Barfuß um die Welt, barfuß auf dem Vulkan - in Chile (Hobby? Barfuß! 2)
Von Bariloche in Argentinien kamen wir, wie beschrieben, mit dem Bus und Schiff hierher nach Puerto Montt. Die Mitreisenden hatten sich inzwischen an meine nackten Füße gewöhnt, es war kein Thema mehr.
Chile ist ein sehr langes Land. Es reicht von subtropischen Gebieten im Norden bis fast an die Antarktis heran. Die Berge im Süden sind bis fast auf Meereshöhe vergletschert, ein unwegsames Gebiet, in dem so gut wie niemand wohnt. Straßen gibt es gar keine. Die Küste ist zerfurcht und zerklüftet. Straßen gibt es nicht, das Inlandeis ist auch heute noch eine Herausforderung für Extremabenteuerer. Extreme Stürme machen jede Expedition zum Wagnis.
Puerto Montt liegt im Süden Chiles, aber immer noch 500 km nördlich des Inlandeises, in gemäßigten Zonen. Es regnet viel, die Sommer sind eher kühl, die Winter eher mild und stürmisch. Man kann das Klima hier vielleicht am ehesten mit dem von Irland vergleichen.
Richtung Norden liegt das Prunkstück chilenischer Landwirtschaft. Hier herrscht ideales Klima für Obst und Weinbau. Obst von hier wird in die ganze Welt geliefert. Dies ist das Gebiet, in dem wir auf unserer Reise unterwegs waren.
Doch zunächst besuchten wir noch die Insel Chiloe. Leider hatten wir nur einen Tag Zeit. Und das Wetter spielte auch nicht mit, es regnete und windete, wie bei uns im September. Klar, Februar ist in Südchile Spätsommer! Da blasen schon mal die ersten antarktischen Herbststürme.
Chiloe ist Bauernland, gilt in Chile oft als rückständig. Aber es hat eine herrliche Landschaft, an klaren Tagen hat man im Hintergrund die herrliche Kulisse der schneebedeckten Anden und der Vulkane Osorno und Puntiagudo. Und die Menschen dort wirken nicht unbedingt unglücklich über ihr einfaches Leben.
Die Menschen in Chile sind freundlich, englisch sprechen sie nicht, deutsch auch nicht. Und mit europäischem Schulspanisch kommt man ebenfalls nicht sehr weit. Gringos aus USA sind nicht sehr willkommen, gibt man sich jedoch als Deutscher zu erkennen, bleibt nichts unversucht, sich verständlich zu machen. So fand sich immer ein Weg, wenn wir Auskunft brauchten. Barfüßige Leute sah ich keine (außer am Strand) , aber es ist auch niemand besonders aufgefallen, wenn ich barfuß unterwegs war.
Puerto Montt ist ein Provinzstädchen, sehenswert ist eigentlich nur die Insel Chiloe und die Vulkane im Osten. Es gibt einige schöne alte Holzhäuser in der Stadt.
Wir fuhren mit dem Linienbus weiter nach Valdivia. Ein wunderschönes Städtchen mitten im Obstanbaugebiet mit einem Klima wie in Norditalien. Man kann sich so richtig wohl fühlen hier. Ganzjähriges Barfußvergnügen wäre garantiert!
Nicht weit nördlich liegt das Städtchen Temuco. In dieser Gegend blieben wir einige Tage lang. Temuco ist eigentlich nicht sehr einladend, ein schmutziges, graues Städchen mit viel Verkehr. Die Nationalstraße, Teil der Panamerikana, die alle wichtigen Städte des Landes verbindet und ganz Chile in Nord-Süd-Richtung durchzieht, führt mitten durch Temuco. Aber das Hinterland mit seinen Vulkanen und den Anden ist sehr sehenswert.
In Temuco gibt es einen der größten Indianermärkte des Landes. Er ist sehr sehenswert. Bauern aus der ganzen Umgebung kommen am Markttag mit ihren Pferdefuhrwerken in die Stadt, um Früchte, Kleidung und anderes zu verkaufen. Es ist ein buntes Treiben, stundenlang kann man über den Markt schlendern, man findet immer wieder neues und interessante Menschen. Die vielen reifen Früchte lassen das Wasser im Munde zusammenlaufen, es gibt einfach alles, ein Schlaraffenland. Das Klima hier lässt sowohl Südfrüchte, als auch mitteleuropäisches Obst und Gemüse prächtig gedeihen.
Nach diesem Markttag machten wir einen Ausflug zum Vulkan Llaima. Hier ist die Heimat der Araukania-Tanne. Das Gebiet ist eher trocken. Der Vulkan Llaima hat einen Bilderbuchkegel, wie Osorno, aber nur wenige Schneereste zieren sein Haupt. An seinem Fuße gibt es ein paar malerische kleine Seen, umgeben von dichten Wäldern. Am Nachmittag machten wir eine herrlich entspannende Wanderung um einen der Seen. Es war inzwischen auch bei meinen Mitreisenden selbstverständlich, dass ich solche Wanderungen barfuß machte. Es war Wochenende und einige Chilenen verbrachten ihre freien Tage hier am See, mit dem Zelt. Gerne wären wir auch hier am See geblieben, über Nacht. Aber unsere Unterkunft befand sich in Temuco, ein staubiges Hotel direkt an der Hauptstraße.
