Es stand im Herbst in der Zeitung (4) (Hobby? Barfuß! 2)

Georg @, Tuesday, 09.11.1999, 19:52 (vor 9147 Tagen)

Die geschilderten Barfußaktivitäten verlagern sich zwar zunehmend auf Bühnen oder in die Welt der Erinnerung bzw. der Zukunftspläne, aber vorläufig findet Paperball immer noch Zeitungsartikel :

Ein Albtraum. Was sonst? [...]
Heinrich von Kleist ist eine Frau. Klein, rothaarig, barfuß. Und nie ohne Bettdecke. Kleist krakeelt, flüstert, deklamiert. Ein exaltierter Kindskopf, der wütend mit Zitaten um sich schmeißt. Aus den eigenen Werken, versteht sich. Ein Androgyner, seltsam geschlechtslos, unerotisch, asexuell, dem am Vorabend seines Todes die entscheidenden Begegnungen seines Lebens durchs Hirn blitzen. Eine grandiose Abfolge persönlichen Scheiterns. Selbstmitleidig, heroisch und pathetisch zelebriert.
"Die Nacht des Cherub" heißt das Stück von Winfried Radeke (Musik) und Rudolf Danker (Text und Regie). Der anderthalbstündige Chrashkurs über die Biografie des Dichters reiht ein Klischee ans nächste [...] Einschließlich einer Zugabe von Goethe: "Heinrich, mir graut vor dir." Grauen tut es den Zuschauer eher vor dieser Kammeroper [...] Schauspielerin Eva Horstmann macht aus Kleist ein kindisches Abziehbildchen [...]
[Die Welt, 31. 10. 1999]

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Filatow-Schüler sind umgezogen
Bildungstätte für Blinde und Sehschwache lud gestern zur Einzugsfeier ins neue Domizil nach Grünau
Der Umzug [...] ist erfolgt [...] "An den ersten Tagen gab's ganz schöne Orientierungsprobleme", ließ Susi aus der "Neunten" wissen. In der Tieckstraße wusste sie um jede Stufe. Hier galt es sich das alles erst wieder zu ertasten und zu merken. "Aber die tollen Fachkabinette, die wir nun haben, machen's wett", zeigte sich das blinde Mädchen versöhnt. "Alles ist hier schick. Wir trauten uns zuerst nicht mal hier hinein", verwies Musiklehrerin Nora Nienke lachend auf die Toiletten [...] Dann schwärmte sie vom Musikzimmer. "Ausgelegt mit Kork! Da kann man sich auch Barfuß drauf bewegen und rhythmische Übungen machen." [...] Trotz Regens wurde auch rund um die Schule gelaufen: zum neuen Sportplatz, in den Schulhof, der sich Blindenpark nennt [...] Verschiedene, bei der Gestaltung verwendete Materialien vermitteln Sinneserfahrungen. An Schultagen ist der Park bis 16.30 Uhr auch öffentlich zugänglich [...]
[Leipziger Volkszeitung, 2. 11. 1999]

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"Man kommt nicht in Versuchung abzuheben"
Neubeginn des Liedermachers Konstantin Wecker - Auftakt der Tournee "Leben in Liedern" [...] Der Künstler Konstantin Wecker ist wieder präsent. Und hoffentlich mit ihm auch jener Wecker, der den Willy sang. Mit dieser geradezu unnachahmlichen Leidenschaft. Jene Ballade vom Kumpel, der in der Kneipe gegen Parolen grölender Rechtsradikale aufbegehrt - und von ihnen erschlagen wird. Vor allem dieser Willy hat die treuen Fans vieles vergessen lassen: das in Klatschspalten genüsslich geschilderte schillernde Leben Weckers als Protagonist in Sexlustspielen; den Angeber, der, seinen Porsche angeblich am liebsten barfuß fährt; und später auch den mit Häme beschriebenen Revoluzzer mit der 20-jährigen kokaingeschwängerten Protestbardenkarriere [...]
[Die Welt, 2. 11. 1999]
Was immer man sonst davon halten mag : barfuß Auto fahren kann Konstantin ja ruhig weiterhin ...

