Hi!
Tatsächlich, die Diskussion nach Alexanders Statement zeigt schon eine spannende Meinungsvielfalt. Und sie zeigt auch, dass es hier offenbar ein ganz heikles Thema gibt. Ich kann`s auch nicht bleiben lassen, "meinen Senf dazuzugeben".
Ich bin ja in diesem Forum auch schon einmal leicht ins Fettnäpfchen getreten, als ich von meinen zeitweisen Anwandlungen des "Kleidungsminimalismus" berichtet habe. Es ist wirklich ganz schwer, so die Kurve zu kratzen, dass man weder peinlich noch narzistisch wirkt. Wenn man's tut und erst recht, wenn man davon spricht/schreibt. Jemand hat mir einmal erzählt, der Teil des Gehirns, der für den Tastsinn zuständig ist, liege neben dem für die Sexualität. So sei eben beides zusammen in unserem Gesellschaftssystem suspekt.
Was ist der Ausweg? Viele passen sich einfach an die Mehrheit ihres Kulturkreises an. Eine Frau kann dann einen Minirock im Job tragen, an Mann aber keine Shorts, außer er arbeitet als Maurer. Die Regeln, welche Teile des Körpers man zeigen darf, mit welchen man sogar "angeben" darf, sind dann ganz klar. Deshalb ist ein Stringbikini am Strand okay, obwohl viel weniger Haut verhüllt ist als mit Boxershorts und Unterhemd auf der Straße. Alles klar? Naja, mit barfuß auf der Straße wird's so wohl nichts. Ist ja von der Mehrheit auch nicht wirklich akzeptiert. Oder?
Der zweite Ausweg: Man läuft barfuß, sagt aber dazu, dass das doch gar nichts mit diesem obskuren Dunstkreis Körpergefühl - Sexualität und so zu tun hat. Barfuß sind wir ja nur, weil's so gesund ist. Nun ja, ganz ehrlich ist das halt auch nicht. Wenn mir mein Orthopäde anstatt Schuheinlagen Barfußgehen verordnet hätte, hätte ich es vermutlich nicht getan. Also, ganz ehrlich: warum tun wir's trotzdem?
Wieviel Selbstdarstellung ist dabei, wieviel Freude am anders sein, wieviel Provokation, wieviel Freude am eigenen Körper? Also bei mir: von allem schon ein bisschen was.
Und, wieder ehrlich gefragt: Wer hat außer Barfußlaufen nichts "zu bieten", was sich irgendwo in diesem seltsamen Dunstkreis bewegt. Zumindest in der Fantasie. Genauso wie mit barfuß ist es immer wieder eine Frage des Mutes, wieviel man in die Tat umsetzt. Bei mir läuft das mit meiner Leidenschaft, ganz kurze Haare oder manchmal sogar eine Glatze zu haben, genauso wie mit dem Barfußsein: Manchmal bin ich mutig und fühl mich dann gut, dann wieder nicht. Ohne eigene Erfahrungen zu haben kann ich mir vorstellen, dass das mit Piercings und Tattoos so ähnlich sein kann. Nur eben endgültiger, sozusagen.
Meine Meinung zu dem ganzen ist: Eigentlich ist's nichts Unanständiges, Freude am eigenen Körper zu haben. Mein Körper gehört mir, und eigentlich geht es niemand was an, ob ich mit nackten Füssen durch den Schnee laufe, mir die Haare abschere oder fünf Ringe in der Nase trage. Ich will zwar niemand belästigen, aber wo da die Grenzen sind, ist oft nicht so klar. Mancher fühlt sich schon durch einen Barfüßer im Supermarkt belästigt.
Eine Grenze gibt es für mich dort, wo es "krampfig" wird. Ich weiß, das ist auch recht schwer zu erklären. "Barfuß um jeden Preis", könnte ich nichts abgewinnen, würde mir irgendwann gar nicht mehr Spass machen, würde ich irgendwann nur mehr durchziehen. Obwohl es da schon auch Spass machen kann, Grenzen auszuloten. Wie ich es auch schon mit meinen Versuchen, mit wenig Kleidung in der Öffentlichkeit zu sein, gemacht habe.
"Barfuß darf auf keinen Fall erotisch sein" ist halt die Kehrseite der gleichen Medaille. Das ignoriert, dass wir eben auch erotische Empfindungen haben, dass die auch dazugehören, Spass machen, in Ordnung sind. Wenn mir meine Freundin barfuß besser gefällt als in Highheels, gehöre ich vielleicht zu einer Minderheit, aber na und?
Trotzdem ist es gut, dass wir in diesem Forum sexuelle Inhalte für unerwünscht erklären. Das hat aber nichts mit der Unanständigkeit von Sex zu tun, sondern mit der Eigendynamik, die das Internet entwickelt. Wer einmal in der Hoffnung, Meinungen zum Spass am Nacktsein austauschen zu können, "nackt" in eine Suchmaschine getippt hat, wird wissen, was ich meine. Ich fürchte, mit dem Begriff "barfuss" wird es nicht viel besser ausschauen.
Tja, ich fürchte, dass ich da jetzt mehr Fragen aufgeworfen habe als ich beantworten kann. Aber eigentlich will ich nur Mut machen, Freude am eigenen Körper zu haben und Respekt vor den anderen Leuten. Das eine schließt das andere nicht aus, auch wenn man manchmal auch auf nicht ganz einfache Weise nach Grenzen suchen muss. Barfüsser kennen das...
Liebe Grüße!
Harald