Barfuß in Afrika (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd A @, Thursday, 22.03.2001, 09:53 (vor 8651 Tagen)

Ich habe mal etwas in meinem Buch herumgeplättert, das ich vor 3 Jahren über meine Reisen in Afrika geschrieben habe. Es ist eigentlich bisher nur ein Manuskript. Zwar habe ich auf Anhieb drei Verlage gefunden, die es für mich publiziert hätten, aber der Eigenanteil an den Druckkosten war jeweils derart hoch, dass ich das Vorhaben mangels finanzieller Möglichkeiten aufgeben musste.
So weit, so gut, das alles interessiert hier wahrscheinlich weniger, aber ich dachte mir, ich könnte ja einige Passagen aus dem Buch hier herüber kopieren. Meine Reiseberichte im Herbst stießen ja doch auf Interesse. Und es ist eine Möglichkeit, der gerade kritisierten "Tristesse" etwas zu begegnen. Ich werde also in den nächsten Tagen nach und nach einige Passagen herüberkopieren, es müssen ja nicht gleich alle 110 Seiten auf einmal sein.

KILIMANJARO
Die Skyline von Nairobi lasse ich schnell hinter mir, die Landschaft geht bald über in offene Savanne. Mit meinem gemieteten Geländewagen fahre ich auf der gut ausgebauten Straße genau nach Süden, in Richtung Namanga an der tansanischen Grenze. Auf der rechten Seite grenzt die Straße an den Nairobinationalpark. Giraffen äsen gleich neben der Straße an den Schirmakazien, Gazellen weiden im trockenen Gras der Savanne. Weiße Cumuluswolken, die über der sonnenüberfluteten Landschaft dahinschweben, spenden nur spärlichen Schatten.
Nachdem ich den Nationalpark hinter mir gelassen habe, sehe ich die ersten Masai, die barfuß ihre Rindern und Ziegen durch das weite Grasland treiben. Es sind meist junge Burschen, denn das Hüten der Herden ist ihre Aufgabe. Einige ältere Männer sitzen unter Schirmakazien und halten Mittagsruhe.
Nach etwa einer Stunde Fahrzeit passiere ich die Masaistadt Kajiado und nach einer weiteren Stunde erreiche ich Namanga. Straßenhändlerbuden säumen die Straße. Aufdringlich, teilweise aggressiv bieten die Händler ihre Waren an, bedrängen mich, etwas zu kaufen. Deshalb schaue ich, dass ich schnellst möglich weiterkomme. Später, in Tansania, so hoffe ich, werde ich noch genügend Einblick in das ursprüngliche Leben der Masai bekommen. Hier, in der Umgebung des Amboseli sind die Masai ohnehin vom Massentourismus beeinflusst und man kann kaum noch vom ursprünglichen Leben sprechen.
Hier ist der Amboseli-Nationalpark mein Ziel, um am Fuße des Kilimanjaro einige interessante Tierbeobachtungen zu machen.
Von Namanga aus geht eine Abzweigung Richtung Westen. Die Straße ist schlecht, staubig, steinig, eine dichte Staubwolke verfolgt das Fahrzeug auf der Weiterfahrt Richtung Kilimanjaro.
Schon vor Namanga habe ich den Kilimanjaro sehen können, das heißt, sein schneebedecktes Haupt, das erhaben über den Wolken thront. Jetzt komme ich dem knapp 6000 Meter hohen Berg immer näher. Doch ich kann ihn nicht mehr sehen, er ist dicht mit Wolken verhangen und außerdem versperren immer wieder kleinere Gebirgszüge den Blick zum Kilimanjaro.
Ich durchfahre eine karge Landschaft, Felsen, vulkanische Lavafelder, es ist heiß und staubig. Plötzlich, nach einer Rechtskurve, öffnet sich die Landschaft. Ich blicke über eine weite, von gelbem Steppengras bedeckte Ebene, an deren Ende sich das Land langsam hebt und in die Nordhänge des Kilimanjaros übergeht. Nur kurzzeitig gibt die Wolkendecke, die den Berg fast vollständig einhüllt, den Blick auf seine beiden Gipfel Mawenzi und Kibo frei.
Verstreute Galleriewälder unterbrechen das eintönige Gelb der Ebene mit ihrem frischen, satten Grün. Weiter westlich glänzen die Fluten des flachen Amboselisees in der Spätnachmittagssonne. In einigen Wochen, wenn im Februar die Trockenzeit ihren Höhepunkt erreicht, wird der flache See ganz verdunstet sein und Sandstürme werden die verdorrte Ebene in einen grauen Staubdunst hüllen.
Gegen abend erreiche ich mein Camp, wo ich für die nächsten Tage ein geräumiges Zelt beziehe. Eigentlich soll man von hier aus freien Blick auf den Kilimanjaro haben, doch die Wolkendecke in Richtung des Bergriesen ist dicht und lässt keinen Blick auf ihn zu.
Bei Sonnenuntergang unternehme ich noch eine Erkundungsfahrt in die nähere Umgebung. Es ist immer wieder ein tolles Erlebnis am Abend durch die wildreichen Gebiete Afrikas zu fahren und die Stimmung zu genießen, wenn sich die Tiere am Ende des Tages für ihre Nachtruhe zurückziehen.
Ich fahre an fast endlosen Zebraherden vorbei, die friedlich im flachen Licht des Abends äsen, einige Schakale huschen durch das hohe Gras, um vielleicht einen Hasen zu erbeuten oder sich an einem Stück Aas zu laben. Unzählige Gazellen ziehen grasend über die Steppe. In einem Gebiet mit höherem Buschwerk und Baumbewuchs haben sich mehrere Giraffen eingefunden, um an den hohen Zweigen die frischen Blätter abzufressen, die jetzt nach der Regenzeit noch saftig und zart sind. Ein gutes Stück weiter westwärts erkenne ich ein größere Herde Elefanten, die in der offenen Steppe am Rande eines Wäldchens grast. Ich nähere mich der Herde langsam. Die Tiere stehen weit verstreut im hohen Gras, so kann ich mitten in die Herde hineinfahren. Ich stoppe das Fahrzeug, schalte den Motor ab und genieße die abendliche Stimmung zwischen den urweltlichen Riesen. Die Herde zieht friedlich dahin, ab und zu höre ich ein zufriedenes Grollen, ansonsten ist außer dem Rauschen des Windes im Gras, dem Zirpen der Grillen und dem Abrupfen des Grases durch die Elefantenrüssel nichts zu hören. Hinter den Elefanten, zwischen den Palmen und Akazien des Galeriewaldes geht jetzt feuerrot die Sonne unter. Ich nehme noch eine Weile die friedliche Stimmung in mich auf, dann fahre ich zurück zum Camp, denn nach Einbruch der Dunkelheit darf man sich nach den Nationalparkvorschriften nicht mehr außerhalb der Campanlagen aufhalten.
Am Abend lausche ich noch lange den Stimmen der Wildnis, dem Zirpen der Grillen dem heiseren Bellen der Zebras, bis ich schließlich nach einem anstrengenden, langen Tag einschlafe.

