Artikel in Schweizer Zeitung (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Forum,
in den Schaffhauser Nachrichten steht heute folgender aufschlussreicher Artikel :
Auf wunden Sohlen über heissen Teer
Dies ist die Geschichte von einem, der auszog, um barfuss zu gehen.
Fazit: Im Gras machts Spass, doch auf dem Teer ists schwer.
Für Barfussläufer ist Schaffhausen ein hartes, dreckiges Pflaster. Unser Testlauf durch die Altstadt hat dies zweifelsfrei ergeben.
Schuhe - so das Fazit des Autors - sind ein Geschenk Gottes, das wir viel zu wenig schätzen. Doch nicht alle denken so. Corsin Gaudenz aus Hallau ist begeisterter Barfussläufer. An der Maturfeier der Kantonsschule im St. Johann fiel er dadurch auf, dass er als einziger Absolvent sein Zeugnis barfuss in Empfang nahm. «Barfusslaufen ist einfach angenehmer», sagt er. «Ausserdem ist es mühsam, die ganze Zeit Schuhe und Socken an- und auszuziehen.» Der Auftritt im St. Johann ist ihm allerdings etwas peinlich: «Das war ein Versehen», erklärt er. «Ich wollte mir eigentlich Schuhe anziehen, aber dann war es plötzlich zu spät, um noch nach Hause zu kommen. Wenigstens einen Pullover konnte ich noch auftreiben.» Ein zweites Mal würde er das nicht mehr machen, sagt er, «es ist ja auch eine Frage des Anstands.» Ein Barfussfundamentalist ist Gaudenz nicht. Im Winter oder wenn es längere Zeit regnet, trägt auch er Schuhe: «Aber wenn ich dann nach Hause komme, ziehe ich als erstes Schuhe und Socken aus.»
Naturfreunde oder Fetischisten?
Genau das tun wir nun: Auf zum Testlauf! Die ersten Schritte tun den frisch befreiten Füssen gut. Auf den warmen Pflastersteinen der Vordergasse lässt sich angenehm gehen. Doch dann treten wir uns - autsch! - den ersten Kieselstein in die Ferse. Den Blick etwas verkrampft auf den Boden geheftet, tappen wir Richtung Unterstadt. Hartgesottene Barfussläufern treffen sich im Internet auf der Seite www.barfuss.ch. Im Diskussionsforum bestätigen sich die Schreibenden gegenseitig, wie schön und wichtig das Barfusslaufen doch sei. Dem Aufruf des Autors, es möge sich ein Barfussläufer aus der Region melden, mag allerdings niemand folgen. In der Fotogalerie der Barfüsser wird klar, dass dieses Hobby auch andere Dimensionen haben kann. Ein Herr namens «Matthias» hat zum Beispiel Dutzende von Schnappschüssen barfüssiger junger Damen ins Netz gespeist. Und ein Tscheche namens «Dan» schreibt in brockigem Deutsch: «Hellou, ich suche barfuss Mädchen am Briefwechsel. Ich gern barfuss laufen und alles barfuss machen.» Die Barfussläufer - ein Haufen von Fetischisten?
Aufruf mit Schattenseiten
«Nein», antwortet «Fritz, der Barfussläufer aus Bümpliz» per E-Mail. Fritz ist einer der Gründer von www. barfuss.ch. «Wir sind kein Forum für Fussfetischisten, und die Diskussionen gehen absolut nicht in diese Richtung. Im Gegenteil, schreibt jemand sowas rein, gibt es ein riesen negatives Echo, er solle sich wegscheren. Wir wollen das ganz normale Barfussgehen wieder attraktiv machen und fördern. Lass die Schuhe zuhause, der Sommer 2000 gehört den Barfussläufern.»
Die Schattenseiten von Fritz' Aufruf beginnen wir spätestens am Freien Platz zu erahnen. Die Pflastersteine der schattigen Altstadtgassen weichen heissem Teer. Das Warten am Fussgängerstreifen wird zur leidvollen Erfahrung. Die Sohlen brennen wie Feuer. Auch am Rheinquai bleibt das Pflaster heiss. Der Teer ist grobkörnig und lässt die Füsse wund laufen. Die Sohlen werden schwarz und schwärzer.
Corsin Gaudenz teilt diese Einschätzungen: «Heisser Teer ist echt blöd, vor allem wenn er grobkörnig ist. Aber auf Pflastersteinen ist das Barfusslaufen super. Die Steine sind leicht gerundet und ganz glatt. Im Vergleich zu Teer sind sie fast weich.» Und wie hält es Gaudenz mit der Hygiene? «Ich würde nie mit dreckigen Füssen zu Bett gehen», meint er dezidiert. «Das Füssewaschen gehört bei mir dazu wie das Zähneputzen.»
