Barfuß um die Welt 7, Im (Barfuß)-Paradies (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd A @, Sunday, 08.10.2000, 15:50 (vor 8815 Tagen)

Heute möchte ich mal von einem ganz besonderen Reiseziel berichten.
Zuletzt habe ich ja ausführlich von meinen Erlebnissen in Australien, insbesondere auch von der barfüßigen Besteigung des "Clunp" (Ayers Rock) erzählt. Endpunkt dieser Reise war Darwin, ganz im Norden von Down-Under. Wenn man nun von Darwin aus mit den Passatwinden über den Indischen Ozean Richtung Afrika segeln würde, Kurs West-Nordwest, dann würde man nach einigen Wochen Land voraus sichten. Beim Näherkommen erkennt man sofort, dass es sich nicht um die ostafrikanische Küste handelt, sondern um Inseln, deren dicht mit tropischem Wald bewachsenen Berge sich bis zu annähernd 1000 Metern aus der Weite des Indischen Ozeans erheben. Die größeren Inseln sind fast alle bewohnt, es gibt aber auch ganz winzige, auf denen es keine Menschen gibt, aber eine überwältigende Vielfalt an Vögeln.
Die Menschen auf den großen Inseln sind schwarz, schwarz wie der schwärzeste Rabe, sie sind weiß, weiß und blond, wie man sich ein Mädchen aus Stockholm vorstellt, sie sind braun, braun wie das schönste Braun, das man sich vorstellen kann! Und sie sind barfuß! Alle! Schuhe braucht man hier nicht, sie sind so überflüssig, wie ein Kühlschrank in Grönland. Die Menschen hier leben vom Fisch, wilde Tiere gibt es nicht, zumindest keine, die man essen kann. Es gibt auch keine Schlangen und keine sonstigen Gifttiere. Viehzucht ist naherzu unbekannt, ein paar Hühner, das war's. Zum Essen gibt's Fisch, in einem Variantenreichtum, den man sich nicht vorstellen kann.
Ich bin (leider) nicht mit dem Segelschiff aus Australien in dieses Paradies gekommen, sondern gänzlich unromantisch, mit dem Flugzeug, aus Basel. Nun wollt Ihr natürlich wissen, wie dieses Paradies heißt!
Vielleicht könnt Ihr es Euch ja schon denken: Es sind die Seychellen!
Schon der Landeanflug auf der Hauptinsel Mahe ist etwas abenteuerlich. Die Landebahn ist ideal für kleinere Propellermaschienen, aber eine DC8 mit knapp 300 Leuten an Bord dort sicher runterzubringen ist schon eine Herausforderung für einen Flugkapitän. Das einzig Gute: weder vor, noch hinter der Piste gibt es irgend ein Hinterniss, nur Wasser! Folglich gleitet das Flugzeug schon mehrere Kilometer vor der Landebahn ganz knapp über der Wasseroberfläche dahin, bis es schließlich die Landebahn erreicht - und dann wird gebremst!
Die Insel Mahe ist relativ groß, mit hohen, weithin sichtbaren Bergen, an denen sich die feuchten Passatwinde abregnen. Wesentlich kleiner und flacher, die höchste Erhebung ist 340m hoch, ist die Insel Praslin, die zweitgrößte Insel des Archipels. Ein wirkliches Paradies, man kann sie zu Fuß in einem Tag umrunden, wenn man sich 2 Tage Zeit lässt, hat man auch noch Zeit um die paradiesische Landschaft genauer anzuschauen. Wer nicht so gerne wandert, kann sich, wie ich, auch einen Buggy mieten, mit dem man die interessantesten Stellen bequem erreicht. Auf Praslin hatte ich meine Unterkunft, in einem Hotel. Es gibt aber auch exclusive Privatunterkünfte, für diejenigen, die es sich leisten können. Das Flair in solchen Pensionen ist einmalig, ein wahrer Urlaub im Paradies, aber wie gesagt, man braucht halt das nötige Kleingeld dafür. Aber auch, was die Insel und ihre kleineren Nachbarn sonst noch zu bieten haben, ist paradiesisch und durchaus erschwinglich. Im Zentrum von Praslin, zwischen dicht bewaldeten Bergen liegt das verschwiegene Vallee de Mai, das Tal des Mai. Hier wächst die geheimnisvolle Coco de Mer oder Saychellennuß. Sie ist wahrlich außergewöhnlich. Eine "doppelte" Kokosnuss, die auf bis zu 80 Meter hohen Palmen wächst und 25 kg schwer wird! Sie braucht 7 Jahre zu Reife, dann ist sie so hart, dass man Geschirr daraus schnitzen kann. Wenn man sie essen möchte, sollte man sie nach drei bis vier Jahren ernten, vorausgesetzt, man schafft es, eine 80m hohe Palme zu erklimmen...
