Herbst-Depression (Hobby? Barfuß! 2)
Hi Ihr!
Und wieder hat mich ein wenig die Herbstdepression gepackt. Obwohl es noch einigermaßen warm ist, hat diese so gehasste Jahreszeit meine Stimmung voll in Beschlag genommen.
Die Tatsache, dass es nun mit dem Barfußlaufen fürs erste vorbei ist, ist dabei nur ein Faktor von mehreren. Ich mag Herbst und Winter einfach generell nicht.
Eigentlich wollte ich gerade zum Trotz eine Runde barfuß durch den Park rennen, um mich aufzuheitern, doch auf dem Weg dorthin kam ich an der ersten Weihnachtsdekoration vorbei, und das wars. Mit der Brechstange kann ich halt auch kein summer-feeling erzeugen.
Auch wenn, wie berichtet, meine barfuß-Spaziergänge im Herbst ihren eigenen Reiz hatten, eine tolle Erfahrung waren und ich sie wirklich genossen habe, so verzichte ich doch nicht nur um des Barfußlaufen willen auf Schuhe. Sicher, das beschriebene Gefühl von Freiheit und Ungezwungenheit (auch das nach wie vor aufregende Gefühl) genieße ich sehr, aber Barfußlaufen ist halt vor allem ein Genuss, der in Zusammenhang mit warmem Wetter steht. Barfuß ist und bleibt... Sommer!
Vor lauter Wehmut muss ich direkt zwei nostalgische Erinnerungen loswerden: Diesen Sommer fuhr ich mit dem Zug nach München. In Landshut stieg ein alter, gediegener Herr zu. Er setzte sich in mein Abteil und fragte beim Anblick meiner Füße - freundlich -, ob ich denn keine Schuhe dabei hätte. Ich verneinte. Dann erst mal das Übliche: "Was! So weit fahren sie, ganz ohne Schuhe! Usw." Und dann schließlich begann daher, "von früher" zu erzählen, er war nämlich pensionierter Studiendirektor und hatte an seiner Schule in München in den frühen 70ern einiges erlebt. Barfußlaufen, erzählte er, war einer der leichtesten Wege, um zu provozieren, und weil damals ein Bedürfnis nach Provokation bestand, haben es ziemlich viele gemacht.
Was ich also immer ein bisschen als übertriebens "Hippie-Klischee" angesehen habe - natürlich war Barfußlaufen damals voll angesagt, aber waren es wirklich so viele? - scheint zeitweise wirklich ein Massenphänomen gewesen zu sein. Naja, bei manchen 50jährigen kann ich mir kaum vorstellen, dass diese früher einfach so barfuß unterwegs waren. Aber vielleicht denken in 30 Jahren die Jungen auch so über mich...
Der Lehrer musste schon schmunzeln über soviel nonkonforme Begisterung in jenen Jahren. Am Anfang der 80er, sagte er, kam das Barfußlaufen erneut stark in Mode. Das war so die Alternativ/AntiAKW- Phase. Auf jeden Fall war der Herr sehr wohlwollend und sagte, er fände es gut, wenn junge Leute barfuß laufen, weil sie an erster Stelle einfach Lust darauf haben, und nicht, weil sie irgendwie unangepasst sein wollen. Das war ein nettes Gespräch!
Bei dieser Geschichte fällt mir eben die zweite ein, weil sie dazu passt: Im Sommer '98 war ich mit meiner Freundinn Connie in Berlin. Und weil wir so - etwas naive - Vorstellungen über echte, coole Alternativkultur in Berlin-Mitte im Kopf hatten, dachten wir, nicht aufzufallen, wenn wir barfuß herumlaufen. Denkste! Selbst ganz bunt bekleidete "Links-Szene-Sponti-Punk-Wasauchimmer-Fuzzis", halt so Leute, die sich so anziehen, wie man wonanders meint, dass "echte" Berliner Spontis so aussehen, glotzten uns ziemlich überrascht hinterher. Das hielt uns nicht davon ab, fleißig weiter barfuß zu laufen.
In dier Berliner "Szene" (so es sie gibt; jedenfalls kamen die meisten jungen Leute, die wir trafen, ursprünglich aus der Provinz, auch wenn sie es lange nicht zugaben) merkten wir, sind eher Docs und Stiefel angesagt, Barfüßer(innen) haben wir gar nicht so viele gesehen, wie wir dachten. Selbst da also ist man ohne Schuhe irgedwie "Freak".
Jetzt ist der Text schon wieder so lang geworden. Aber vor lauter Wehmut komme ich eben immer ins Erzählen.
Liebe Grüße
Eure Lotsi