Als wir endlich den weichen Rasen am Lindli erreichen, sind wir überzeugt, nur noch Blasen an den Füssen zu haben. Ganz so schlimm ist es nicht: Die Sohlen sind zwar schwarz, aber einigermassen intakt. Wir versenken die brennenden Füsse im kühlen Rhein. Viel nützen tuts nicht: Die Fusssohlen werden sich erst zwei Tage später wieder halbwegs gesund anfühlen.
Immer mehr Fussprobleme
Anfrage bei einem Fachmann: Ist Barfusslaufen überhaupt gesund? «Das hängt von der Unterlage und dem Gesundheitszustand der Füsse ab», erklärt Hans Terwiel, Lehrer an der Physiotherapieschule Schaffhausen. «Bei Kindern ist Barfusslaufen im Normalfall unproblematisch. Erwachsene mit Problemfüssen müssen eher aufpassen. Was die Unterlage angeht, so ist Teer- oder Steinboden sicher weniger empfehlenswert als Sand oder Wiese.» Fussprobleme hätten in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen, sagt Terwiel. «Es gibt in dieser Beziehung riesige Differenzen zwischen uns und den Entwicklungsländern, wo die Menschen noch eher barfuss laufen.»
Als Ursachen für die Fussprobleme nennt der diplomierte Physiotherapeut und Sportlehrer mangelnde Bewegung, zu enge Schuhe und - überraschenderweise - auch zu bequeme Schuhe, in denen die Füsse zu weich gebettet sind: «Die Muskeln werden heute eindeutig zu wenig gebraucht. Der Fuss muss nicht mehr viel selber machen.»
Erwachsene: Vorsicht
Ein Rezept dagegen ist laut Terwiel das Barfusslaufen: «Gerade Kinder und Jugendliche sollten im Sommer öfter barfuss gehen, und zwar nicht nur in der Badi, sondern zum Beispiel auch beim Turnunterricht im Freien.» Für platt- oder senkfüssige Erwachsene ist allerdings Vorsicht angebracht: «Mit Problemfüssen ist es nicht empfehlenswert, stundenlang barfuss zu laufen.» Wir werden das künftig bestimmt beherzigen. Vorerst aber sitzen wir noch am Lindli und leiden. Wenn doch das Trottoir aus Rasen wäre... So aber gibt es nur eine Lösung: Wir humpeln über die Strasse und fahren mit dem Bus zurück zum Bahnhof. (Me.)
[Schaffhauser Nachrichten, 17. 08. 2000]
Ich habe dazu folgendes per Email geantwortet :
Liebe Schaffhauser Nachrichten,
wie schade, dass Ihr Beitrag zum Thema Barfußlaufen so negativ beginnt !
Dass sich Ihr Redakteur barfuß "Wunde Sohlen auf heißem Teer" gelaufen hat, so dass er zu dem Fazit kommt : "Schuhe sind ein Geschenk Gottes, das wir viel zu wenig schätzen." liegt daran, dass er einem verbreiteten Vorurteil aufgesessen ist : wenn es draußen heiß sei, sei - wenn überhaupt - die Zeit zum Barfußlaufen (mit einem Hintergrundgedankenbild von Urlaub am Strand).
Die Menschen, die sich viel und gerne barfuß bewegen, wissen, dass das so eben gerade nicht stimmt und nehmen bei hochsommerlichen Temperaturen ihre Sandalen zumindest vorsichtshalber mit - denn die künstlichen Bodenbeläge, die zwar autofreundlich aber fuß- und auch gelenkfeindlich sind, heizen sich extrem auf, wie es natürliche Böden normalerweise nicht tun (bezeichnenderweise wurden ja auch das Natursteinpflaster und noch mehr die Wiese als angenehm zu begehen empfunden).
Stattdessen geht es sich bei kühlen Temperaturen ab 15 Grad aufwärts barfuß so angenehm, dass der etwas Geübte jeden Schritt bedauert, den sie oder er in Schuhen tun muss. Denn der Körper sorgt durch die Bewegung für Durchblutung, die die Füße erwärmt - und die vielfältigen gesundheitlichen Vorzüge des Barfußgehens hat ihr Autor ja auch recherchiert.
Vielleicht probiert es ihr Redakteur ja noch einmal bei etwas niedrigeren Temperaturen und berichtet darüber ... und ihre Leser jedweden Alters erst recht !
Serfuß
Georg