenstückchen. Deutschlands längste Fußgänger-Hängebrücke führt 40 Meter weit über die Nahe - alternativ für all die Hasenfüße, die sich nicht durch die historische Nahe-Furt trauen, die Bauern und Kaufleute schon seit alters her benutzen. Auch ein Kahn wartet. "Aber nicht alle auf einmal", mahnt Kurdirektor Ralf Schneberger: "Höchstens fünf passen rein, sonst setzt's auf."
Solcherart vitalisiert könnte man weiter an der Nahe entlang, mit 110 Kilometern der kleinste und wichtigste Nebenfluss des Rheins. Man könnte ins Kloster Disibodenberg zum Beispiel, das längst eine Ruine ist und wo bis 1151 die allseits bekannte Hildegard von Bingen lebte [...]
Das Neueste in der Gegend ist die Fahrt mit der Draisine auf der stillgelegten Bahntrasse von Altenglan bis Staudernheim - je nach Kraft und Belieben 20 oder 40 Kilometer durchs untere Glantal. Etwa alle zwei Kilometer gibt es Haltestellen zum Wandern oder zur Brotzeit. Und damit einem auf der eingleisigen Strecke nicht plötzlich Gleichgesinnte entgegenkommen, geht es an geraden Tagen für alle Draisineure ab Staudernheim weg und an ungeraden ab Altenglan. So vermeidet man Karambolagen.
Ein Tipp fürs Leben.
[Berliner Zeitung, 26. 05. 2001]
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Bucherfolg mit Ausgrabungen in unserer Alltagsprache
Der Lehrer Hartwig Lödige enträtselt Alltagsbegriffe [...]
Tagein, tagaus werden wir mit Wörtern und Abkürzungen konfrontiert, deren Sinn wir gar nicht mehr hinterfragen oder deren Ursprung wir nicht kennen. Wörter wie Dessert oder Pappenheimer sind alltäglich. Doch woher kommen sie, was bedeuteten sie ursprünglich, wie sind sie in unsere Alltagssprache eingegangen?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein ganzer Wissenschaftszweig der Sprachforschung: Etymologen nennt man die Wissenschaftler, die dem Sinn der Wörter nachspüren.
Auch der Marburger Lehrer Hartwig Lödige [...] hat sich auf Spurensuche in unserer Sprache gemacht - und er ist fündig geworden: Mit "Tesa, Tuc und Teddybär" hat er nun schon das dritte Buch vorgelegt. Wieder hat er sich Alltagsbegriffe vorgenommen mit dem Ziel, deren Ursprung zu entdecken und zu erklären. [...]
BARGELD: Der Begriff hat etwas zu tun mit "barfuß laufen (mit nackten Füßen) und "bar aller Sorgen" (frei von Sorgen). Schon im Mittelhochdeutschen ist der Ausdruck Bargeld bekannt und meint Geld, das man mit den Augen sehen kann, wenn man es zum Beispiel auf einen Tresen legt.
Die Erklärungen haben wir mit freundlicher Genehmigung des Ullstein-Verlags dem Buch "Tesa, Tuc und Teddybär" von Hartwig Lödige entnommen (28 Mark). [Oberhessische Presse, 26. 05. 2001]
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Eine Leidenschaft
Die außergewöhnliche Beziehung von Ludwin Klein und seinen Jungs aus Kenia
Ludwin Klein nennt sie "feine Jungs" und "Gazellen". Insbesondere zu 800-Meter-Läufer Japhet Kimutai aus Kenia hat Rehlingens Macher eine besondere Beziehung [...]
Rehlingen. Pfingstmontag 1999: Die letzten Meter begleiten den Läufer mit wahren Beifalls-Ovationen - die Uhren bleiben bei 1:44,12 Minuten stehen. Der kleine kenianische Läufer Japhet Kimutai siegt im Bungertstadion in neuer Weltjahresbestzeit. So etwas hat man in den letzten dreißig Jahren in Rehlingen nicht mehr gesehen!
Nur kurze Zeit später klettert die "schwarze Gazelle" ganz oben auf die Weltrangliste.
Ein schwergewichtiger Mann tanzt auf der Kunststoffbahn herum, als hätte er selbst gerade in diesem Augenblick die Weltmeisterschaft gewonnen - Meeting-Direktor Ludwin Klein. Er umarmt den Sportler, drückt ihn, lässt ihn nicht mehr los. Als der Kenianer nach seinem grandiosen Sieg im Stadionrund gerade auslaufen will, folgt ihm Ludwin Klein immer noch. Man merkt doch, dass er vor langen Jahren einmal selbst Saarlandmeister der Mittelstreckler war. Gekonnt ist eben gekonnt! [...]
Nur eine seiner vielen Schützlinge auf der Bahn mag er ganz besonders - die Laufwunder aus Kenia, die manchmal barfuß die Welt erobern.
