barfuß um die Welt 4, Nordschweden (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd A @, Saturday, 23.09.2000, 19:53 (vor 8765 Tagen)

Ich bin wieder im Land,
für alle, die im Forum barfüßige Reiseberichte vermissen, ist hier wieder einer. Es hat sich ja einiges getan im Forum, während ich wieder mal im hohen Norden herumstreifte. Einige interessante Beiträge
habe ich gelesen. Vor allem der aus Finnland hat mich natürlich angesprochen. Tja, die blutsaugenden Plagegeister findet man ja auch in Schweden in Massen, aber während wir nun da waren haben die ersten knackigen September-Nachtfröste den Biestern weitgehend den Garaus gemacht. Tagsüber war's aber noch angenehm warm, anfangs um die 20, später dann 10-15 Grad, bei meist strahlendem Sonnenschein, also ideales Wanderwetter. Das nutzten wir auch gleich aus, nachdem wir in Kvikkjokk ankamen. In Kvikkjokk enden alle Straßen, dahinter kommt nur noch Wildnis. Wenn Ende September die letzten Tourenwanderer abgereist sind und Väterchen Frost seinen eisernen Griff über Lappland legt, leben in Kvikkjokk noch ca 18 Menschen. Wenn sie zum Einkaufen, zur Bank oder zur Schule wollen, haben sie eine 2,5 stündige Busreise ins 120km entfernte Jokkmokk vor sich. Und der Busfahrer hat es meistens nicht eilig, er hält schon mal auf freier Strecke mitten im Taigawald an und nimmt sich die Muse, einen Vogel zu beobachten, der sich gerade auf einem Ast am Straßenrand niedergelassen habt. Bei unserer Rückfahrt setzte er sein Fahrzeug gar 100 m zurück, um zu sehen, ob er den Vogel überfahren hat, der noch kurz vor dem Bus über die Straße flog. Er hat ihn nicht erwischt! Wenn ein Elch die Straße überquert, sollte man sich festhalten, denn es folgt eine brachiale Vollbremsung. Die Menschen in diesem Gebiet sind meist sehr naturverbubden. Im Winter, wenn die Temperatur auf -47 Grad sinken kann, ist der Schulweg ein richtiges Abenteuer, man weiß ja nie, ob der Bus kommt, oder ob er möglicherweise in einer Schneewehe steckt oder ob der Motor angesichts der grimmigen Kälte mal wieder streikt.
Doch jetzt war Spätsommer, beste Wanderzeit.
Dieses mal war meine Frau dabei, so wurden die Wanderungen etwas gemäßigter, als wenn ich alleine unterwegs bin. Am ersten Tag machten wir eine Tagestour, die uns zunächst auf den 850m hohen Sjnjerak führte. Hier genossen wir die herrliche Aussicht über den See Saggat und in die Sarekberge. Ich lief barfuß, logisch, sonst müsste ich diesen Beitrag besser im "Camel-Boots-Forum" veröffentlichen, falls es so etwas gibt. Dabei kann man ja auch barfuß meilenweit für eine Zigarette laufen, ohne Löcher in die Schuhsohle zu bekommen! (Die Älteren unter uns wissen schon, welchen Werbespott ich meine...) Wir (beide Nichtraucher) wanderten jedenfalls meilenweit für den Naturgenuss. Auf herrlichen Hochebenen mit blauen Seen hatten wir eine Aussicht, die so meilenweit war, dass man dafür einige Schuhsohlen durchlatschen könnte... Der Weg war fantastisch: meist kaum zu erkennen zieht er sich über Wiesen, Gras, Moos, Moor, kleine Zweigchen, Erde, von der Sonne erwärmt, ein Hochgenuss. Selbst meine Frau lies sich dazu ermuntern, ein Stückchen barfuß zu laufen.
Gegen Ende ging es dann durch Birkenwald mit dichtem Unterholz. Nach 8 Stunden erreichten wir Årenjarka, von wo aus uns der Bus zurück nach Kvikkjokk brachte. Am nächsten Tag regnete es zunächst, später ließ es nach und wir brachen auf eine 4-tägige Wandertour Richtung Sarek auf. Weit kamen wir jedoch nicht mehr, denn schon nach 2 Stunden goss es wieder in Strömen und wir schlugen unser Zelt mitten im Wald in der Nähe eines kleinen Baches auf. Unter uns ein etwa 20cm dickes Moospolster. wir haben lange nicht mehr so gut geschlafen und lange nicht mehr so lange! Als wir nach 11 Stunden seeligem Schnarchen aufwachten und unsere Köpfe hinausstreckten, ergoss sich erst mal eine gewaltige Ladung Nässe von der Zeltplane über unsere Rücken, doch die Sonne strahlte uns ins Gesicht, von einem wolkenlosen Himmel. Na, nichts wie los!
Viele Pfützen und kleine Bäche erfrischten meine nackten Füße. Auf unserem Weg zum See Tatajaure hatten wir herrliche Aussichten zum Sarek. Der Sarek ist bei Trecking-Enthusiasten ja sehr bekannt und leider nicht mehr einsam. Es ist die letzte richtige Wildnis in Europa, mit grandiosen Gebirgslandschaften. Viele Wanderer zieht es jedes Jahr dort hin, auch unerfahrene und schlecht ausgerüstete. Leider gibt es immer wieder Todesfälle zu beklagen. Die meisten im Winter, wenn Schwarzwald- oder Harz-Skiwanderer, meinen, eine "Kleine"
