Georg Baba oder : ein Ungarnurlaub (Hobby? Barfuß! 2)

Georg @, Friday, 21.07.2000, 15:23 (vor 8893 Tagen)

Wir wissen nicht, was es bei Ali heißt - bei Georg ist Baba = Barfuß am Balaton

Hallo Forum,

während Ihr hier gefroren habt, konnten meine Familie und ich am Plattensee zwei schöne Urlaubswochen verbringen - lediglich am Ende ließ auch dort das Wetter nach, es kühlte sich ab und regnete auch ergiebiger (nach drei Monaten Trockenheit).

Mal ganz abgesehen davon dass man als deutsche Familie dort nach wie vor recht preisgünstig urlauben kann, waren unsere Kinder mit Angeln, Schlauchbootfahren, Baden und Sonnen beschäftigt - mein Ding nicht so, aber Eltern wissen um den Erholungswert einer Beschäftigung der Kinder ...

Dank des Badebetriebes bei angenehmen Temperaturen waren, wie anders nicht zu erwarten, nackte Füße überall an der Tagesordnung - aber nahezu immer von ziemlich scheußlichen Plastikschlappen "geschmückt" - barfuß ging außerhalb der Bäder fast niemand. Allerdings waren die Bedingungen dazu, sogar innerhalb der Badeanlagen, häufig genug wenig einladend : allgegenwärtige Steinchen und feste Bodenbeläge von einer Unebenheit der Oberfläche, die wir gar nicht kennen, sorgten auch bei meinen Kindern dazu, dass sie lieber ihre Birkis anzogen.
Da ich bereit bin, auch einmal einen kleinen Umweg zu machen, um barfußtaugliches Terrain beschreiten zu können, bin ich allerdings nahezu überall unbeschuht unterwegs gewesen - Ausnahmen s. u.
Die dreimonatige Trockenheit in Verbindung mit einer etwas von der unseren divergierenden Mentalität (wozu Wege reinigen, wenn es doch irgendwann der Regen erledigen wird ?) führte übrigens im Ergebnis zu so hartnäckig schwarzen Sohlen, dass ich sie selbst mit Einweichen nur grau bekam - erst der Regen am Ende des Urlaubs sorgte wieder für die Rückkehr der Hautfarbe.

Obwohl außer mir fast niemand barfuß ging, schien es während der Schönwetterphase nahezu niemandem aufzufallen (ich weiß allerdings auch nicht,was barfuß auf ungarisch heißt). Das galt auch für zwei Ausflüge nach Budapest, einen bei Tag mit einem am Plattensee ansässigen Busunternehmen und einen am Abend auf eigene Faust.
Bei der Busreise blieb ich, wie auch bei dem anderen Besuch, komplett barfuß, auch beim Essen in einem Restaurant, und wurde lediglich ein Mal von einem Mitreisenden freundlich gefragt, ob der Boden nicht zu warm würde (war bei rund 25° nicht so, aber für diesen Fall hatte ich Sandalen mit).
Budapest hat übrigens zumindest in der City eine gut funktionierende Stadtreinigung und angenehme Bodenbeläge, ich habe die Stadt insofern als recht barfußfreundlich erlebt.
Noch besser gefiel es meinen Füßen in der Puszta, deren Sandboden außerordentlich zum Barfußlaufen einlud - und siehe da, im Freilichtmuseum von Bugac (zwischen Kecskemet und Szeged, südöstlich von Budapest) waren einige andere Besucher barfuß unterwegs und im Sand der Wege fand sich immer wieder einmal ein Fußabdruck zwischen den Schuhsohlen.
Unspektakulär gestalteten sich auch andere Stadtbesichtigungen, die sich mit Fuß - Erinnerungen verbinden, so z. B. das Kopfsteinpflaster in Vezprems Altstadt, dessen Bitumenfugen sich sehr nett mit Zehenabdrücken dekorieren ließen, oder der Rundgang im Garten des Barockschlosses in Keszthely, in dem ich vom (wie üblich) geschotterten Weg auf den Rand des Rasens auszuweichen versuchte, was einen trillerpfeifenden Aufseher zum Einsatz brachte - kurz bevor ich um die Hecke herum seinem Blickfeld entschwand ... und wieder über den Rasen ging.

So hatte ich bis gegen Ende des Urlaubs lediglich auf einem übel geschotterten Parkplatz und einem ebensolchen Markt für wenige Minuten Sandalen getragen - aber das schlechte Wetter zwang mich beim abschließenden Zirkusbesuch beim Stillsitzen im Zelt dann doch in Schuhe - und beim Einkauf im Supermarkt am nächsten Morgen gestikulierte die Verkäuferin in Richtung meiner nackten Füße. Denen gefiel aber der jetzt feuchte Grund viel zu gut, als dass die Schuhe eine echte Chance bekommen hätten ...

