Artikel: Die Füße sind die Dummen (Hobby? Barfuß! 2)

Kai @, Wednesday, 15.11.2000, 22:49 (vor 8712 Tagen)

Hallo zusammen,

Lorenz hatte kürzlich von einem Artikel aus der Zeitschrift "BUNTE" berichtet. Ich habe ihn von ihm bekommen und mal abgetippt:

aus: Bunte Nr. 35/2000, S. 78ff

Die Füße sind die Dummen

Fusskrankes Deutschland.

Acht von zehn Frauen leiden wg. Stilettos unter Hammerzehen
oder Spreizfüßen. Was tun?

(Dr. Winfried Beck, Orthopäde in Frankfurt/M., ist Experte für
Fußprobleme - und diese, so sagt er, liegen fast alle an der Erfindung
des modischen Schuhes.)

Vier von fünf Deutschen jammern über Fußprobleme.
Sind die angeboren oder laufen wir uns alle lahm?

Nur der winzige Teil von fünf Prozent aller Fußbeschwerden
belastet uns seit der Geburt. Der große Rest von 95 Prozent ist zivilisationsbedingt.

Wie sieht denn die "Hitliste" der Fußbeschwerden aus?

Die Palette reicht vom Plattfuß über verformte Zehen bis
hin zu hartnäckigen Pilzerkrankungen und schmerzhaft eingewachsenen
Zehennägeln. Am häufigsten findet sich der Spreizfuß. Dabei
ist das Quergewölbe des Fußes eingebrochen. Oft haben Patienten
auch deformierte Zehen, wie etwa übereinanderliegende Zehen. Oder
die Hammerzehe, das ist ein extrem in Beugung fixierter Zeh.

Sind das nur reine Zivilisationskrankheiten?

Ja. Wir Stadtbewohner benutzen die Füße eigentlich nur noch
als Stelzen. Dabei ist der Fuß ein hoch flexibles Körperteil,
das viele seiner Funktionen einfach verlernt hat. Von Menschen, die ihre
Hände verloren haben und jetzt alltägliche Arbeiten mit den Füßen
verrichten müssen, weiß man, was für ein motorisches Feingefühl
in ihnen steckt. Sogar Schreiben kann man mit den Füßen erlernen.

Viele Frauen klagen nach dem Tragen von Stöckelschuhen über
Kopf- und Rückenschmerzen.

Durch die hohen Absätze wird das gesamte Körpergewicht auf
die Ballen gestellt. Bei einer Absatzhöhe von 7,5 Zentimetern steigt
der Druck auf die Fußballen um 75 Prozent. Durch die unnatürliche
Haltung werden Knie und Hüfte stärker beansprucht und dadurch
auch die Wirbelsäule. Diese Fehlhaltungen können Verspannungen
der Rückenmuskulatur verursachen und deshalb Kopfschmerzen. Hohe Absätze
sind auch der Grund, dass Frauen überproportional häufig unter
einer Kniearthrose - also Verschleißerscheinungen am Knie - leiden.

Aber keine modebewusste Frau kann zu Stringtop und engem Rock in
Gesundheitsschuhen daherlatschen -

Sicher. Aber wer ständig stöckelt, riskiert eine Verkürzung
der Wadenmuskulatur. Alarmzeichen sind Schmerzen beim Ausziehen der Schuhe.
Und das Quergewölbe der Füße kann nachgeben. Der so genannte
Spreizfuß entsteht.

Also Pumps nur noch anziehen, wenn man auf dem Sofa sitze - und sonst
in weichen Tod’s herumschlabbern?

Ich rate, Highheels gezielt einzusetzen. Wenn man zum Beispiel in die
Oper geht - aber nicht zum Einkaufen in den Supermarkt. Und wer zwischendurch
seine malträtierten Füße gut pflegt, mindert das Risiko
von bleibenden Beschwerden.

Also Gesundheitsschuhe tragen?

Nein, das heißt es nicht. Auch Verwöhnschuhe mit vorgeformten
Sohlen können dem Fuß schaden. Negativabsätze können
sogar ein Gesundheitsrisiko darstellen, weil es zu einer Überdehnung
der Achillessehne kommen kann. Durch die dauernde Reizung entwickeln sich
häufig Sehnenscheidenentzündungen, die die Achillessehne chronisch
schädigen können.