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Mutanten in der Welt der Comics
Düsseldorf - Marcellos Zimmer riecht penetrant nach Mottenkugeln. In der Ekke liegen Krücken, unterm Bett ein paar Schmuddelhefte. Der Fernseher läuft. Besucher scheint Marcello nicht zu erwarten. Und stünde das Zimmer nicht mitten im Düsseldorfer NRW - Forum, gäbe es keinen Zweifel daran, dass sein Bewohner nur mal kurz raus ist - Zigaretten holen. Aber was hat das mit Comic - Avantgarde zu tun? Erst beim zweiten Hinsehen fallen die Porträts ins Auge. Sie sind nicht fotografiert, sondern gezeichnet [...] "Comic ist anders!" ruft diese Ausstellung ihren Besuchern entgegen. "Alles, nur nicht das, was ihr erwartet." [...] Hier wird zitiert, verändert, durch den Kakao gezogen. Und das macht vor der eigenen Arbeit nicht Halt: In M.S. Bastians Geisterbahn, die die Besucher barfuß durchlaufen können, ragen Sprechblasen aus Holz in den Weg und verzerren den Schrekken zu seinem Comic-Abklatsch: "Squeek!" [...] Ein inhaltlicher oder künstlerischer Zusammenhang unter den ausgestellten Werken lässt sich schwer auszumachen - ist auch gar nicht angestrebt. Es gehe vielmehr darum, diejenigen zu würdigen, die seit vielen Jahren im deutschen Sprachraum daran mitwirken, dass der Comic hier Qualität und Anerkennung erreicht. Dass indes keiner der vertretenen Zeichner von seinen Werken leben kann, ist kein Geheimnis [...] Die "Mutanten" sind bis zum 9. Januar 2000 [...] zu sehen [...]
[Zeitungsgruppe WAZ, 3. 11. 1999]

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Neuer Kräutergarten, Barfuß - Pfad und Wasserspiele im Kneipp - Heilbad Endbach
Das Kneipp-Heilbad Bad Endbach im Lahn - Dill - Bergland liegt im Schnittpunkt der Städte Marburg, Gießen, Wetzlar, Herborn und Dillenburg an den Ausläufern des Rothaargebirges [...] Der neue Kneippkräutergarten, die Kneippwasserspiele, der Kneipp - Barfuß - Erlebnispfad, das Kunst- und Kulturhaus "Alte Schule" mit Kneippmuseum und Galerie, der Duft - Farb - Klang - Raum sind die jüngsten Errungenschaften des Kneipp-Heilbades.
[Berliner Zeitung, 3. 11. 1999]

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Michaela Ehinger Sprachduft, matt
Die Eingangshalle der Deutschen Bibliothek ist ein Klangkunstwerk. Unter dieser Kuppel bricht sich jeder Schritt, jedes leise Gespräch ähnlich wie in den Flüstergalerien mancher Kathedralen [...] Die spezielle Akustik dieses Raums reizte die Schauspielerin Michaela Ehinger ganz offensichtlich zu ihrer Sprachperformance, zu der sie sich das alttestamentarische "Hohelied Salomos" als Textgrundlage genommen hat. Das Liebesgedicht, neu übersetzt von Klaus Reichert, wird von ihr in zwei Sprachen vorgetragen, wobei die klangvolleren hebräischen Anteile nur gelegentlich, als Zwischenpassagen eingesetzt werden. Das Lied verbindet in höchst poetischer Weise körperliche, erotische Sinnlichkeit mit äußeren Sinneseindrücken [...] Im Gegensatz zu der üppigen Metaphorik des Texts steht die karge, puristische Umsetzung. Michaela Ehinger, im langen roten Kleid barfuß auf den grauen Fliesen, setzt nur wenige Schritte, was gut ist, aber auch nur wenige Akzente, was der Aufführung eine gewisse Gleichförmigkeit verleiht. Die Möglichkeiten der besonderen Raumakustik werden nur sehr verhalten ausgetestet [...]
[Frankfurter Rundschau, 3. 11. 1999]