Das Bellen aus vielen tausend Zebrakehlen treibt mich schon früh aus dem Schlafsack. Ich trete barfuß vor das Zelt, um den kühlen Morgen zu begrüßen. Welch ein Anblick! Morgentau überzieht das Steppengras mit einem in der aufgehenden Sonne silbrigrosa glitzernden Perlenkleid, leichter flacher Nebeldunst liegt träge über der ganzen Landschaft. Nur wenige hundert Meter außerhalb des Campgeländes grasen Zebras im grüngelben Gras, die Herde ist weit verstreut, die Tiere stehen in einzelnen Gruppen über das ganze Blickfeld verstreut und verschwimmen am Horizont mit dem Dunst. Zwischen den Zebras laufen auch einige Gazellen umher und in der Ferne, fast vom Dunst verschluckt, erkenne ich drei Giraffen, die friedlich dahinziehen. In einem der alten Bäume des Campes gurrt ein afrikanische Taube ihr monotones Lied, das jeder Afrikareisende kennt und das aus der Savanne genausowenig wegzudenken ist, wie die sengende Sonne und wie das im Wind wogende, trockene Steppengras.
Weit oben über dem Dunst reckt sich mächtig und erhaben ein Berggipfel in den wolkenlosen afrikanischen Morgenhimmel, sein vergletschertes Haupt glänzt zart rosa im Licht der gerade aufgehenden Sonne. Etwas weiter links, also östlich, erhebt sich ein zweiter Gipfel über die Weite der Steppe. Er ist nicht ganz so hoch, wie der andere und mehr zerklüftet. Der Kilimanjaro, in der ganzen Pracht seiner beiden Hauptgipfel Kibo und Mawenzi! 5000 Meter erhebt er sich aus der ihn umgebenden Ebene, die immerhin auch schon rund 1000 Meter hoch liegt.
Nachdem ich diesen einmaligen Anblick tief in mich aufgesogen habe, gibt es für mich kein Halten. Ich setze mich in mein Auto und fahre hinaus, in das erste Morgenlicht über der afrikanischen Steppe.
Ich fahre vorbei an unzähligen Zebras. Gazellen und Antilopen ziehen friedlich äsend durch die Weite der Landschaft, vereinzelt stehen einige Giraffen an Bäumen, den Hals hoch aufgereckt, um an die oberen jungen Triebe zu kommen. In der Ferne ziehen einige Elefanten durch die Steppe, vielleicht ist es die selbe Herde, die ich gestern abend schon beobachten konnte. Nach einiger Zeit halte ich an, schalte den Motor ab und genieße einfach nur die Stimmung mit den vielen Tieren vor der eindrucksvollen Kulisse des Kilimanjaro. Ich steige durch die geöffnete Dachluke aufs Dach des Geländewagens und setze mich hin. Der kühle Morgenwind weht mir den Duft von frischem Gras, vermischt mit dem würzigen Geruch der unzähligen Tiere um die Nase. Hier draußen in der offenen Steppe ist es morgens empfindlich kühl, doch die Sonne beginnt jetzt bereits angenehm zu wärmen.
Mit dem Aufsteigen der Sonne bilden sich auch bald die ersten Quellwolken, die sich erst vereinzelt um den Gipfel des Kilimanjaro gruppieren, später aber zu einer geschlossenen Wolkendecke verdichten und immer mehr den Blick zum Gipfel verdecken.
Nach einer Weile setze ich mich wieder ans Steuer und fahre weiter, vorbei an all den vielen grasfressenden Herdentieren der afrikanischen Savanne. Doch die großen Raubkatzen machen sich rar. So sehr ich mir auch Mühe gebe, Löwen, einen Gepard oder einen Leopard zu finden, nichts, nicht einmal eine Schwanzspitze ist zu sehen.
Langsam verlangt mein Magen nach einem Frühstück, so fahre ich zurück zum Camp und lasse dem Magen auch sein Recht zukommen.