Wir genossen am Abend noch die herrliche Ruhe am See. Perfekt spiegelte sich der Llaima im Wasser, im zarten Abendlicht.
Am nächsten Tag ging es mit unseren beiden Mietwagen durch Obstplantagen ins kleine Bauerndorf Curacautin, ein Dorf mit romantischem südeuropäischen Flair, es könnte auch in der Toscana liegen. In einem wunderschönen kleinen Hotel mit Gartenrestaurant war unser Nachtquartier.
Am nächsten Tag trennte sich unsere Gruppe. Der größte Teil fuhr zurück nach Temuco, um etwas zu entspannen. Zu viert fuhren wir weiter zum Vulkan Lonquimay, der 6 Wochen zuvor nach langer Ruhepause wieder ausgebrochen war. Schon von weitem sahen wir eine pechschwarze dichte Rauchwolke, die immer noch über dem Vulkan stand. Wir fuhren durch eine scheinbar tote Landschaft aus Gesteinsasche. Eine Landschaft in schwarz. Das letzte Stück mussten wir zu Fuß gehen. Gewaltiges Donnern dröhnte vom schwarzen Kegel des Lonquimay zu uns herüber. Bis auf 800 Meter konnten wir uns dem Krater nähern. Ich war natürlich barfuß. Die Asche fühlte sich an wie grobkörniger Sand, bei jedem Schritt sank ich tief ein, in die locker geschichtete Asche.
Immer wieder stieß der Vulkan tiefschwarze Rauchwolken aus, begleitet von gewaltigem Dröhnen. Dir Boden erzitterte unter dem Toben des Vulkans. Zeitweise wurde die Sonne völlig verdunkelt, von den Rauchmassen. Leute, die über Nacht in der Nähe des Vulkans waren, erzählten uns, dass man bei Dunkelheit leuchtende Feuerfontänen über dem Krater sehen könnte. Wie gerne wäre ich geblieben, um dieses Schauspiel bei Nacht bewundern zu können, aber die Zeit drängte, wir mussten weiter. So ist das halt bei organisierten Reisen mit festem Programm. Der Abstecher zum Lonquimay und die folgende Fahrt entlang der Anden stand ohnehin nicht auf dem Plan.
Die Fahrt ging weiter zur Ortschaft Lonquimay. Hier konnten wir uns in einem malerischen kleinen Laden mit frischen Lebensmitteln eindecken. Die Straßen hier sind bedeckt mit feiner Asche, die der Wind vom Vulkan herüber getragen hat. Autos sind hier eher selten, die Leute bewegen sich zu Pferde fort. Ein Hauch von Wildwestromantik. Zum Transport benutzen die Bauern Ochsenkarren.
Eine lange staubige Fahrt auf Naturstraßen stand uns nun bevor, immer mit Blick auf die Kulisse der schneebedeckten Anden. Bauernland, Ochsenkarren und kleine, oft sehr einfache Anwesen bestimmten das Bild. Man bekommt einen Eindruck, wie es bei uns wohl vor ein paar hundert Jahren ausgesehen hat. Nur die gelegentlich vorbeifahrenden Autos erinnerten an unser Jahrhundert. Vorbei am Paso de Icalma und einigen malerischen Bergseen ging es nach Melipeuco. Hier gibt es auch wieder Benzin fürs Auto.
Entlang dem Rio Allipen fuhren wir nach Cunco. Herrliches Bauernland mit spanischer Romantik. Männer, die im Schatten eines Baumes Siesta halten und einfach nur das Leben genießen. Barfuß sind sie nicht. Aber es würde auch nicht stören, wenn sich jemand barfuß dazusetzen würde.
Ortsnahmen wie Las Hortensias oder Los Laureles lassen schon erahnen, wie hier alles schön grünt und blüht.
Dann öffnete sich der Blick, vor uns lag tiefblau der Lago Villarrica. Schon der Name zergeht wie italienisches Eis auf der Zunge. Auf der anderen Seite erhebt sich majestätisch der gleichnamige Vulkan, Villarrica! Hier trafen wir unsere Kameraden wieder, in der Stadt, die den selben Namen trägt, logisch.
Badewetter, planschen im See war angesagt. Die Nacht verbrachten wir hier am See, der auch bei vielen Chilenen als Urlaubsziel beliebt ist.
Zurück nach Temuco, von wo am Abend der Nachtzug nach Santiago abfuhr.
Santiago glänzt mit kolonialzeitlichen Prachtbauten. Wir hatten einen Tag Zeit, die Stadt zu Fuß, mit dem Bus und mit der U-bahn zu erkunden.
Dann ging es weiter nach Vina del Mar. Wie immer benutzten wir öffentliche Verkehrsmittel, das heißt in diesem Falle Linienbus. Es war Freitagnachmittag. Das Wochenende stand bevor und die Busse von Santiago ins ca 80 km entfernte Vina waren brechend voll.