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Reisepläne wirkten wie ein Jungbrunnen
Jülich. «Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben» - unter diesem Motto machten sich fünf «Maimücken» aus dem Altenheim St. Hildegard in Jülich auf ihren «Jungfernflug» gen Mallorca [...] Innerhalb einer kleinen Gruppe der Tagesbetreuung keimte beinahe beiläufig die Idee auf, doch einmal auf Mallorca Urlaub zu machen [...] Kurz entschlossen marschierten die Heimbewohner, vier Damen und ein Herr im Alter von 60 bis 85 Jahren, mit ihren Betreuern in ein Reisebüro [...] Zwar war ein Teil der reiselustigen Gruppe noch nie im Leben mit einem Flugzeug geflogen, doch der Traum, im Alter noch etwas zu unternehmen, verdrängte Angst und Bedenken [...] «Wir haben die Senioren den ganzen Sommer über auf ihren Trip vorbereitet», erkärte Schwester Claudia (Agatz). So wurde am Barmener Baggersee das Barfuß - Laufen geübt und Badeanzüge gekauft [...]
[Aachener-Zeitung, 3. 11. 1999]
Und ich sag’s doch immer : sogar auf Seniorenreisen wären wir heute schon bestens vorbereitet ...

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Eine Kultstätte, die mit Füßen getreten wird
Der Zebrastreifen in der Abbey Road, den die Beatles für ihr letztes Studio-Album überquerten, zieht Fans aus aller Welt an
Für viele ist es der berühmteste Zebrastreifen der Welt, doch in dem Mann, der ihn wahrscheinlich öfter überquert hat als jeder andere, werden keine besonderen Gefühle mehr wach, wenn er die sechs weißen Streifen an der Londoner Abbey Road überschreitet. "Ich bin hier ein paar tausend Mal rübergelaufen" [...] Richard ist Präsident des Londoner Beatles-Fanclubs [...] in Personalunion Veranstalter, Organisator und Leiter verschiedener Fußgänger - Touren durch London, in denen es stets um die Beatles geht [...] Normale Passanten dürften diese Ziele nur bedingt als Plätze der Anbetung einstufen. Die, die das dennoch tun, besteigen zum Abschluss von Richards Tour die U-Bahn und fahren mit der Jubilee Line drei Stationen Richtung Norden bis St. John’s Wood. Von dort sind es dann nur noch zehn Minuten Fußmarsch - zehn Minuten, in denen man sich vorstellen kann, wie man gleich seine Füße auf den schwarzen Asphalt und die weißen Streifen setzen wird - so wie SIE es einst taten [...] und stellen voller Überraschung fest, dass es sich zunächst einmal um einen Fußgängerüberweg wie jeden anderen handelt, eine Kultstätte, die sozusagen mit Füßen getreten wird [...] Jeder, der sich für Pop-Musik interessiert, kennt das berühmte LP-Cover: die vier Beatles, die im Gänsemarsch von links nach rechts den Zebrastreifen überqueren [...] Fans überall auf der Welt glaubten einem Gerücht, demzufolge McCartney bereits tot und durch einen Doppelgänger ersetzt worden sei [...] Dass Paul McCartney barfuß und nicht im Gleichschritt lief, galt [...] als Indiz [...] Wenn Tourführer Richard heute an genau derselben Stelle steht und an die alten Legenden erinnert, dann läuft vielen seiner Zuhörer ein wohliger Schauer über den Rücken - so wie ja überhaupt für viele die alten Geschichten lange her, aber keineswegs passé sind [...] "Ich schätze, ich habe hier schon 60 000 bis 70 000 Leute rübergeführt", sagt er. Und dazu mögen vielleicht noch einmal genau so viele kommen, die sich den berühmten Überweg auf eigene Faust anschauen [...]
[Süddeutsche Zeitung, 5. 11. 1999]