Wenn man diese Nuss betrachtet, erscheint sie, wie ein wohlgeformter menschlicher Po (ich über lasse es Euerer Fantasie, ob männlich oder weiblich). Die Coko der Mer wächst nur auf Praslin und einige wenige Palmen auf der Nachbarinsel Curieuse. Alle Kultivierungsversuche auf anderen tropischen Inseln schlugen fehl. Die Nuss wurde verschiedendlich schon an fernen Stränden angespült, wo man sie für eine Nuss hielt, die im Meer wächst. Daher kommt der Name.
Man kann den Urwald im Vallee de Mai auf sauber gepflegten Pfaden erwandern, das ist mehr ein Spatziergang. Eine 1A-Barfuß-Empfehlung! Da kann man auch die Coco de Mer bewundern, und ihre Blätter, die eine Fläche von ca 16 Quatratmetern haben!
Das Tal birgt noch ein weiteres Geheimnis, den schwarzen Papagai. Man hört ihn rufen, aber nur wenige Menschen bekommen ihn jemals zu sehen. Man schätzt den Bestand auf etwa 10 Paare (Stand 1983). Den schwarzen Papagai gibt es weltweit nur hier in den Wäldern um das Valley de Mai.
Landschaftlich ist das Tal ebenso fantastisch. Dichter Urwald, Wasserfälle, wilde Bananen, Ananas, Palmen, Schluchten, ein tropisches Paradies, ohne Schlangen, Skorpione und Giftspinnen. man kann bedenkenlos barfuß laufen. Auch vor den Moskitos braucht man keine Bange zu haben, es gibt auf den Seychellen keine Malaria. Auch andere tropische Krankheiten erreichen die abgelegenen Inseln nur in Einzelfällen.
Von meiner Unterkunft aus konnte ich einen Hügel besteigen, mit üppiger tropischer Vegetation. Von oben hat man einen herrlichen Ausblick auf die benachbarten Buchten mit ihren strahlend weißen Strandsicheln. Noch toller ist die Aussicht vom 340 Meter hohen Grand Fond. Sie reicht über das ganze tropische Inselarchipel. Man kann den Gipfel per Auto erreichen. Ebenso führt eine Straße zur malerischen Anse Lazio ganz im Norden der Insel, eine Strandbucht wie aus dem Bilderbuch, hier hat der Schöpfer malerischen Kreativität freien Lauf gelassen. Weißer Sand, hohe, leicht geneigte Palmen, tiefblaues Wasser, ein kleiner Urwaldfluss plätschert ins Meer, dicke Granitblöcke unterteilen den Strand, bewaldete Hügel rahmen ihn ein. Der Blick übers Meer geht nach Westen, die Sonne versinkt am Abend hinter der winzigen Felseninsel Roche Grand Maman im Meer. Da vollführt nicht nur das Maler- und Fotografenherz Freudensprünge...
Noch schöner ist die kleinere Bucht Anse Georgette, ganz im Nordwesten. Man erreicht sie nur zu Fuß, durch den Urwald oder per Boot und man ist dort meistens ganz alleine.
Aber auch die unzähligen anderen kleinen und größeren Strände der Insel sind wunderschön. Und die Unterwasserwelt bietet dem Schnorchler einmalige Anblicke. Zwischendurch kann man auf einen Granitblock sitzen und die Seele baumeln lassen.
