Barfuß in den Kitzbüheler Alpen oder: Ein nichtendenwollender Barfußsommer (Hobby? Barfuß! 2)

Barfußmatthias @, Friday, 20.10.2000, 21:55 (vor 8803 Tagen)

I. Vorwort
Nachdem ich mich vor zwei Wochen auf diesem Forum zwar noch nicht richtig vorgestellt (kommt noch - mit Foto - versprochen!), aber bereits mit einer Barfußerfahrung zu Wort gemeldet hatte, verbrachte ich gestern nach längerer Zeit wieder einen (langen) Abend im Internet und am längsten im Hobby-Barfuß!-Forum. Obwohl ich das öffentliche Interesse für meine Vorliebe zum Barfußgehen nicht einschätzen kann, hat mich die Vielfältigkeit der letzten Beiträge (von Barfußverbot in Schulen über Kastanie unter der Großzehe bis hin zu barfuß im Gefrierschrankabtauschnee) so begeistert, daß ich mich heute abend aufraffe, (eigentlich viel zu spät) über die Abenteuer meiner Füße am letzten Wochenende zu berichten. Also:

II. Blutblase oder: Singen mit Schmerzen
Nachdem ich derzeit fast nur noch im Haus und gelegentlich in der Arbeit barfuß gehe, trage ich sonst als Zugeständnis an die kälter werdende Jahreszeit wenigstens Birkenstocksandalen, auf der Fahrt zur Arbeit mit dem Fahrrad allerdings zumindest morgens mit Socken bewehrt.
Nun trat am Freitag, 13.10. mein Chor öffentlich auf und um die Etikette zu wahren, kramte ich vor dem Auftritt zu schwarzer Hose, Hemd und Fliege meine schönsten Hochglanzschwarzledermitschnallehartschuhe heraus.
Eigentlich sind sie recht neu und haben die richtige Größe, aber bereits beim Anziehen spürte ich den Widerstand meiner Füße, die gefühlsmäßig wohl noch voll im vergangenen Superbarfußsommer stecken.
Der Gang vom Auto zum Aufführungsort schmerzte bereits, und beim Einsingen auf der Bühne wurde mir klar, daß an der rechten Ferse eine schlimme Blase entstanden war. Leider hatte ich nicht den Mut, den Abend wenigstens nur in meinen schwarzen Socken durchzustehen (hätte in dem Halbdunkel vielleicht gar keiner gemerkt), sondern biß (soweit das beim Singen geht) Zähne und Zehen zusammen und hielt in Schuhen durch.
Nach dem Konzert, wieder am Auto, flogen Schuhe und Socken in hohem Bogen zunächst auf den Bürgersteig und dann in den Kofferraum, zum Amusement meiner Mitfahrer. Hei, fühlte sich der kühle Asphalt wohltuend an nach 3 1/2 Stunden Dauerschmerz. Meine Füße gewannen spürbar rasch ihre natürliche Form und Größe zurück. Die Blutblase an der rechten Ferse war zwischenzeitlich aufgeplatzt und mit dem Socken verklebt gewesen. So ein Ärger, fuhren wir doch gleich nach dem Konzert weiter nach Österreich zu einem Bergwochenende. Wie würde ich mit der Blase in meinen Wanderschuhen auf der Bergtour zurechtkommen?