Ludwin Klein und die Kenianer - eine Leidenschaft. Da steigt der Präsident entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten für ein Foto auch mal mit seinen "schwarzen Freunden" aufs Siegerpodest. Sie drücken sich - da sind im Laufe der langen jahre echte Freundschaften entstanden.
Und warum gerade diese Kenianer? Klein hat sofort eine entsprechende Antwort parat: "Diese gazellenhafte Laufart - einfach klasse und ästhetisch! [...] Sie sind unkompliziert und auch feine Jungs!"
1998 erfüllte sich Klein mit seiner Ehefrau Olga einen Traum - für fünfzehn Tage reiste er an die ostafrikanische Küste in den tiefsten Busch, um das Training "seiner Idole" kennenzulernen. Und er wurde nicht enttäuscht. Die Gefühle beschreibt er heute aber als "gemischt". Auf der einen Seite der Glanz der Sieger, auf der anderen Seite die unbeschreibliche Armut eines Volkes.
Der europäische Besucher erlebt die Schönheiten dieses Landes zwar als eine Wohltat für das Auge, nicht verborgen bleiben Klein aber die große Not und das Elend. Wieviele träumen hier von einer besseren Zukunft?
Der Faktor "sozialer Aufstieg" wird nie vergessen, wenn von schwindelerregenden Zeiten der kenianischen Wunderläufer die Rede ist. Klein erkannte auch einen entscheidenden Unterschied an Sieges- und Durchhaltewillen der Läufer. "Sie simulieren nichts anderes als den einstigen Überlebenskampf im Busch und der Savanne gegenüber wilden Tieren und gegnerischen Völkern!"
Und noch eines überaschte ihn: Barfuß laufen macht hart! Die kenianischen Talente laufen stets barfuß über Grasland. Die Füße werden dabei so stark und strapazierfähig, dass die Schuhe sich nach der Form richten. "Da kommen einem schon Gedanken über unsere manchmal verhätschelten Kinder, die morgens keinen Meter zu Fuß in die Schule gehen wollen", sinniert der Chef des Meetings [...]
[Saarbrücker Zeitung, 28. 05. 2001]
Starke und strapazierfähige Füße dank Barfußlaufen kann man auch in Deutschland bekommen ... und zum Thema passt auch gleich der nächste Pressebericht :
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Ein Stück Afrika belebt das deutsche Symbol
Stürmer Gerald Asamoah gibt gegen die Slowakei sein Debüt für Rudi Völlers Nationalteam [...]
Für die Reise, die den Deutschen die Tabellenführung bewahren und Punkte zur Teilnahme an der WM 2002 sichern soll, hat Völler, nur halbwegs notgedrungen, einen stattlichen Umbau der Mannschaft vorgesehen. Mit den Schalkern Asamoah, 22, und [...] hat er vier Neulinge nominiert [...] aber längst nicht so erstaunlich wie der Weg seines Mitspielers Gerald Asamoah in die DFB-Elf.
Wenn Völler seine Andeutungen in die Tat umsetzt, wird er in Asamoah heute erstmals einen deutschen Nationalspieler aufstellen, der in Afrika geboren wurde (in Mampong, Ghana, um genau zu sein). Hätte dessen Mutter vor acht Jahren davon geahnt, hätte sie ihm bestimmt nicht das Fußballspielen zu verbieten versucht, weil er daheim in der Hauptstadt Accra - in der Obhut der Großmutter - vom barfüßigen Kicken ständig neue Narben davontrug. Die Eltern lebten damals in Hannover, Vater William kaufte dem Sohn Fußballschuhe, aber Gerald mochte sie nicht tragen. "Alle spielten barfuß", hat er dem Fanzine Schalke Unser erzählt, "und du kannst doch nicht als Einziger mit Fußballschuhen spielen."
Die Schuhe hat er dann zwar mitgenommen zum Platz, aber vorher ausgezogen und schließlich dort vergessen. Zur Strafe ließ ihn die Oma barfuß in die Schule gehen, und seine Mutter entschied, ihn nach Hannover zu holen, damit er nicht mehr Fußball spielt. Das ging schief: "Hier wurd's dann noch schlimmer. Zwar mit Schuhen, aber ich habe noch viel mehr gespielt." [...]
[Süddeutsche Zeitung, 28. 05. 2001]
Und nach dem Spiel dann Berichte wie dieser :
Die deutsche Nationalelf als Herzensangelegenheit
Gerald Asamoah: Wie aus der Zielscheibe von Bananenwürfen der Liebling der Nation wird / Die reine Lebensfreude [...]
Die Reporter von Bild haben auf der Tribüne die Augen zusammengekniffen. Singt der schwarze Mann dort unten, ganz rechts in der Aufstellung, etwa sogar unsere Nationalhymne mit? Nein, tut er nicht, "da würde man ja wohl die weißen Zähne sehen".