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Gott muss ein Ire sein
Seelen- und andere Wanderungen im grünen Nordwesten Irlands
Von Michael Tetzlaff [...] Da ist er: Croagh Patrick, einer der heiligen Berge Irlands, an der Clew Bay nahe Westport. Der 762 Meter hohe Kegel verdankt seinen Namen Irlands Schutzpatron St. Patrick. Der Heilige hatte im fünften Jahrhundert auf dem Gipfel 40 Tage fastend zugebracht. Da hoch?
Bis zu 60 000 Pilger schaffen jährlich den Aufstieg. Hauptverkehrstag ist der letzte Sonntag im Juli. Das untere Drittel des Croagh ist gnädig. Ein paar Steine liegen im Weg, auch die Steigung ist noch erträglich. Pause. Nein, das kann nicht unser Weg sein. Er ist es doch. Nach einer Strecke, die an die Substanz geht, fast flaches Land. Doch jetzt: Das Stück vor dem Gipfel besteht nur noch aus willkürlich hingeworfenen Steinen. Douglas ist ein gutes Vorbild, mancher Meter geht nur auf allen Vieren. Oh Gott! Jawohl. Einige Pilger besteigen den Croagh barfuß, heute jedoch nicht. [...] der Gipfel ist erreicht, nach etwas mehr als zwei Stunden. Die kleine, weiße Kapelle ist keine schwächebedingte Halluzination sondern Wirklichkeit. Wie mag wohl das ganze Baumaterial hier hoch gekommen sein? Der Blick über die Clew Bay macht klein. Croagh Patrick sagt: "Na du Wurm, noch irgendwelche Fragen ans Leben?" [...]
[Frankfurter Rundschau, 5. 11. 1999]
Barfußwanderweg, irische Version für ganz Abgehärtete ?

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Neu Delhi sichert Papst religiöse Toleranz zu [...]
In einer Unterredung mit dem Papst in Neu Delhi betonten Premierminister Atal Behari Vajpayee und Staatspräsident Kocheril Raman Narayanan, in Indien werde die Religionsfreiheit geachtet und das friedliche Zusammenleben verschiedener Glaubensgemeinschaften gefördert [...] Mehr als 80 Prozent der eine Milliarde Inder sind Hindus. Nur rund 2,4 Prozent gehören der christlichen Minderheit an. [...] Bei seinem Besuch am Denkmal für den Widerstandskämpfer Mahatma Gandhi legte der Papst eine Gedenkminute für den Vorkämpfer des gewaltlosen Widerstands ein und legte einen Blumenkranz nieder. Der Tradition gemäß umrundete er das Monument barfuß. In das Gästebuch schrieb er sich mit den Worten ein: "Keine Kultur kann überleben, wenn sie versucht, andere auszuschließen." [...] (AFP)
[Lüdenscheider Nachrichten, 6. 11. 1999]