Tour durch den Sarek machen zu können, mit Ausrüstung, die bei Temperaturen um 0 gut ist, aber absolut unbrauchbar bei minus 40 Grad und Sturm. Aber auch im Sommer werden Gletscherspalten und reißende Gebirgsbäche zum Verhängnis, meist durch bodenlosen Leichtsinn. Wenn man mit 25kg Gepäck, fernab jeglicher Zivilisation bei einer Flussdurchquerung ausrutscht und ins 3 Grad kalte Wasser plumpst, dann ist das alles andere als lustig, zumal dann die Reserveklamotten auch nass sind. Wenn dann noch schlechtes Wetter herrscht (es kann mitten im Sommer schneien!), dann kann das fatale Folgen haben.
Wir gingen dieses Mal nicht in den Sarek, meine Frau hat zu wenig Erfahrung und Kondition und wäre wohl auch ein Fall für die schwedische Bergrettung geworden.
Vor 3 Jahren bin ich alleine durch den Sarek gewandert, barfuß natürlich. Bodenloser Leichtsinn?! Was das alleine wandern betrifft ist das nie ganz ungefährlich (ein Routenplan, den man in Kvikkjokk hinterlässt, mit voraussichtlicher Rückkehr, gibt etwas Sicherheit). Was das barfuß wandern betrifft, bin ich schon oft genug, auch in extremem Gelände, barfuß gewandert, dass ich weiß, was für mich möglich ist! In einem meiner nächsten Beiträge werde ich davon berichten.
Vom See Tatajaure aus hat man eine tolle Aussicht zum Sarek und die Landschaft ist herrlich.Wir blieben 2 Tage und schlugen unser Zelt direkt am See auf. Eine Tagestour durch die Umgebung des Sees brachte eine herrliche Entspannung für die Füße und die absolute Ruhe war Balsam für die Seele. Ansonsten badeten wir unsere Angel-Köder im See... Man kann hier das Zelt mit Ausrüstung bedenkenlos tagelang allein lassen, es kommt nichts weg! Die Leute, die hier vorbeikommen, haben kein Interesse, zu klauen, außerdem haben sie selbst genug zu schleppen, als dass sie sich auch noch mit Diebesgut belasten möchten...
Abends saßen wir an unserem munteren Lagerfeuerchen direkt am Ufer und stellten die nackten Füße auf die warmen Steine, herrlich, aber wenn man Holz holt, merkt man doch, dass die Nacht wieder kalt und frostig wird.
Der Rückweg ist ebenso schön und die in den nächsten Tagen in Kvikkjokk machten wir ein paar Kanutouren durch das Flussdelta mit seinem arktischen Urwald. Während dem Paddeln hängte ich zeitweise meine nackten Füße über die Bordkante des Kanus ins kalte Wasser, schön erfrischend war das.
Vom Campingplatz aus kann man abends einen herrlichen Sonnenuntergang
über dem Tarra-Tal bewundern, noch schöner ist es, wenn man unten am feinsandigen Ufer des Sees barfuß am Wasser entlang spatziert und die Abendstimmung genießt. Der Campingplatz ist wohl der ruhigste, den man in Europa mit dem Auto erreichen kann. Es gibt 10 Blockhütten und eine Zeltwiese, Wohnwagen und Motorhomes kommen nur selten, für sie gibt es eine Extraplatz am anderen Ende des Ortes. Wir genossen die himmlische Ruhe.
Ein ganz besonderes Erlebnis gab es noch, 2 Tage bevor wir abreisten: Das Nordlicht! Es war in einer bitter kalten, absolut klaren Nacht. Um ca 23.30 Uhr gingen wir noch mal rau und da war es! Blas grünlich bewegte es sich über den ganzen Himmel: wallende Lichtbänder, Strahlen
und Spotlichter, Streifen und Schleier, die wie Gespenster über den tiefschwarzen Sternenhimmel huschten. Ich stand barfuß draußen, fühlte den kalten Rauhreif an meinen Füßen. Immer wieder stellte ich das Fotostativ in eine andere Position, um zu fotografieren. Für Fotointeressierte: 30 Sekunden Belichtungszeit bei voll geöffneter Blende (2,8), 28mm Brennweite, war ideal, um das Himmelsschauspiel eindrucksvoll abzubilden. Ein Weitwinkel braucht man schon, um das Himmelsinferno ganz zu erfassen. Leider war ich viel zu ergriffen, um angemessen viele Fotos zu machen, aber die 4, die ich machte, wurden fantastisch! Der Rest ist in der Erinnerung abgelichtet.
Dann mussten wir wieder nach Hause, die Pflicht ruft!
Zum Schluss noch eine Frage: Ich würde meine Beiträgen gerne das ein oder andere Barfußfoto beifügen. Wie muß ich da vorgehen? Wer hat das schon gemacht und kann mir sagen, wie's geht?

