Ein Barfußpark im Stuttgarter Forst als Politikum? (Hobby? Barfuß! 2)

Georg @, Monday, 08.11.1999, 20:18 (vor 9148 Tagen)

Hallo Forum,

ich verfolge weiterhin, was PAPERBALL zu unserem Thema zu bieten hat; es wird jahreszeitbedingt nicht unbedingt mehr und der Abstand zwischen den Presseschauen eher länger als kürzer.
Seit einigen Tagen beschäftigt ein möglicher Barfußpark im Stuttgarter Forst die dortigen Zeitungen :

1) Ein Park fürs Barfußvolk
Schuhe ausziehen, Strümpfe runter, ab geht's!
Barfuß durch den Wald. Es gilt allerdings die Örtlichkeit zu bedenken. Ein derart sinnliches Erleben ist zwar in Dornstetten - Hallwangen im Nordschwarzwald möglich, im Stuttgarter Forst behält man das feste Schuhwerk besser noch an. Er ist nicht für Barfüßler gerüstet, und KNITZ will die Zahl der Fußkranken nicht mutwillig erhöhen.
Immerhin gibt es den schönen Vorschlag des Försters und Noch - Stadtrats Manfred Eisele, im hiesigen Wald einen Barfuß - Park anzulegen. Einen Rundkurs von 2,4 Kilometern mit abwechslungsreichem Fühlprogramm für die Sohlen. Holz, Steine, Rindenmulch, Gras, Lehm, Wasser, kalt, warm, rund, eckig.
Nein, er hat bisher nicht die Zeit gehabt, den seines Wissens "erfolgreichen" Park in Dornstetten abzulaufen. Aber da sie ihm ja nun "den Stuhl vor die Rathaustür gesetzt'" haben, kann er das nachholen. Und falls sein Antrag bei der Stadt sowie dem Staatlichen Forstamt Gefallen fände, hätte er doch etwas Gutes fürs Gemeinwohl des Fußvolks hinterlassen. Und bei der Einweihung stehen ihm mindestens drei Ehrenrunden zu.
KNITZ schritt auch noch nie barfuß fürbass durch den Wald dahin. Da lag immer zu viel Sperriges im Weg. Die gestressten Füße tät so ein Befreiungslauf aber sicher freuen, wann haben sie schon direkten Kontakt mit Mutter Natur? Obwohl die Dornstetter Strecke ja nicht bloß rasenweiche Streicheleinheiten verspricht: Knüppelweg, Katzenkopfpflaster, Splitt, Lattenrost, Kies, Flußkiesel. Da muss man ihnen also Beine machen, die Vielfalt sind sie ja nicht gewöhnt. Und durch den Schlamm geht's auch, da müssen sie halt durch. Grad drum ist der sinnliche Rundlauf aber unbedingt zu empfehlen.
Die Füße werden es danken. Man steht hinterher sicher auf besserem Fuß mit ihnen.
[Stuttgarter Nachrichten, 3. 11. 1999]

Von der Gesamtaussage her ganz positiv, wie ich finde

2) Mal barbs drüber
[...] Was ist echtes Schwäbisch? Kann es auch ein eingeschwäbelter Türke? Und welchen Stellenwert hat das entschärfte Stuttgarter Verhunz-Schwäbisch? Darüber dürfte mit Sicherheit ein heftiger Streit unter Stammeskundlern und Mundartdichtern ausbrechen. Die Antwort ist also schätzungsweise frühestens in 287 Jahren zu erwarten.
Da steht dann allerdings der letzte Schwabe längst präpariert im Heimatmuseum. Und im Stuttgarter Forst graben Archäologen den Barfuß - Park aus. Ob der wohl jemals angelegt wird? Nun, Herr Karlheinz Gühne hätte nichts dagegen. Er hat einschlägige Erfahrungen, wie die Geschichte von 1950 aus seiner sächsischen Heimat beweist, als er mit dem "Kletterlehrer" Schöne im Elbsandsteingebirge unterwegs war. "In Ermangelung guter Kletterschuhe" stieg man barfuß und lief auch so über den Waldboden. Und da brach es aus dem Schöne hervor: "Da redn die Gödder vom Debbsch der Naddur - die wersch mal barbs hier drüber jachn!"
Wer's versteht, kann Sächsisch.
[Stuttgarter Nachrichten, 6. 11. 1999]