III. Barfuß am Gipfelkreuz oder: Schnee macht warme (Bar-)Füße
In den Bergen muß man im Herbst Schuhe und Strümpfe tragen, dachte ich bisher. Seitdem ich nicht zuletzt dank Hobby-Barfuß so richtig auf dem Barfuß-Trip bin, war ich nicht mehr berggewandert. Mein Barfußsommer hatte weitgehend im Flachland stattgefunden. Also zog ich am Samstag morgen die mitgebrachten Wollsocken und zunächst meine Birkenstocksandalen an, nachdem ich abends nach Ankunft in Brixlegg noch die Blase desinfiziert und verpflastert und dann lange ausgeschlafen hatte. Im Frühstücksraum des Bauernhofes, der unser Domizil war, saß bereits Ute und übte Harfe - barfuß. Ute ist, das sei hier erläutert, der einzige Mit-Barfüßer, den ich kenne (von meinem Sohn abgesehen, aber der hatte zur Zeit eine schlimme Erkältung mit Mittelohrentzündung und hat daher, es tut mir schrecklich leid, momentan Socken- und Schuhzwang). Auf Ihre Einladung hin waren ich, mein Sohn und noch ein gemeinsamer Musikfreund zum Bergwochenende ihrer Volkstanzgruppe nach Brixlegg gekommen. Also, ich bekam plötzlich einen Schwitzanfall in meinen Wollsocken und befreite mich alsbald von ihnen.
Nach dem Frühstück beschloß man, doch noch die geplante Bergtour auf die Gratlspitze (1894 m) zu machen. Herrlicher, "für die Jahreszeit zu warmer" Föhntag. Auch die (alle?) anderen Barfüßer haben ihn genossen, konnte ich gestern im Forum lesen.
Da mich Ute, schließlich war ich mal intensiver Berggänger und Sportkletterer gewesen, als trittsicher kannte und den Weg schon öfter gegangen war, redete sie mir nicht aus, barfuß in Birkenstocks loszugehen. Die Sandalen störten die Blase nicht, und ich hatte meinen lieben Füßen gegenüber sowieso noch ein schlechtes Gewissen nach dem Martyrium des vergangenen Abends.
Der Pfad war in der Tat kein Problem, manchmal hätte ich mir allerdings meine Trekkinsandalen, der besseren Griffigkeit wegen, gewünscht.
Nach der guten halben Strecke, im Schatten des Bergwaldes: Schnee! Er war wohl im Rahmen des Kälteeinbruches gefallen und hatte sich trotz der derzeitigen Warmluftlage hier gehalten. Da an der gleichen Stelle gerade andere Erwachsene und Kinder aus unserer Gruppe entgegenkamen, entwickelte sich unversehens eine Schneeballschlacht. Natürlich war der sulzige Schnee sofort in meine Sandalen gedrungen - also konnte ich genausogut barfuß im Schnee stehen. Liebe barfuß-im-Schnee-gehen-Ermunterer des Forums, danke für den Tip: es fühlt sich nicht nur kalt an, sondern einfach toll. Also meine ersten 10 Minuten barfuß im Schnee für dieses Jahr.
Auf dem weiteren Weg hatten meine Mitwanderer verschwitzt-feuchtwarme Füße in ihren Wanderschuhen, ich aber saubere, warmprickelde Füße, die die feuchten Sandalen rasch trockneten.
Am Gipfelkreuz wuchs auf fast 1900 m Höhe herrlich saftiges Gras, sodaß meine Sandalen als Steinschutz nicht mehr benötigt wurden. Herrliche Fernsicht auf teils frischverschneite Gipfel und ein immer noch warmer Wind aus dem Tal ergänzten den Genuß. Auch Ute entließ jetzt ihre Füße aus Wanderschuhen und Socken und probierte den Grasboden aus. Ignorante Bemerkungen anderer Gipfelstürmer, nach eigenem Bekunden "Bergprofis" über die mangelhafte Verpackung meiner Füße beim Bergsteigen konnten die Wonne nicht trüben.
Der Abend fand dann endgültig ganz barfuß auf der durchaus noch Sonnenwärme speichernden Steinterasse des Bauernhofes statt.

IV. Ausklang
Viel wäre noch zu berichten von diesem Föhnwetterwochenende in den Kitzbüheler Alpen, vom Barfußsingen auf der Obstbaumwiese des Hofes, von Ute beim barfuß Hambotanzen und von barfuß im Kuh- und Schweinestall sowie einer barfüßigen Heimfahrt nach München.
Eigentlich wollte ich nur ein paar Sätze schreiben und jetzt habe ich das Barfußforum doch mit einer ganzen Story bereichert - und mittlerweile eiskalte Füße vom am PC sitzen. Entweder ich suche jetzt meine pelzgefütterten Hausschuhe, oder ich laufe noch mal barfuß ums Haus. Sicher warme Füße werde ich morgen bekommen, da geht's nämlich aufs Brauneck bei Lenggries, und wenn das Wetter so schön wie angesagt wird, werden die Schuhe nicht lange an meinen Füßen bleiben. Vielleicht sieht mich ja einer von den Lesern dieses Beitrages. Ich bin der, der beim Leberkäsessen auf der Tölzer Hütte seine Füße barfuß in die Herbstsonne hält...

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