Fazit : Schön wars, im Grunde auch (abgesehen halt von manchen Untergründen) barfußfreundlich und erholsam - also durchaus empfehlenswert.

Serfuß
Georg

1. PS : Auf dem Markt in Siofok, dem größten Touristenort am See, wurden auf Kunststofffußsohlen auch Zehenringe angeboten (ich habe keinen gekauft).
2. PS : Unser Vermieter erkundigte sich beim Begrüßungs - Rundgang im Ferienhaus besorgt , ob ich nicht kalte Füße bekäme - Außentemperatur knapp 30° und Parkettboden im Haus ...
3. PS : Während des gesamten Urlaubs habe ich keine Zecke gesehen; allerdings wird für Ungarn eine FSME - Schutzimpfung empfohlen. Zu diesem Thema schreibe ich noch einmal etwas gesondert.

Ungarn, Balaton

malo @, Friday, 21.07.2000, 20:20 (vor 8893 Tagen) @ Georg

Hi!

Auch ich bin Ungarnfan! Kann mir zur Zeit nichts günstigeres im halbwegs zivilisierten Europa vorstellen (Bulgarien?). Ostern waren dort auch bereits böse, heiße Temperaturen. Die Balatonuferregionen taugen gut für Barfußexkursionen. Allerdings liegen oft Glasscherben umher. Zecken fing ich mir dort auch noch keine ein. Dumme Kommentare hörte ich ebenso noch nicht. Nur eher merkwürdige Blicke (von deutschen Touristen, wem sonst...) Andere Barfüßer sah ich bisher kaum. Allgemein empfand ich das Barfußgehen in der "Wildnis" bisher als recht heikel. Dort sind viele dornige und stachelige Gewächse. Auch rund um Tapolca/Badacsony ist aufgrund der vulkanischen Gegend oft genug scharfer Steinbelag auf den Wegen. Budapest halte ich für sehr schmuddelig, schwärzeste Sohlen binnen kürzester Zeit! Wie jede andere Großstadt eben.

mfg

Ungarn, Balaton

Lupu, Saturday, 22.07.2000, 02:33 (vor 8893 Tagen) @ malo

Hi!
Auch ich bin Ungarnfan! Kann mir zur Zeit nichts günstigeres im halbwegs zivilisierten Europa vorstellen (Bulgarien?). Ostern waren dort auch bereits böse, heiße Temperaturen. Die Balatonuferregionen taugen gut für Barfußexkursionen. Allerdings liegen oft Glasscherben umher. Zecken fing ich mir dort auch noch keine ein. Dumme Kommentare hörte ich ebenso noch nicht. Nur eher merkwürdige Blicke (von deutschen Touristen, wem sonst...) Andere Barfüßer sah ich bisher kaum. Allgemein empfand ich das Barfußgehen in der "Wildnis" bisher als recht heikel. Dort sind viele dornige und stachelige Gewächse.

Bei mir ging's eigentlich ganz gut, obschon der Wegebelag manchmal unangenehm schotterig ist.

Auch rund um Tapolca/Badacsony ist aufgrund der vulkanischen Gegend oft genug scharfer Steinbelag auf den Wegen.

Aber dort ist es auch teilweise wirklich sehr schön zum Barfußlaufen, gerade dort bei Badacsony. Vor allem die Kötenger ("Steinmeere") lohnen sich - z.B. bei Szentbékálla - , sehr angenehm auf den gewärmten Felsen (aber auch ein Schlangenparadies ;-).

Sziasztok!

Lupu @, Saturday, 22.07.2000, 02:24 (vor 8893 Tagen) @ Georg

Hallo (heißt das)!

Schön, dass es auch noch andere Ungarn-Fans gibt...

während Ihr hier gefroren habt, konnten meine Familie und ich am Plattensee zwei schöne Urlaubswochen verbringen -

oh ja, das kann ich mir vorstellen. Vielleicht gelingt es uns dieses Jahr auch noch (war eigentlich für August geplant :-).

Dank des Badebetriebes bei angenehmen Temperaturen waren, wie anders nicht zu erwarten, nackte Füße überall an der Tagesordnung - aber nahezu immer von ziemlich scheußlichen Plastikschlappen "geschmückt" - barfuß ging außerhalb der Bäder fast niemand. Allerdings waren die Bedingungen dazu, sogar innerhalb der Badeanlagen, häufig genug wenig einladend : allgegenwärtige Steinchen und feste Bodenbeläge von einer Unebenheit der Oberfläche, die wir gar nicht kennen, sorgten auch bei meinen Kindern dazu, dass sie lieber ihre Birkis anzogen.

Nun gut, die Bedingungen sind nicht immer einladend - weil nicht auf Barfüßer abgestimmt (genau wie in Deutschland eben auch). Aber schreckt uns das?