Vina del Mar hört sich nicht nur so an wie Rimini oder Costa Brava, es sieht dort auch so aus. Hotelburg neben Hotelburg! Nachtleben, Disco, High Live, Wochenende und Sonnenschein. Die barfüßige Schönheiten laufen hier in Massen herum. Und am Tag tummelt man sich am Strand, auf dass man schön braun wird. Nur....das Wasser....naja, es ist ja wunderschön anzuschauen, wenn man auf den Klippen südlich von Vina steht und über den weiten feinsandigen Strand schaut. Aber es ist ja soooo kalt!!! An den Klippen tummeln sich nicht nur Sonnenanbeter, sondern auch eine stattliche Kolonie Pinguine! Sie fühlen sich bei den Wassertemperaturen wohl. Der Humboldt-Strom bringt das kalte Wasser direkt aus der Antarktis bis hier hoch und weiter bis zum Äquator.
Südlich von Vina del Mar ist die Hafenstadt Valparaiso, einer der wichtigsten Häfen Chiles. Natürlich stand auch eine Besichtigung auf dem Programm.
Weiter nördlich beginnt dann die Wüstenregion. Die chilenische und peruanische Wüste ist die trockenste der Welt. Es gibt Stellen, wo es schon seit 100 Jahren und mehr nicht geregnet hat.
Wir fuhren mit dem Bus hinauf in die Anden, von 0 auf 2800 Meter. Das sind nur ein paar Fahrstunden, bis Puente del Inca auf argentinischem Gebiet. Gleich nach Ankunft machte ich noch eine Barfußwanderung in der Umgebung. Danach legte ich mich ins Bett. Doch irgendwie war mir so komisch, nein das ist zu milde ausgedrückt, es war mir hundeelend! Höhenkrankheit! Sterben muss schöner sein! Kopfweh, Bauchweh, die Fontänen sprudelten zu allen Körperöffnungen raus! Und am nächsten Tag sollte es weitergehen, per Pferd bis auf 3500 Meter und übermorgen bis auf 4200 am Fuße der Südwand des Aconcagua. Unvorstellbar...
Doch am nächsten morgen ging es gar nicht so schlecht. Auf dem Rücken eines Pferdes ging es dann durch steinige, fast vegetationslose Hochgebirgslandschaft. Die 5000er stehen hier nur so herum und vor uns erhebt sich majestätisch der fast 7000 Meter hohe Aconcagua. Genau 6959 Meter hoch ist sein Gipfel, ziel vieler Bergsteiger. Leider müssen viele für dieses Abenteuer mit dem Leben bezahlen, Der Aconcagua ist einer der schwierigsten Berge der Welt.
Abends erreichten wir unser Camp Confluencia in 3500 Meter Höhe, umgeben von Geröll und Gesteinsschutt. Keinerlei Vegetation. Dafür gab es herrliche Bergkulissen. Die Nacht wurde saukalt. So kalt, dass ein munter dahinplätscherndes Bächlein am nächsten Morgen komplett gefroren war. Doch was juckte mich schon die Kälte - die dünne Luft war viel schlimmer, für mich als "Flachlandtiroler".
Am Glaciar Morenes entlang ging unser Ritt am nächsten Tag bis nach Plaza Francia, ein Camp am Fuße der senkrechten, fast 2800 Meter hohen Südwand. und wir waren immerhin auch schon in einer Höhe von ca 4200 Meter. Um uns herum eine wahre Mondlandschaft aus Geröll. Die Südwand ist komplett vereist. Lawinen poltern immer wieder herunter. Sie sind unberechenbar und machen den Aufstieg so gefährlich.
Nach einem längeren Aufenthalt ritten wir zurück nach Confluencia, und so langsam begann ich mich an die Höhe zu gewöhnen. Gerade jetzt, wo es Spaß macht, muss man wieder zurück. Übermütig gab ich meinem Pferd die Sporen und wir galoppierten den anderen davon. Seht zum Unmut unseres argentinischen Begleiters. Der erfahrene Reiter holte mich natürlich schnell ein. Gott sei Dank verstehe ich kein spanisch, so konnte ich ihm auf seine Moralpredigt nur mit Achselzucken und freundlichem Lächeln antworten.
Ach ja, barfuß war ich in dieser Situation nicht, angesichts der Kälte war das auch kein größeres Problem.
Eine weitere Nacht in Puente del Inca, dann ging es nach Mendoza, wo wir die Reise gemütlich ausklingen ließen. Noch ein paar Tagen in den "Guten Lüften" (Buenos Aires), dann ging es zurück in den spätwinterlichen Nebelsmok in der Heimat.
Falls ich nun jemandem die Lust auf Chile geweckt haben sollte: Ich kann Dich verstehen! Irgendwann möchte ich auch noch mal hin, auf eigene Faust den wilden Süden erkunden, und die Insel Chiloe. Aber erst muss ich mal das Geld dafür verdienen - und natürlich spanisch lernen!
Gruß,
Bernd A