Hallo Forum !

Dieses Jahr feierte meine Uni (in Belgien) ihr 575. Jubiläum, und hatte die früheren Studenten eingeladen, im Rahmen eines Alte Damen -und -Herrentags bei der Einweihung einer neuen Aula dabeizusein.

Eine gute Gelegenheit, den Campus wiederzusehen auf dem man schlisslich die schönsten Jahre seines Lebens verbracht hatte.

Mit anderen Alten Damen und Alten Herrn begaben wir uns per Bus zum Campus der Uni, bewaffnet mit feierlichem Rock/Schlips and Sakko, und erwarteten einen Tag voller staubtrockener Reden, so wie man sich das von Alten Herren - und Damentagen erwartetk, an dem man bestenfalls zum Schluss vielleicht einige gute Erinnerungen begiessen könnte.

Dem war allerdings keineswegs so: nach einer angenehm kurzen akademischen Sitzung fand den ganzen Nachmittag ein Multi-Kulti-Open-Air Festival statt, dass die Uni extra für ihre alten Studenten organisiert hatte, mit lateinamerikanischen, asiatischen, afrikanischen und europäischen Darbietungen. Für eine Uni, die sich rühmt, 25 % ausländischer Studenten aus 100 Ländern zu haben, eigentlich normal.

Mir fiel schon bei der Einweihung der Aula auf, dass einer aus der Studentenband in der Eingangshalle barfuss spielte.

Da die Klausuren bald beginnen, war au dem Campus mächtig viel junges Studentenvolk, die auch das open-air spektakel geniessen wollten, und mir fiel etwas erstaunliches auf: nackte Füsse in erheblicher Anzahl, meist in TEVA's, aber auch auffällig viele total !

Zu meiner Studienzeit (Ende 70, Anfang 80) war dies sehr rar. Ich lief (sehr selten) draussen barfuss, (bekannte Gründe, es gab damals kein Internet-Forum, ich fragte mich damals selbst, ob dieser Drang nicht abartig sei, traute mich nicht usw., usw.) Eines der wenigen Barefoot-girls auf dem Campus lebte damals einige Zeit in meiner WG, ich habe aber seither den Kontakt verloren.

Wir gehörten wohl auch der Post-68er Generation an, und hatten mit deren Gebräuchen nichts am Hut, und verspürten ganz im Gegenteil das Bedürfnis , uns davon zu distanzieren. Meine Generation musste in der Tat als Schüler die ersten 68er JunglehrerINNEN ertragen, und am eigenen Leibe erfahren, wie wenig von ihrem antiautoritären Gerede übrig blieb, sobald sie selbst Autoritäten waren, - als Klassensprecher war ich diesbezüglich in vorderster Front- und in welch erschreckendem Mass bei den gleichen sozialkritisches Geplätscher Fachkenntnis erstetzte- doch dies führt zu weit off topic, zurück zum Thema.

Am gestrigen Wochenende jedenfalls war, auch in Anbetracht des Superwetters, schätze ich, mindestens 10 % der StudentINNen ganz einfach barfuss, und , so scheint es mir, nicht ungewohnt, es zu sein (sichere Gangart, keine Angst vor Scherben oder Dreck, etc).

Ich werde anlässlich der nächsten Dienstreise in die gleiche Gegend mal werktags einen Abstecher auf den Campus machen, um zu sehen, ob diese Vermutung auch im Alltag so zutrifft.

Dies liess ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Ich verfrachtete Schlips, Sakko und Schuhe in die WG meiner alten Burschenschaft, zum Erstaunen einiger der mitgereisten anderen Alten Damen und Herrn, und verbrachte einen herrlichen, sonnigen Nachmittag und Abend barfuss, mit schwarzen Sohlen, und allem was dazugehört: ich fühlte mich 20 Jahre jünger, und bedauerte nur, es damals , in meiner aktiven Zeit, nicht auch systematisch getan zu haben.

Die eigentlich relevante Information ist folgende, und stimmt mich optimistisch.

Meine Uni ist stolz darauf, trotz ihrer langen Tradition, in jeder Hinsicht, sei dies rein wissenschaftlich, oder auch in Bezug auf Architektur, Lifestyle, Toleranz, usw. Vordenker im eigenen Lande zu sein (sollten die Unis eigentlich alle).

Was dort auf dem Campus heute passiert, gedacht, gesagt und geschrieben wird, wird in zehn Jahren der allgemeine Trend sein.

Und wenn ich feststelle, dass die Jugend auf dem (dafür zugegebenermassen idealen, autofreien) Campus so massiv barfuss läuft, glaube ich, dass dies in einigen Jahren zumindest in Belgien ein gesellschaftlicher Trend sein wird.

Dies stimmt mich sehr optimistisch.

MFG

aquajeans