Die dreimonatige Trockenheit in Verbindung mit einer etwas von der unseren divergierenden Mentalität (wozu Wege reinigen, wenn es doch irgendwann der Regen erledigen wird ?)...

Das mit der Mentalität kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Sicherlich sind die Ungarn (zum Glück ;-) nicht so "perfekt" wie wir Deutschen, aber reinlich sind sie allemal - auch was das Fegen von Straßen und Höfen anbetrifft...

Obwohl außer mir fast niemand barfuß ging, schien es während der Schönwetterphase nahezu niemandem aufzufallen (ich weiß allerdings auch nicht,was barfuß auf ungarisch heißt).

Barfuß heißt "mezítláb" (was ungefähr soviel bedeutet wie "unbekleidetes Bein/Fuß").

Noch besser gefiel es meinen Füßen in der Puszta, deren Sandboden außerordentlich zum Barfußlaufen einlud - ...

Tja, da kann ich leider noch nicht mitreden, habe ich noch nicht ausprobiert.

3. PS : Während des gesamten Urlaubs habe ich keine Zecke gesehen; allerdings wird für Ungarn eine FSME - Schutzimpfung empfohlen. Zu diesem Thema schreibe ich noch einmal etwas gesondert.

Ich habe die (wahrscheinlich) erste Zecke meines Lebens im letzten Jahr am Balaton eingefangen (ich berichtete). Zu der Borreliose-Gefahr (die überall existiert) kommt in Ungarn genau wie in Süddeutschland die FSME- bzw. Hirnhautentzündungsgefahr hinzu, wie du richtig schreibst. Deswegen sollte man sich impfen lassen (hilft aber leider nicht immer) und gut aufpassen, sofern das geht.

Zum Schluss muss ich allerdings noch anmerken, dass es Ungarn genauso viel und genauso wenig Barfußtoleranz gibt wie in Deutschland. Eine besondere "Barfußkultur" gibt's dort nicht mehr (Bauern- und Zigeunerkinder liefen natürlich früher oft barfuß, aber das ist endgültig ad acta gelegt). In einem ungarischen Lesebuch fand ich aber neulich noch eine schöne Geschichte (aus alten Tagen, das Buch ist aus den 50er/60ern) mit dem Titel "A mezítlábasok" (Die Barfüßigen), in der sehr schön erzählt wird, wie es die Kinder früher schon im April barfuß hinaus trieb, freiwillig und zum Leidwesen der Mütter, da es um diese Jahreszeit meist doch noch frisch ist (letztes Jahr im April sagte mir ein Dorfbewohner am Balaton, dass man erst im Mai barfuß gehen sollte, da man ansonsten Rückenprobleme bekommen werde; er selbst sei als Kind auch schon immer so früh barfuß gelaufen, vor allem beim Vieh hüten).
In Ungarn ist wohl das Barfußlaufen auch mit Armut gleichgesetzt worden (dokumentiert auch in einigen ungarischen Filmen) und im (pseudo-)"Sozialismus" konnte man sich wahrscheinlich so eine Armutserscheinung erst recht nicht leisten und hat für ständige Beschuhung gesorgt. Heute erweckt man deswegen bei den meisten sicher eher Schmunzeln und Unverständnis (selbst bei Zigeunerkindern, wie mir letztes Jahr passiert).

Viszlát,
Lupu

Sziasztok!

Georg @, Sunday, 23.07.2000, 21:37 (vor 8891 Tagen) @ Lupu

Hallo Lupu,

einige nur kurze Anmerkungen :

Nun gut, die Bedingungen sind nicht immer einladend - weil nicht auf Barfüßer abgestimmt (genau wie in Deutschland eben auch). Aber schreckt uns das?

Nein, uns nicht - aber andere !

[divergierende Mentalität]

Sicherlich sind die Ungarn (zum Glück ;-) nicht so "perfekt" wie wir Deutschen, aber reinlich sind sie allemal - auch was das Fegen von Straßen und Höfen anbetrifft ...

Verallgemeinerungen sind ohnehin immer schwierig und die Bemerkung war auch absolut nicht böse gemeint, sondern begründet sich auf die Beobachtung, dass es in der Straße, in der wir wohnten, zahlreiche Kirschbäume gab, deren abgefallene und weitgehend vertrocknete Früchte überall auf Fahrbahn und Gehweg herumlagen, was sich nicht nur barfuß eher unangenehm anfühlte, sondern auch unter Schuhsohlen eine ziemliche Sauerei ergab.

[Pusztaboden]

Tja, da kann ich leider noch nicht mitreden, habe ich noch nicht ausprobiert.

Kann ich guten Gewissens empfehlen !