Manche Partygirls lassen sich vor Marathonnächten Kortisonspritzen
geben.

Theoretisch kann man die schmerzenden Mules-Modefüßchen so
behandeln wie die der Leistungssportler. Am Vorabend eines großen
Auftrittes eine Spritze geben, damit die Beschwerden kurzfristig verschwinden.
Da sind die Grenzen der Vernunft aber schnell überschritten. Ich würde
eine solche Behandlung ablehnen.

Viele Highheels-Vernarrte leiden doch unter stechenden Schmerzen
...

Durch die übermäßige Belastung der Ballen können
am Fuß verlaufende Nerven gequetscht werden, es sticht und brennt
unter dem vierten Zeh. In der Fachsprache nennt man das Morton’sche Neuralgie.
In schlimmeren Fällen eine Injektionskur mit Kortison gemischt mit
einem örtlichen Betäubungsmittel. Notfalls muss man den Nervenknoten
entfernen - allerdings kann danach eine völlige Taubheit des Bereichs
auftreten.

Ältere Menschen klagen häufiger unter Schmerzen an den
Fußsohlen.

Wie am ganzen Körper schwindet das Gewebe leider mit den Jahren.
Zwischen Haut und Knochen kann dabei ein Teil der Polsterung verloren gehen.
Das normale Laufen schmerzt plötzlich. Diese Beschwerden treten aber
nur dann auf, wenn die Füße über Jahre falsch belastet
wurden.

Orthopäden versuchen nun mit einer neuen Laserbehandlung die
Schmerzen am Fußballen zu lindern.

Die Ballen werden sozusagen von innen aufgepolstert. Die französische
Orthopädin Suzanne Levine behandelt damit so genannte Fashion Victims,
Models und Managerinnen, die sich mehr oder weniger gezwungen sehen, viel
mit hochhackigen Schuhen herumzulaufen.

Was passiert dabei?

Während die Hautoberfläche vereist wird, zerstört die
Laserhitze in den darunter liegenden Schichten etwas Gewebe. Das regt den
Körper an, Kollagen zu produzieren, und Narbengewebe entsteht. Diese
Lasertherapie mag kurzfristig helfen, doch es handelt sich noch um eine
experimentelle Methode. Über die Langzeitfolgen ist noch so gut wie
nichts bekannt. Jeder, der diese Aufpolsterung machen will, sollte sich
im Klaren sein, dass er ein Risiko eingeht.

Auch Model Claudia Schiffer ist wahrscheinlich ein Modeopfer. Es
heißt, sie habe einen Hammerzeh. Was kann man in solch einem Fall
tun?

Ein Hammerzeh kann durch zu enge Schuhe und falsche Belastung entstehen,
aber auch angeboren sein. Hier kann man mit Polsterstützen und Zehenmuffen
die Beschwerden lindern. Doch wirkliche Hilfe bringt langfristig nur eine
Operation.

Ist diese Operation riskant?

Die Hammerzehoperation ist einer der häufigsten orthopädischen
Eingriffe in Deutschland und wird oft ambulant gemacht. Dabei wird am Zehengrundgelenk
ein Knochenkeil herausgenommen und die Zehen wieder gerade gerichtet. Die
Operation dauert 15 bis 30 Minuten. Zwei Wochen darf der Patient anschließend
gar nicht auftreten, für weitere vier bis sechs Wochen sollte er seinen
Fuß noch schonen.

Können Spreizfuß oder Senkfuß operiert werden?

Im Gegensatz zu Zehenoperationen sind Eingriffe, die das Stützgewölbe
des Fußes wiederherstellen sollen, äußerst kompliziert.
Denn es müssen dabei nicht nur Knochen, sondern auch Sehnen und Bänder
umgestellt werden. Die Chancen, dass man nach einer Operation wirklich
beschwerdefrei ist, sind gering.

Was bleibt als Alternative?

Die konservative Behandlung, Schuheinlagen und, wenn die Beschwerden
größer werden, die Zurichtung der Schuhe mit stützenden
Polstern und speziell geformten Sohlen.

Können wir etwas tun, damit es nicht so weit kommt?