barfuß um die Welt 4, Nordschweden

Jörg (Hanna), Saturday, 23.09.2000, 20:07 (vor 8765 Tagen) @ Bernd A

Hi Bernd,

egal, ob Du barfuß oder beschuht durch die Wildnis läufst, Deine Reiseberichte sind immer sehr interessant und sorgen für mächtig Fernweh. Ich hoffe, es folgen noch viele.

Seruß,
Jörg

barfuß um die Welt 4, Nordschweden

gonzo, Saturday, 23.09.2000, 23:24 (vor 8764 Tagen) @ Bernd A

habe ich gelesen. Vor allem der aus Finnland hat mich natürlich angesprochen. Tja, die blutsaugenden Plagegeister findet man ja auch in Schweden in Massen, aber während wir nun da waren haben die ersten knackigen September-Nachtfröste den Biestern weitgehend den Garaus gemacht. Tagsüber war's aber noch angenehm warm, anfangs um die 20, später dann 10-15 Grad, bei meist strahlendem Sonnenschein, also ideales Wanderwetter. Das nutzten wir auch gleich aus, nachdem wir in Kvikkjokk ankamen. In Kvikkjokk enden alle Straßen, dahinter kommt nur noch Wildnis. [...]

Toller Bericht, danke. In der Gegend war ich auch schon einmal, habe damals eine Tour durch den Padjelanta gemacht.
Eine on topic-Frage: Hat wer Erfahrung mit barfuß Furten (in der Gegend ja öfters nötig)? Meine Wanderführer warnen davor, deshalb versuchte ich es zuerst mit Trekkingsandalen. Allerdings bietet deren steife Sohle auf diesen glitschigen runden Kieseln keinen tollen Halt. Deshalb bin ich dann dazu übergegangen, es barfuß zu versuchen, in der Hoffnung auf besseres Gefühl für den Grund, aber bei dem eiskalten Wasser war das auch weg, bevor ich in der Flußmitte war. Ist das Gewöhnungssache, oder ein prinzipielles Problem?