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Unvergesslicher Puppenspielnachmittag
König mit gelbrotem Etwas
PLAUEN. - Es lohnt sich, das Hally aufzusuchen, wenn Puppenspieler kommen. Am Samstag aber erlebten kleine wie große Gäste den Gestiefelten Kater auf spezielle Art, was den Besuch besonders lohnte. Gerd Kempe war aus Siebenlehn angereist. Ganz in Weiß und barfüßig sollte er die Szene betreten [...] Gerd Kempe: Erzähler, Schauspieler mit Doppelrolle, Synchronsprecher, Regisseur, Requisiteur, Bühnenarbeiter, Puppenführer - alles in einem, wie es in diesem Milieu der Brauch. - Er hielt sich zwar brav an die Grimmsche Fassung des Märchens, aber wie er es herüberbrachte, so etwas hatte der Besucher noch nicht erlebt. Oder hat schon Mal einer einen ganz normalen Handwagen gesehen, der zugleich Märchenschloss mit Königsthron inklusive Windmühle, Wassermühle, fürstliche Prachtkarosse gewesen wäre? [...] Verblüffend, wie unbekümmert Kempe alles auf offener Bühne vor seinem Publikum vollzog. Er weiß genau, wie Kinder ohne Bedenken von der nackten Realität ins Reich der Fantasie und wieder zurückwechseln können. Solch totale Einbeziehung wie bei ihm findet selbst der hartgesottenste Puppenspielfan nur selten [...] Die 45 Minuten waren nur ein Wimpernschlag. Wer wie Kempe fünf Jahre Studium an der Berliner Schauspielschule Fachbereich Puppenspiel genoss, und obendrein auf 17 Jahre Praxis zurückblicken kann, bürgt für ein Erlebnis der besonderen Art, nicht nur für kleine Kinder.
[Vogtland Anzeiger, 8. 11. 1999]

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«Alt Vaduz» auf dem Laufsteg
Begegnung Vaduz - Eschen - Gastfreundschaft während des 300-Jahrjubiläums
Ein «Gastspiel» besonderer Art erlebten «die Eschner» am vergangenen Samstagabend im Gemeindesaal. Die Vaduzer Frauen bedankten sich für erfahrene Gastfreundschaft im 300-Jahrjubiläum mit ihrer Modeschau «Es war einmal ...», womit sie auch den Bezug zum Dorfleben aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts herstellten.
Theres Matt Das aus 40 Mitgliedern bestehende Team der Brockenstube [...] verwirklichte eine Super-Idee: Mit all dem, was sich an Kleidungsstücken und Accessoires ansammelte, eine Modeschau herauszubringen. [...]
Models zwischen 10 und 85 Unter Glockengeläute stellte Inge Oehri die ehemalig gemessenen Schrittes zum sonntäglichen Hochamt ziehenden KirchgängerInnen vor, gekleidet in ihre «besten Stücke», feierlich schwarz, Männer, an hohen Festtagen oft ihre Hochzeitsanzüge tragend, Kinder in Sonntagskleidern. Danach folgte der Sonntagsspaziergang, voran die «Schesa»-stossende Nana, Buben barfuss, in Lederhosen, Frauen, angetan mit der «Sunntig-Schoss» [...] Originale wie «s'Krüterwible», «dr Köfferle Schädler», «d'Husierere met am Wägile», «dr Schära-Schliefer» traten auf, sowie Feldarbeiterinnen und Hüterbuben [...] Kaum zu beschreiben die Stimmung, der Applaus, den diese Modeschau mit kulturellem Hintergrund bewirkte [...]
[Liechtensteiner Volksblatt, 8. 11. 1999]

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O - Ton [...]
"Als Präsident werde ich nun Schuhe tragen müssen."
Abdurrahman Wahid, der neue Staatschef Indonesiens, zu seiner Vorliebe, barfuß auf dem Boden zu sitzen.
[Salzburger Nachrichten, 8. 11. 1999]
Ein klarer Fall für einen Staatsbesuch, Bruder Johannes !