Die wichtigste Vorbeugung: mit den Füßen arbeiten. Zehengang,
mit den Zehen nach Gegenständen greifen, sie einzeln spreizen und
versuchen, sie zu bewegen. Viel barfuß laufen, damit die Füße
abgehärtet werden. Ruhig auch auf einem unebenen Waldboden oder einem
Kieselsteinweg. Taulaufen und kalte Kneippgüsse helfen ebenfalls.

Jetzt zu einem gern totgeschwiegenen Thema: Fuß- und Nagelpilz

Fußpilz, unter dem Millionen Menschen leiden, entsteht nicht im
Schwimmbad, sondern im Schuh. Der Fuß darf niemals, noch nicht einmal
andeutungsweise, feucht in einen Schuh schlüpfen. Und nicht lachen:
Füße nach dem Waschen föhnen. Das wirkt besser, als sich
im Schwimmbad die Füße mit desinfizierenden Mitteln einzusprühen.
Luft und Licht müssen an den Fuß. Ganz wichtig: Nur Baumwollsocken
tragen. Synthetische Fasern regen die Schweißproduktion an und erzeugen
somit das ideale feuchtwarme Klima für Pilze. Wer einen Nagelpilz
erwischt hat, muss zum Arzt. Nur der kann feststellen, welches Mittel,
z.B. Anti-Pilz-Nagellack oder Tabletten, richtig ist.

Was ist bei der Pflege der Füße zu beachten?

Das richtige wäre, die Füße so zu pflegen und zu behandeln
wie die Hände. Dann bleiben sie gesund. Füße erst einpacken,
wenn die Hände nach Handschuhen verlangen. Das beugt Pilzen vor.

Oft ist man sich beim Einkaufen nicht wirklich sicher, ob die Schuhe
passen. Was kann man tun?

Wer unsicher ist, kann einfach Abhilfe schaffen: Fuß auf einen
Karton stellen, mit einem Stift umranden, vorn einen Zentimeter dazu tun
und das Ganze ausschneiden. Wenn diese Vorlage in einen Schuh passt, dann
hat dieser die ideale Passform. Zudem sollte man Schuhe stets nachmittags
einkaufen. Da ist der Fuß schon ein wenig angeschwollen, das verhindert
den Kauf zu kleiner Schuhe.

Thema laufen lernen. Was muss man beachten?

Die ersten Schuhe für Kinder müssen nur schützen und
nicht stützen. Denn gerade durch stützende Lauflernschuhe werden
die Füße in ihrer Entwicklung eingeschränkt. Die ersten
Schuhe sollen nicht viel mehr sein als Mokassins.

Wer hat heute eigentlich noch ganz gesunde Füße?

Mit Sicherheit die Sherpas im Himalaja. Sie besitzen eine ungeheure
Kraft in den Bein- und Fußmuskeln. Kein Wunder: Das nepalesische
Bergvolk läuft meist barfuß, täglich viele Kilometer. Die
Sherpas rennen über die Berge bis zu ihren teils 5000 Meter hoch gelegenen
Dörfern. Sie springen die Steigungen hoch, transportieren schwere
Lasten auf dem Rücken und sind dabei noch fröhlich. Die Sherpa-Füße
sind so abgehärtet, dass sie sogar durch Schnee und Eis barfuß
laufen können.

à Gönnen Sie Ihren Füßen
eine Verwöhnkur: So stellen Sie sich gut mit Ihren Füßen

Wenn abends die Füße brennen und geschwollen sind, erfrischt
ein laufwarmes Fußbad mit ein paar Tropfen kühlendem Pfefferminzöl.
Bei Neigung zu starker Schweißbildung oder Pilzerkrankungen sollten
Sie Ihren Füßen täglich ein Bad mit Rosmarin- und Arnika-Extrakten
gönnen. Nach zehn Minuten Plantschen die Füße bis zum Knie
kurz und kühl abduschen, gut trockenen. Dann mit kühlendem Gel
oder einer schweiß- und pilzhemmenden Creme (Apotheke) einreiben
und möglichst barfuß bleiben. Einmal pro Woche die Füße
mit Meersalz peelen und Zehennägel vorsichtig kürzen, ohne die
Nagelhaut zu verletzen.

Interview: Norbert Regitnig-Tillian

aus: BUNTE, Nr. 35/2000, S. 78 ff.


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