barfuß um die Welt 4, Nordschweden

Kai @, Sunday, 24.09.2000, 08:11 (vor 8764 Tagen) @ gonzo

Hi,

Eine on topic-Frage: Hat wer Erfahrung mit barfuß Furten (in der
Gegend ja öfters nötig)? Meine Wanderführer warnen davor, deshalb
versuchte ich es zuerst mit Trekkingsandalen. Allerdings bietet
deren steife Sohle auf diesen glitschigen runden Kieseln keinen
tollen Halt. Deshalb bin ich dann dazu übergegangen, es barfuß zu
versuchen, in der Hoffnung auf besseres Gefühl für den Grund, aber
bei dem eiskalten Wasser war das auch weg, bevor ich in der
Flußmitte war. Ist das Gewöhnungssache, oder ein prinzipielles
Problem?

egal ob barfuß oder mit Trekkingsandalen, ich persönlich habe bei Trekkingtouren mittlerweile immer Stöcke dabei und möchte sie nicht mehr missen. Mit den Teleskopstöcken (Leki, o.ä.) kann man das Gleichgewicht, gerade in schwierigem Gelände mit einem fetten Rucksack auf dem Buckel, weit besser halten. Das Mehrgewicht der Stöcke lohnt sich allemal.
Da meine Trekkingsandalen nicht wasserfest sind (und sich daher auch angenehmer tragen als ewig miefende Tevas), ist bei mir barfuß-waten angesagt.

Grüße
Kai

barfuß um die Welt 4, Nordschweden

Bernd A @, Sunday, 24.09.2000, 18:18 (vor 8764 Tagen) @ gonzo

Toller Bericht, danke. In der Gegend war ich auch schon einmal, habe damals eine Tour durch den Padjelanta gemacht.
Eine on topic-Frage: Hat wer Erfahrung mit barfuß Furten (in der Gegend ja öfters nötig)? Meine Wanderführer warnen davor, deshalb versuchte ich es zuerst mit Trekkingsandalen. Allerdings bietet deren steife Sohle auf diesen glitschigen runden Kieseln keinen tollen Halt. Deshalb bin ich dann dazu übergegangen, es barfuß zu versuchen, in der Hoffnung auf besseres Gefühl für den Grund, aber bei dem eiskalten Wasser war das auch weg, bevor ich in der Flußmitte war. Ist das Gewöhnungssache, oder ein prinzipielles Problem?

-Für mich selbst kommt natürlich nur barfuß waten in Frage. Ich habe selbst schon genügen Erfahrung, um vorher abschätzen zu können, ob ich eine Durchquerung des Flusses an dieser Stelle schaffe. Wenn nicht, suche ich nach einer besseren Furt. Es ist immer besser, zu suche, auch wenn das gerade im Sarek manchmal Stunden kosten kann. Ungeduld kann allerdings das Leben kosten! Notfalls hilft nur umkehren und einen anderen Weg nehmen.
Barfuß waten ist vor allem wegen unsichtbaren spitzen Steinen gefährlich, wer jedoch wie ich die ganze Strecke barfuß wandert, für den ist das Risiko natürlich geringer, wie für schuhgewohnte Füße.
Die Kälte ist allemal gewöhnungsbedürftig, das Problem hat man allerdings auch mit Treckingsandalen. Das Wasser hat oft kaum über 0 Grad. Die Schweden wandern deshalb fast immer mit hohen Treckinggummistiefeln.
Ein guter Watstab gehört in jedem Falle zur Ausrüstung einer solchen Tour. Mein Stab ist ca 180 cm lang und recht dick und stabil, direkt aus Norwegens Natur geschnitten. Er ist für mich beim Wandern unverzichtbar, sowas wie der"beste Freund". Er leistet bei schwierigen Furten unschätzbare Dienste und dient praktisch als drittes Standbein.
Von Teleskopstöcken halte ich nicht viel, auch wenn mein "Freund" umständlicher zu transportieren ist.
Ein kleiner Tip noch zum Waten: Man sollte immer schräg gegen die Stömung gehen und sich mit dem Watstab flußaufwärts, also ebenfalls gegen die Strömung aufstützen und den Stab wirklich richtig als Stütze benutzen. Bei der Auswahl sollte man bedenken, dass man mit Rucksack gut 100 kg wiegt und der Stab entsprechend stabil sein sollte. Deshalb auch meine Bedenken gegen Teleskopstöcke. Ein dicker Birkenstamm ist vertrauenserweckender!

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