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Hallo zusammen,
diese Tage bekam ich nachfolgenden Zeitungsartikel aus der Westfälischen Rundschau von einem Aktiven der Wandervereine. Der Artikel basiert aus einer Agenturmeldung, über welche ich vor einigen Wochen berichtete. Was haltet ihr von dem Beitrag?
Schönen Abend,
Kai
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aus: Westfälische
Rundschau Nr. 165, Mittwoch 19. Juli 2000
"Unten ohne": das nackte Vergnügen - Eine ganze Dimension von Eindrücken
Barfuß durch den Sommer
Sie können weder Turnschuhe noch Sandalen leiden. Stiefel sind ebenfalls nicht ihr Ding. Und Plateau-Schuhe würden sie sich garantiert nie anziehen. Ob Wiese, Waldweg oder Asphaltstraße - Barfußläufer lieben es grundsätzlich "unten ohne".
Was lange Zeit nur am Strand als korrekt und ansonsten als Hippie-Gehabe angesehen wurde, erobert jetzt die Städte. Barfuß zu gehen ist vom schmuddeligen Schocker zum schicken Hingucker geworden.
"Das macht Spaß", sagt Kai Hiltmann aus Villingen-Schwenningen nur, wenn man ihn fragt, warum er so gerne barfuß läuft. Seit mehr als 15 Jahren verzichtet er auf seine Schuhe, wo immer es geht - auf dem Weg zur Arbeit, im Büro oder in der Freizeit. "Es ist eine ganze Dimension von Eindrücken, auf die man verzichtet, wenn man in Schuhen läuft", beschreibt Hiltmann seine Erfahrungen auf nackten Sohlen.
Ähnlich sieht es Kai Buhmann, Geschäftsführer der Deutschen Wanderjugend in Winnenden. "Es wird sehr oft vergessen, dass wir auch an den Fußsohlen Sinneszellen haben. Plötzlich merkt man dann, wie unterschiedlich sich Untergründe anfühlen können", so Buhmann über die direkte Art der Bodenhaftung.
Barfußlaufen ist für Buhmann "die natürlichste Art der Fortbewegung". Um noch mehr Menschen Mut zu machen, die Schuhe mal stehen zu lassen, veranstalten inzwischen mehrere Gruppen der Wanderjugend regelmäßig Barfuß-Wanderungen. Geteerte Weege werden dabei links liegen gelassen. Stattdessen führen die Routen über naturbelassene Waldwege, durch Matsch und kleine Bäche. "Barfuß macht das ja nichts. Den Matsch kann man wieder abwaschen und die Füße trocknen viel schneller als jeder Schuh", sagt Buhmann.
Wer erst vorsichtig testen will, ob ihm das Barfußlaufen überhaupt liegt, kann inzwischen in einer ganzen Reihe sogenannter Barfußparks seine Standfestigkeit auf verschiedenen Untergründen testen.
Standfest auf Sand und Rindenmulch
"Sand, Kies, Rindenmulch, zwischendurch ein Stück Wiese und auch mal durchs Wasser", schildert Karin Gothieu von der Kur- und Tourismusinformation in Bad Sobernheim den Weg über den örtlichen Barfußpfad. Bereits seit 1992 existiert dieser von Mai bis Oktober geöffnete Parcours im Hunsrück, der jedes Jahr von rund 40 000 Menschen besucht wird.
Auch der Barfuß-Park Dornstetten-Hallwang im Schwarzwald könne sich nicht über mangelnden Zulauf beklagen, sagt Martin Zorin vom dortigen Tourismusbüro. Sie selber gehört mittlerweile ebenfalls zu den Stammgästen auf dem Barfuß-Pfad: "Ich konnte mir früher nie vorstellen, barfuß zu laufen. Aber je öfter man das macht, desto abgehärteter wird die Sohle. "Schon nach ein paar Übungsrunden werde das Pieksen kleiner Steinchen oder das Kitzeln des Grases nicht mehr als Schmerz, sondern eher als eine Art Massage empfunden.
Jörg Rehmann, Musikpädagoge aus Sosberg im Hunsrück, sieht im Barfußlaufen sogar ein wichtiges therapeutisches Instrument. "Immer mehr Kinder haben Bewegungs-, Haltungs- und Koordinationsstörungen. Das fängt schon bei den Füßen an", erklärt er. Sich barfuß zu bewegen, helfe, ein Gefühl für seinen eigenen Körper zu entwickeln und bringe so das Gleichgewichtsgefühl wieder ins Lot.
Die Szene der Barfußläufer in Deutschland sei bunt gemischt, sagt Rehmann. Viele Barfußläufer hätten allerdings Probleme damit, sich offen zu ihrer Leidenschaft zu bekennen, denn zu lange galten nackte Füße in der westlichen Gesellschaft als ein Zeichen für Armut. Anderen dagegen macht es absolut nichts aus, gelegentlich etwas schräg angesehen zu werden oder auch angesprochen zu werden. Hauptsache, sie müssen ihre Füße nicht in Schuhen verschnüren.
Auf Websites wie www.barefooters.org lassen sich zum Beispiel die Mitglieder der "Dirty Sole Society" nicht nur über Frust und Lust des Barfußlaufens aus. Wer will, bekommt hier auch Tipps für die schönsten Barfuß-Trips - inklusive Knigge für das Barfußlaufen in anderen Kulturen. Denn ein überzeugter Anhänger der Freifuß-Kultur will selbst auf Wüsten-Wanderungen den unmittelbaren Kontakt zum Boden nicht missen.
Solche Extrem-Touren sollten aber tatsächlich nur Trainierte wagen. Die Füße seien zwar "erstaunlich wiederstandsfähig" und hielten "viel mehr aus, als man denkt", sagt Kai Buhmann. Um eine strapazierfähige Hornhautschicht zu bekommen, sollte man als Einsteiger aber erst mal einige kleinere Übungseinheiten
absolvieren.
Stadtbummel auf schwarzen Sohlen
Wer weiche Wiesen und Waldwege hinter sich gelassen hat, kann dann ganz entsprannt zum Beispiel zum Einkaufsbummel in der Stadt ohne Schuhe erscheinen. "Nur die Sohlen werden dabei halt etwas schwärzer", so Buhmann. Außerdem sollte man besonders an heißen Tagen einen Bogen um Gullydeckel oder Straßenbahnschienen machen, weil man sich dort ernsthaft die Füße verbrennen kann. Und statt nur in die Schaufenster zu sehen, sei es ratsam, zumindest ein Auge immer am Boden zu haben - denn barfuß in Hundehaufen oder Glasscherben zu treten, ist dann doch nicht das nackte Vergnügen.
Redaktion: Ehrenfried Künne,
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