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Die Balance gefunden
Achim Reichel auf der Suche nach Perspektiven
Der Mann zählt zum Urgestein des deutschen Rock'n'Roll [...] Sonntag stellte er im MAX sein "Milleniumsalbum sozusagen" vor - mit dem programmatischen Titel "Entspann Dich". Reichel entwickelte früh den Hang, neues Terrain zu erobern [...] Auf dem neuen Album vertont Reichel Erich Kästners "Die Entwicklung der Menschheit" und "Sa-Lo-Me" von Robert Stolz. Eine kleine Sensation ist ihm zudem mit der Entdeckung des Hobby- Dichters Sigfried Schreck gelungen. Von Schreck stammen die genialen Zeilen "An den Ufern Deiner blauen Augen / liegt ein wunderschöner Strand / Da zieh ich mir die Schuhe aus / und lauf barfuß durch den Sand." Der Stoff für eine heiter romantische Ballade. Das seien die kleinen Zufälle des Lebens, für die man offen sein müsse, meint Reichel. "Man schickt mir öfter mal Texte und Bücher. In diesem Fall war es ein Radiosender, der den dichtenden Kranführer Sigfried Schreck entdeckte, der zugleich ein großer Fan meiner Musik ist. Unter seinen Gedichten war dieser Text dabei, der mir sofort ins Auge sprang. Schreck war ganz glücklich, als sei er im Wunderland unterwegs." [...] Achim Reichel hat aus und für sein Leben folgendes Fazit gezogen: "Ich hab mir gesagt, versuch doch mal, die Balance aus allem zu finden - und dabei geht es mir eigentlich ziemlich gut." HENNING RICHTER [Kieler Nachrichten, 09. 11. 1999]

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Unchristlicher Kitsch
Reinhard Lüke
2000 JAHRE CHRISTENTUM, ARD. Klar, das fehlte noch. Im Rahmen des Amok laufenden Millennium-Fiebers auf deutschen Bildschirmen mit all den Retro-Reihen, die kaum noch einer zu zählen, geschweige denn zu gucken vermag, würde man am Christentum nicht vorbeikommen. Schließlich soll die Geburt jenes Nazareners ja irgendwie mit unserer Zeitrechnung zu tun haben. Aber anders als all die Jahrhundert-Rückblicke steht so eine Reihe natürlich vor dem Problem, das Medium Fernsehen mit Bildern zu füttern. Lebende Zeitzeugen und Archivaufnahmen der Anfänge des Christentums sind nun mal beim besten Willen nicht zu haben. Aber hier wollte Regisseur Georg Graffe offenbar aus der Not auf Teufel komm raus eine Tugend machen. So ließ er Hundertschaften von abenteuerlich gewandeten Komparsen durch den Wüstensand stapfen oder nackte Füße so pittoresk über ausgedörrte Böden gehen, dass man sich prompt bei einem Hochglanz-Spot für die Welthungerhilfe wähnte [...] Mit einer Reihe über die Geschichte des Christentums eine passable Quote einzufahren, mag ein schwieriges Unterfangen sein. Aber mit dieser kruden Mixtur aus "Schöner reisen" und den Passionsspielen von Oberammergau macht sich die ARD allenfalls lächerlich.
[Berliner Zeitung, 9. 11. 1999]

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JUNGES FORUM / Die Akteure kommen auf nackten Sohlen daher
Glückliche Mischung von Hintersinn und Spaß
Andi Lucas hat mit zwölf Jugendlichen das Bewegungstheater "Grenzgebiete" einstudiert
"Grenzgebiete" heißt ein Tanztheaterprojekt, das vom Jungen Forum des Ulmer Theaters realisiert worden ist. Die Produktion ist hervorragend gelungen - die jugendlichen Laiendarsteller verdienen weit mehr als nur begrenztes Lob.
HANSKARL VON NEUBECK Ganz erstaunlich: Da kommen junge Leute daher [...] und zeigen, wie man dynamisches Theater macht [...] Die Aufführung "Grenzgebiete" ist locker und unverkrampft, nicht kopf-, aber auch nicht beinlastig, eine glückliche Mischung von Hintersinn und vordergründigem Spaß. Bewerkstelligt hat das Andi Lucas, die Tanztheatermacherin aus Köln, die diese Aufführung mit einem bemerkenswerten Gespür für Spannungskurven und Stimmungsbögen gestaltet hat [...] Die Aufführung imponiert durch die Leichtfüßigkeit [...] Die Szenen kommen, wie die Akteure, auf nackten Sohlen daher. Alles läuft unaufwendig, quick. [...] Großer Jubel im Publikum.
[Suedwest Presse, 9. 11. 1999]
Bargrüßige Herbstfüße
Georg


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