Gerald Asamoah hat seine Zähne erst später gezeigt. So kam es, dass der zu anhaltender Heiterkeit neigende gebürtige Ghanaer beim 2:0 an diesem windigen 29. Mai im Bremer Weserstadion gegen die Slowakei ein ansonsten weitgehend unbedeutendes Spiel für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft absolvierte, dabei gleich sein erstes Tor schoss und so den Historikern ein bedeutsames Stück bundesrepublikanischer Sportgeschichte lieferte. "Es waren viele Augen auf mich gerichtet, denk ich mal, weil ich der erste Schwarze bin, denk ich mal, der für Deutschland spielt."
Asamoah denkt richtig. [...] Erst beantragt er erfolgreich die deutsche Staatsbürgerschaft, dann stürmt er - nicht minder erfolgreich - für die A2-Nationalmannschaft. Der Junge, der im Alter von zwölf Jahren an einem unwirtlichen Novembertag aus Accra zu seinen Eltern nach Hannover gekommen war und deutsche Kälte später auch noch ganz anders zu spüren bekam, hat sich entschieden. [...] Inzwischen hat er einen Stammplatz auf Rechtsaußen beim Pokalsieger - und ist seit der Morgenlektüre von Bild gar "unser neuer Liebling."
Die Meinungsmacher, treue Erfüllungsgehilfen der Christdemokraten gegen den "Doppelpass", zeigen dabei mal wieder die ganze Bandbreite ihrer gesellschaftspolitischen Flexibilität - zum Wohle der Nation, versteht sich.
Vater William war übrigens dafür, dass der Sohn für Ghana stürmt und nicht zum neuen deutschen Kulturgut mutiert, und auch der Filius selbst wusste lange nicht recht, was mit ihm geschehen sollte: "Manchmal bin ich eingeschlafen und habe gedacht: Alles klar, ich spiele für Ghana, und bin am nächsten Morgen aufgewacht und habe gedacht: So ein Quatsch, du spielst natürlich für Deutschland."
Derzeit schläft Gerald Asamoah nicht ein und er wacht auch nicht auf. "Es ist wie ein Traum", sagt er und grinst und redet ganz, ganz schnell, "aber ich weiß, dass ich aufpassen muss. Es wird jetzt sehr viel auf mich zukommen. Ich muss auf dem Teppich bleiben. Ich hoffe, dass ich nie abhebe. Und ich muss aufpassen, was ich sage."
Die deutsche Nationalhymne, soviel darf er immerhin verraten, muss er nicht mehr lernen. "Alle haben geschaut, ob ich mitsinge. Aber zu Hause saßen ein paar Schalker Mitspieler vor dem Fernseher. Die wollten über mich lachen. Da habe ich das extra nicht gemacht."
[Frankfurter Rundschau, 31. 05. 2001 ]
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beachsport / Nach den Volleyballern haben auch Hand- und Fußballer Spaß am Strand
Barfuß im Sand wird Traditionelles zum Trend
Die Volleyballer haben es vorgemacht, jetzt ziehen auch Hand- und Fußballer immer öfter die Schuhe aus: Beach-Sport ist angesagt. Dabei stört es hier zu Lande niemand, dass Strand und Meer Mangelware sind. Notfalls wird der Sand eben herangekarrt. Hauptsache Spaß. [...]
¸¸Alle Spieler spielen barfuß.'' Unter Punkt 4.4. der deutschen Beachhandball-Regeln ist eine Grundvoraussetzung für den Sport im weichen Sand festgehalten. Ohne Schuh' gehen die Spieler zu Werke. Nur ganz Empfindliche lassen die Strümpfe an. Das ist übrigens erlaubt.
¸¸Die Regeln sind darauf ausgerichtet, dass alles schnell und spektakulär geht. Es ist ein ganz anderes Spiel als in der Halle'', sagt Alex Gehrer. Gehrer gehört zu den Pionieren der Fun-Variante in Sachen Handball. 1993 wurde er mit dem TSV Bartenbach zu einem Turnier nach Italien eingeladen: ¸¸Da haben wir nachts am Strand gespielt. Es war ein riesiges Erlebnis. Uns war sofort klar, dass wir so etwas in Deutschland auch haben wollen'', erzählt Gehrer, der inzwischen Trainer des deutschen Nationalteams ist. [...]
Wer in der Halle gut Handball spielt, muss auf Sand nicht unbedingt eine große Nummer sein. Sprungkräftig, mit guter Koordination und vor allem schnell - so beschreibt Gehrer den idealen Spielertyp fürs Sandwühlen. Und er muss eine gute Hornhaut an den Fußsohlen haben.
[Südwest Presse, 28. 05. 2001]
Weiter geht es im zweiten Posting ...
Georg