Wessen Sächsisch ist denn besser als meines und übersetzt "Debbsch" ... den Rest kann ich mir - glaube ich - zusammenreimen .... und ansonsten wird der Barfußpark m. E. hier tendentiell zum Spotthema gemacht

--

3) Stadtrat Eisele und der Antrag
Barfußtritt
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das sagt der Volksmund. Und er hat wie immer recht. Stadtrat Manfred Eisele, jahrelang FDP-, dann ganz kurz ÖDP- Stadtrat, hat jetzt den Schaden: Er ist nicht mehr in den Gemeinderat gewählt worden, obwohl er mit Abstand am meisten Stimmen bei den konservativen Ökologen holte.
Für den Spott wollen wir an dieser Stelle sorgen. Am 21. Oktober, drei Tage vor dem Wahltag, der ihm das Aus bescherte, stellte Manfred Eisele einen Antrag, der, weil Ordnung sein muss, als der 469. in diesem Jahr von der Stadt registriert worden ist. Das ist, zugegeben, nebensächlich. Wichtig aber ist: Manfred Eisele ist im Hauptberuf Förster. Neben seinem jahrelangen Antragskampf um eine Unterstehhalle auf dem Gaisburger Friedhof setzt (oder besser: setzte) er sich im Gemeinderat ganz besonders für den Stuttgarter Wald ein. Auch im Antrag 469/1999. Ein Barfußpark, schlägt Eisele vor, soll im Stuttgarter Forst eingerichtet werden; ein Parcours, um, wie er schreibt, "die Natur mit den Sinnen der Füße zu erfühlen".
Holz, Steine, Rindenmulch, Gras, Lehm, Wasser und Sand könnten in einem solchen Park im Nordschwarzwald (genauer: in Dornstetten - Hallwangen) barfuß begangen werden. Was offenbar nicht nur eine sinnliche Erfahrung für die Füße ist (nebenbei: wir machen sinnliche Erfahrungen mit den Füßen meistens mit dem im Gesicht platzierten Riechorgan), sondern, so Eisele, "nach Kneippschen Grundsätzen auch die Vitalität stärkt".
Wir wissen nicht, was der Oberbürgermeister auf Antrag 469/1999 antwortet. Wir sind aber für den Barfußpark. Schon weil er die Vitalität von Exstadträten stärkt. Nur bei der sinnlichen Erfahrung mit den Füßen sehen wir bei Exstadträten nun gar keinen Nachholbedarf: Der Fußtritt der Wählerschaft, so vermuten wir, dürfte schmerzlich genug sein. Ob er nun barfuß war oder nicht.
Von Thomas Durchdenwald © 1999 Stuttgarter Zeitung, Germany
[Stuttgarter Zeitung, 8. 11. 1999]
Offenbar ist Förster Eisele eine etwas umstrittene Politikgröße in Stuttgart. Den Artikel zum Thema verstehe ich aber nun ganz und gar nicht mehr als wohlwollendes Gefrotzel, er geht thematisch für mich schon arg in die Nähe der Gürtellinie.
Also, Stuttgarter Barfüßer : greift zu Feder, Briefblock oder Tastatur, verweist den Quatsch mit dem Riechorgan ins Reich der Schuhträgerfabeln und unterstützt Eiseles Initiative !

... wünscht sich jedenfalls
Georg

Ein Barfußpark im Stuttgarter Forst / Leserbrief

Kai @, Monday, 08.11.1999, 22:23 (vor 9148 Tagen) @ Georg

Hallo Forum,

auf Anregung von Georg, der mich per eMail auch nochmals auf die von ihm im Forum veröffentlichten Zeitungsartikel aufmerksam machte, habe ich gerade zwei Leserbriefe geschrieben. Sie sind im wesentlichen Wortlaut identisch. Mal sehen ob sie veröffentlicht werden.