Nach dem Frühstück richte ich mir noch ein paar Wurstbrote für Mittags und schon sitze ich wieder im Geländewagen um den Amboselipark zu durchstreifen. Gegen Mittag, zur Zeit der ärgsten Hitze stelle ich das Auto im Schatten eines Wäldchens ab und beobachte die vorbeiziehenden Tiere, die ebenfalls im Schatten der Bäume Schutz vor der sengenden Sonne suchen. Auf einem alten knorrigen Baum in der Nähe lärmt eine Horde Paviane. In der nächsten Zeit ziehen vorsichtig ein paar Gnus in den Wald, weiter hinten haben sich zwei Giraffen unter einer hohen Schirmakazie eingefunden. Gazellen und Antilopen ziehen durch und später auch einige Zebras. Von mir mit meinem Auto nehmen sie kaum Notiz. Während der ganzen Zeit streiten die Paviane munter weiter. Ihr Gezanke ist allgegenwärtig, so dass mir kaum auffällt als irgendwann Ruhe einkehrt. Vielleicht ist es auch ihnen zu heiß geworden. Auch andere Tiere kommen keine mehr vorbei und auch in der näheren Umgebung ist nichts mehr zu sehen. Nur das allgegenwärtige Gurren der Taube und das Zirpen der Grillen sowie das Rauschen des Windes im hohen Gras ist noch zu hören. Sanft wiegen sich die reifen Fruchtstände des Grases in den Intervallen des Windes, der aus der flirrend heißen Steppe in den Wald herein weht. Es herrscht Mittagsruhe, vielleicht stört die Tiere auch meine Anwesenheit mehr als ich denke. So entschließe auch ich mich, Mittagsruhe zu halten, lehne mich im Auto zurück und schlafe ein.
Es ist wohl eine ganze Weile vergangen, als ich plötzlich hochschrecke. Irgend ein Geräusch hat mich geweckt. Der Blick auf die Uhr bestätigt, dass ich mindestens zwei Stunden geschlafen habe. Doch was war das für ein Geräusch? Da ist es wieder. Es hört sich an wie Gezanke, aber anders, als das der Paviane. Die sind ja ohnehin längst verschwunden. Dazwischen ertönt ab und zu ein kehliges Knurren. Die Geräusche kommen aus der Richtung des Buschwerks, das etwa fünfzig Meter links von mir ist. Ich lasse den Motor an und fahre hin. Unmittelbar an dem Gestrüpp ist nichts zu sehen, also fahre ich drum herum. Was ich dann sehe, lässt mir fast den Atem stocken. Unter der großen Schirmakazie die etwa zwanzig Meter von dem Buschwerk entfernt steht, liegt ein Rudel Löwen. Es sind zwei erwachsene Männchen, fünf Weibchen und drei etwa halbjährige Junge. Die Jungen streiten sich und die Alte fährt dann und wann mit einem Knurren dazwischen. Das sind die Geräusche, die ich gehört hatte. Ein Rudel Löwen, nicht einmal hundert Meter von mir entfernt, während ich im Auto schlief, bei geöffnetem Fenster, da wird es mir schon etwas mulmig. Das Eintreffen der Löwen war also auch der Grund für das plötzliche Verschwinden der anderen Tiere.
Die Löwen lassen sich von mir kaum stören, die Jungen stellen zwar vorübergehend das Streiten ein und schauen neugierig herüber, doch nach kurzer Zeit haben sie sich satt gesehen und wenden sich wieder dem Zanken zu.
Nach und nach treffen noch weitere Touristenbusse ein, bis schließlich fast eine kleine Wagenstadt entsteht. Die Nachricht von dem Löwenrudel spricht sich unter den Safarifahrern, die im Amboseli unterwegs sind, schnell herum.
Als die Sonne langsam untergeht verschwinden sie alle wieder und auch ich mache mich vorschriftsgemäß auf den Rückweg zum Camp. Viel getan hat sich nicht mehr, bei den Löwen. Meine Hoffnung, dass sie vielleicht noch vor Sonnenuntergang auf die Jagd gehen, hat sich nicht erfüllt.
Der Abend im Camp wird wieder bestimmt von den vielen Tierstimmen.

Fortsetzung folgt...

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