Eine besondere "Barfußkultur" gibt's dort nicht mehr (Bauern- und Zigeunerkinder liefen natürlich früher oft barfuß, aber das ist endgültig ad acta gelegt).

Kann ich dem flüchtigen Eindruck nach, den ich in zwei Wochen gewinnen konnte, nur bestätigen. Die folgende Feststellung

Heute erweckt man deswegen bei den meisten sicher eher Schmunzeln und Unverständnis

eher nicht, aber vermutlich sind die Menschen in den Regionen Budapest und Balaton wegen des hohen Touristenaufkommens auch etwas offener.
Ansonsten gilt in Ungarn wie in Deutschland absolut eine Feststellung, die vor langer Zeit schon einmal Lorenz sehr richtig getroofen hat : weit mehr als für unsere nackten Füße interessiert man sich in aller Regel für unsere Geldbörsen - und dass ich Tourist und damit potentiell kaufstark bin, hat man mir auch ohne Schuhe sofort angesehen (was allein schon die zahllosen Angebote, auf der Straße zu tauschen, beweisen - aber nicht nur diese).

Herzliche Füße
Georg

Úgy van!

Lupu @, Tuesday, 25.07.2000, 00:24 (vor 8890 Tagen) @ Georg

Ansonsten gilt in Ungarn wie in Deutschland absolut eine Feststellung, die vor langer Zeit schon einmal Lorenz sehr richtig getroofen hat : weit mehr als für unsere nackten Füße interessiert man sich in aller Regel für unsere Geldbörsen - und dass ich Tourist und damit potentiell kaufstark bin, hat man mir auch ohne Schuhe sofort angesehen (was allein schon die zahllosen Angebote, auf der Straße zu tauschen, beweisen - aber nicht nur diese).
Herzliche Füße
Georg

So ist es! Da es kein "natürliches Barfußparadies" mehr gibt (zumindest nicht im guten, alten Europa), müssen wir es uns eben Stückchen für Stückchen selbst bauen. Ist ja auch eigentlich nicht so schwer, und im Urlaub - begünstigt durch den von dir beschriebenen Umstand der ersehnten Kaufkraft - erst recht nicht (zumindest für uns Westeuropäer ;-).

Szia,
Lupu

Barfuß in der Puszta

Harald, Sunday, 23.07.2000, 21:10 (vor 8891 Tagen) @ Georg

Noch besser gefiel es meinen Füßen in der Puszta, deren Sandboden außerordentlich zum Barfußlaufen einlud - und siehe da, im Freilichtmuseum von Bugac (zwischen Kecskemet und Szeged, südöstlich von Budapest) waren einige andere Besucher barfuß unterwegs und im Sand der Wege fand sich immer wieder einmal ein Fußabdruck zwischen den Schuhsohlen.

Hallo Ihr!
Barfuss in der Puszta ist echt toll! Ich hab vor einigen Jahren einmal eine Reise nach Kecskemet mit tollen Wanderungen bei Bugac und Fülöphaza unternommen, war von Landschaft, Pflanzen und Pferden begeistert und der Sandboden und das Steppengras unter meinen nackten Füssen waren einfach ein Genuß. Barfußgehen ist in Ungarn heutzutage auch nicht häufiger üblich als im übrigen Mitteleuropa, aber ich hatte dennoch das Gefühl, von älteren Ungarn am Land dadurch eher mehr als weniger akzeptiert zu werden. Unter anderem erlebte ich eine Einladung zum Weintrinken durch zwei alte Männer in einem entlegenen Haus, bei der wir in einer wilden Sprachenmischung aus Ungarisch, Russisch und Deutsch über das frühere Leben in der Puszta im allgemeinen sowie über Pferde und über meine nackten Füsse im speziellen plauderten. Auch freute ich mich darüber, auf den Sandwegen die Spuren so manch anderer Barfüßer zu sehen. Auch am Abend in Kecskemet habe ich mich damals ohne Schuhe sehr wohl gefühlt (im "noblen" Budapest eher nicht.)
Liebe Grüße an alle Ungarn-Fans!
Harald

Hódmezövásárhelykutasipuszta...

Lupu @, Tuesday, 25.07.2000, 00:33 (vor 8890 Tagen) @ Harald

Tja, trotz so vieler Ungarnbesuche und Sprachkenntnisse und Freunden und Verwandten und und und - von der Puszta kenne ich unglücklicherweise nicht viel mehr als die Touristenklischees (die haben mich immer abgeschreckt ;-) und diesen wunderschönen, halb erfundenen, aber die ungarische Sprache sehrwohl charekterisierenden Ortsnamen aus "Ich denke oft an Piros(ch)ka".
So wie du es hier beschreibst, habe ich einen Grund mehr, endlich mal die Puszta zu besuchen - barfuß.

Szia vagy szervusz,
Lupu

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