Es grüßt
Kai

Leserbrief
Die Idee eines Barfußparks im Stuttgarter Forst ist zu gut um durch den journalistischen Kakao gezogen zu werden. Als jemand der selber den letzten Sommer über barfuß durch Stuttgart und sein Umland lief, kann ich den Antrag des Stadtrats a.D. Eisele nur unterstützen. Ein solcher Park ist eine gute Einrichtung um Menschen die Vorteile des Barfußgehens näher zu bringen und sollte nicht in der Verwaltungsschublade verschwinden. Und wie der Erfolg des Barfußparks in Dornstetten-Hallwang zeigt, wird eine solche Einrichtung auch gerne angenommen.
Mal ehrlich: die Bedenken gegen das Barfußlaufen kommen häufig nicht von außen, sie sind in unseren Köpfen: "Was werden die Leute über mich denken?" Die Erfahrung zeigt mir, dass meine Mitbürger/innen nur selten die Nase hochziehen, wenn ich ihnen barfuß gegenüberstehe. Die meisten können es sich einfach nicht für sich selbst vorstellen, die
Schuhe im Alltag wegzulassen. Insgesamt fallen die Reaktionen überwiegend positiv aus.

In den letzten Jahren finden immer mehr Menschen Spaß daran und den Mut, sich auch außerhalb der Urlaubszeit und fernab von sandigen Stränden barfuß fortzubewegen oder wenigstens ohne Socken in die Schuhe zu steigen. Bei den einen ist es die pure Freude an dieser Sinnlichkeit, andere wollen einfach ihren geschundenen Füßen etwas Gutes tun.
Gefährlich, kalt, ungesund: Das sind wohl die häufigsten Assoziationen zum Thema "Nackte Füße". Natürlich ist die Fußsohle eines Barfüßers schmutziger als die eines Beschuhten. Aber der Vergleich hinkt: der Schuhträger bringt in seinen Sohlen - vor allen wenn sie ein Profil aufweisen - sicher mehr Dreck mit nach Hause als der Barfußläufer! Auch die Gefahr von Glasscherben wird maßlos überschätze und erkälten tut man sich nicht durch eine trockene, gut durchblutete Fußsohle.
Viele Beschwerden von Schuhträgern bleiben dem Barfüßer erspart: Blasen, Druckstellen, Überbeine, Hühneraugen und vor allem langwierige Knöchelverletzungen durch das Umknicken in Schuhen mit dicken Sohlen oder hohen Absätzen!

Und wie sagte schon Gevatter Kneipp: "Das natürlichste und einfachste Abhärtungs-Mittel besteht im Barfußgehen. Dieses kann, entsprechend den verschiedenen Ständen und Lebensaltern, auf mannigfaltigste Weise geübt werden."

Leserbrief

Georg @, Thursday, 11.11.1999, 18:02 (vor 9145 Tagen) @ Kai

Hi Kai,

[...] habe ich gerade zwei Leserbriefe geschrieben. Sie sind im wesentlichen Wortlaut identisch. Mal sehen ob sie veröffentlicht werden

Wie schaut’s denn ? Hast Du schon die erste Veröffentlichung entdeckt ?
(Ich nehme an, daß Leserbriefe von Paperball nicht erfasst werden)

Fuß zum Gruß
Georg

Leserbrief

Kai @, Thursday, 11.11.1999, 20:45 (vor 9145 Tagen) @ Georg

Hi Georg,

[...] habe ich gerade zwei Leserbriefe geschrieben. Sie sind im wesentlichen Wortlaut identisch. Mal sehen ob sie veröffentlicht werden

Wie schaut’s denn ? Hast Du schon die erste Veröffentlichung entdeckt

bis jetzt habe ich keinen gesehen. Nach meiner Erfahrung dauert es aber auch häufig 1-3 Wochen zwischen Brief und Veröffentlichung. Die eine Zeitung (Stuttgarter Nachrichten) lese ich eh nicht, so dass ich von einer Veröffentlichung nichts erfahren werde.

Grüße
Kai

Hab mich auch nicht lumpen lassen ....