Per Boot erreicht man die Nachbarinseln, z.B. Aride im Norden. Ein paar vereinzelte Häuser an der Südküste, hier wohnen die wenigen Einwohner des 2 qm kleinen Eilands. Aber es gibt eine wundervolle Vogelwelt, vor allem im Mai. Ein verzweigtes Netz von Fußwegen, meist verwurzelte oder felsige Urwaldpfade erschließen die Insel und ihre Brutplätze, die man aber nur mit Führer aufsuchen darf.
Eine genaue ornitologische Beschreibung würde den Rahmen hier sprengen und ich bin auf diesem Gebiet ohnehin kein Experte.
Courieuse ist eine verlassene Urwaldinsel, die palmenbewachsenen Felsen von St. Pierre bieten von Pte Zanguilles auf Praslin eine herrliche Kulisse im Sonnenaufgang. Chouve Souris kann man schwimmend erreichen. Ein Boot braucht man wiederum, wenn man die Paradiesinseln Petite und Grand Sceur oder Felicite besuchen möchte. Petit Sceur ist unbewohnt, auf den beiden anderen gibt es nur wenige Menschen. Überall laden malerische Buchten und geheimnisvolle Urwaldpfade zu barfüßigen Spatziergängen in bezaubernder Landschaft ein.
Ich gebrauche in meiner Beschreibung viele Ausdrücke der Superlative: paradiesisch, fantastisch, bezaubernd etc. Sie alle können nicht wirklich beschreiben, was sich den Sinnen hier bietet, die Anblicke, die Gerüche, die Geräusche, die Gefühle beim barfüßigen Ertasten dieses Fleckchen Erde, aber wie soll man das Paradies schon beschreiben...
Die größte Nachbarinsel von Praslin ist La Digue. Menschen gibt es einige auf dieser Insel, die Buchten vor allem im Südosten stehen denen im Norden von Praslin in nichts nach.
Überall auf diesen Inseln sind Schuhe absolut überflüssig, man braucht sie nicht. Jeder ist hier barfuß, beim Arbeiten, beim Fischen, beim Spatzierengehen, beim Tanzen, einfach immer und überall!
Es gibt keinen Massentourismus, der ist bei den Seycheloir auch nicht erwünscht. Die Leute sind zurückheltend aber nicht unfreundlich, sie wollen aber gerne alleine bleiben. Einige wenige Urlauber sind immer willkommen, aber keine Massen wie in anderen tropischen Inselreichen.
Die Seycheloir wollen sich ihr kleines Reich erhalten, wie es ist, ein Paradies. Wie gesagt, sie sind eine bunte Mischung aus allen Rassen Afrikas, Asiens und Europas und sie leben friedlich zusammen. Soldaten gibt es keine. Einige tausend Meilen vom nächsten Festland entfernt gibt es auch niemanden, mit dem man streiten könnte.
Wenn man hier in Urlaub ist, verlieren unsere Wertmaßstäbe an Bedeutung. Nichts geht schnell, nichts ist groß, materieller Reichtum ist unwichtig. Es gibt keine lanschaftlichen Superlativen ala Grand Canyon, Ayers Rock, Amazonas, Viktoriawasserfälle oder Serengeti. Alles ist klein, eine Welt en Miniatur. Man bracht keine sportlichen Höchstleistungen zu erbringen, wenn man die Inseln erwandert, alles nur Spatziergänge. Eine baarfüßige Tour ist schön, man kann damit aber nicht pralen. Man fällt auch nicht auf, ja, nach kurzer Zeit merkt man es noch nicht mal selber, dass man barfuß ist. Andere Leute, die barfuß laufen, fallen ebenfalls nicht auf, mann registriert sie garnicht, es sind ja alle. Es fallen nur diejenigen (wenigen) auf, die wanderstiefelbewehrt das "wilde" Vallee de Mai durchdringen möchten. Mitleidig kann man sich ihre "kochenden" Füße vorstellen.
Ja, und irgendwann, nach einigen Wochen muss man nach Hause, in unsere Welt zurückkehren, wo barfüßige Menschen auffallen. Man muss sich wieder die Vergewaltigung der Füße im Beruf antuen. Aber bei Spatziergängen im Wald an lauen Sommerabenden kommen die Erinnerungen ans Paradies auf den Seychellen...


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