Lorenz ⌂ @, Tuesday, 09.11.1999, 17:30 (vor 9147 Tagen) @ Georg

... und den folgenden Leserbrief an die Redaktion der Stuttgarter Zeitung gemailt:

Ein Plädoyer für Barfußpfade

zu "Barfußtritt" am 8.11.99

Der Berichterstattung über den Vorschlag eines Barfuß-Erlebnispfads im Stuttgarter Stadtforst möchte ich einige Fakten hinzufügen. So sind Fußschäden mit häufigen Folgeleiden an Knien und Bandscheiben ein kostspieliges Zivilisationsleiden, von dem 60 % der Erwachsenen betroffen sind. Da sie bei ihrer Geburt - so sagt die Statistik - noch zu 98 % gesunde Füße hatten, ist dies durch das Tragen zu enger Schuhe und fehlendes Training der Fußmuskulatur verursacht. Und das ist Barfußgehen auf abwechslungsreichem Naturboden bekanntermaßen eine wirksame Möglichkeit der Abhilfe.

Herr Durchdenwald schreibt in seiner Glosse "Barfußtritt", daß man die Füße meist mit dem Riechorgan sinnlich wahrnimmt. Es ist die traurige Wahrheit, daß solcher Verwesungsgeruch entsteht, wenn man seine Füße den ganzen Tag in zu enge Schuhe zwängt - wie der Einsiedlerkrebs sein degeneriertes Hinterteil in ein Schneckenhaus. Unsere Nase lehrt uns also, wie falsch dies ist, jetzt gilt es nur noch, es besser zu machen!

Da unser städtischer Lebensraum in erster Linie autogerecht gestaltet ist, findet sich viel zu selten ein fußgerechter Untergrund. Immer wieder raten Orthopäden fußschwachen Kindern zum regelmäßigen Barfußlaufen; doch sie müssen passen, wenn man fragt, wo dies möglich sei. Deshalb stoßen Barfußparks, wie sie schon an mehreren Orten Deutschlands eingerichtet wurden, auf große Resonanz bei der Bevölkerung und Unterstützung durch die Ärzteschaft. Da Rücken- und Gelenkleiden jährlich Milliardenbeträge verschlingen, ist es sehr begrüßenswert, wenn derartige Einrichtungen im Naherholungsbereich großer Städte geschaffen werden. Stuttgart sollte nicht zögern, diese Idee aufzugreifen, da ja offensichtlich ein geeignetes Areal zur Verfügung steht.

Ich denke, gerade so eine schlappe Glosse wie von Herrn Durchdenwald ist eine Chance, den Lesern zu zeigen, daß durchaus auch kompetente Aussagen zu Thema Barfußpfad möglich sind!

Serfuß, Lorenz

P.S.: Georg, vielen Dank für die Wachsamkeit bei der Verfolgung der "Barfußpresse"!

[image] Barfußlaufen in der Natur

Hab mich auch nicht lumpen lassen ....

Kai @, Tuesday, 09.11.1999, 18:52 (vor 9147 Tagen) @ Lorenz

... und den folgenden Leserbrief an die Redaktion der Stuttgarter Zeitung gemailt:

Hallo Lorenz,

na wenn das mal kein Training für die Öffentlichkeitsarbeit im nächsten Frühjahr ist! So langsam haben wir dann ja auch einen Grundstock an Pressemitteilungen, die wir dann für die Barfuss-Kampagne "Barfuss 2000" (wie findet ihr den Titel?) verwenden können.

Es grüße
Kai

Debbsch

unci @, Friday, 12.11.1999, 20:39 (vor 9144 Tagen) @ Georg

Und da brach es aus dem Schöne hervor: "Da redn die Gödder vom Debbsch der Naddur - die wersch mal barbs hier drüber jachn!"
Wer's versteht, kann Sächsisch.
[Stuttgarter Nachrichten, 6. 11. 1999]
Wessen Sächsisch ist denn besser als meines und übersetzt "Debbsch" ... den Rest kann ich mir - glaube ich - zusammenreimen

Mein Passivsäggsch reicht wohl aus, um im Debbsch den Teppich zu erkennen. :)

Gruß von wo noch kein Schnee liegt.

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