Ein Barfußpark im Stuttgarter Forst als Politikum? (Hobby? Barfuß! 2)

Georg @, Monday, 08.11.1999, 20:18 (vor 9083 Tagen)

Hallo Forum,

ich verfolge weiterhin, was PAPERBALL zu unserem Thema zu bieten hat; es wird jahreszeitbedingt nicht unbedingt mehr und der Abstand zwischen den Presseschauen eher länger als kürzer.
Seit einigen Tagen beschäftigt ein möglicher Barfußpark im Stuttgarter Forst die dortigen Zeitungen :

1) Ein Park fürs Barfußvolk
Schuhe ausziehen, Strümpfe runter, ab geht's!
Barfuß durch den Wald. Es gilt allerdings die Örtlichkeit zu bedenken. Ein derart sinnliches Erleben ist zwar in Dornstetten - Hallwangen im Nordschwarzwald möglich, im Stuttgarter Forst behält man das feste Schuhwerk besser noch an. Er ist nicht für Barfüßler gerüstet, und KNITZ will die Zahl der Fußkranken nicht mutwillig erhöhen.
Immerhin gibt es den schönen Vorschlag des Försters und Noch - Stadtrats Manfred Eisele, im hiesigen Wald einen Barfuß - Park anzulegen. Einen Rundkurs von 2,4 Kilometern mit abwechslungsreichem Fühlprogramm für die Sohlen. Holz, Steine, Rindenmulch, Gras, Lehm, Wasser, kalt, warm, rund, eckig.
Nein, er hat bisher nicht die Zeit gehabt, den seines Wissens "erfolgreichen" Park in Dornstetten abzulaufen. Aber da sie ihm ja nun "den Stuhl vor die Rathaustür gesetzt'" haben, kann er das nachholen. Und falls sein Antrag bei der Stadt sowie dem Staatlichen Forstamt Gefallen fände, hätte er doch etwas Gutes fürs Gemeinwohl des Fußvolks hinterlassen. Und bei der Einweihung stehen ihm mindestens drei Ehrenrunden zu.
KNITZ schritt auch noch nie barfuß fürbass durch den Wald dahin. Da lag immer zu viel Sperriges im Weg. Die gestressten Füße tät so ein Befreiungslauf aber sicher freuen, wann haben sie schon direkten Kontakt mit Mutter Natur? Obwohl die Dornstetter Strecke ja nicht bloß rasenweiche Streicheleinheiten verspricht: Knüppelweg, Katzenkopfpflaster, Splitt, Lattenrost, Kies, Flußkiesel. Da muss man ihnen also Beine machen, die Vielfalt sind sie ja nicht gewöhnt. Und durch den Schlamm geht's auch, da müssen sie halt durch. Grad drum ist der sinnliche Rundlauf aber unbedingt zu empfehlen.
Die Füße werden es danken. Man steht hinterher sicher auf besserem Fuß mit ihnen.
[Stuttgarter Nachrichten, 3. 11. 1999]

Von der Gesamtaussage her ganz positiv, wie ich finde

2) Mal barbs drüber
[...] Was ist echtes Schwäbisch? Kann es auch ein eingeschwäbelter Türke? Und welchen Stellenwert hat das entschärfte Stuttgarter Verhunz-Schwäbisch? Darüber dürfte mit Sicherheit ein heftiger Streit unter Stammeskundlern und Mundartdichtern ausbrechen. Die Antwort ist also schätzungsweise frühestens in 287 Jahren zu erwarten.
Da steht dann allerdings der letzte Schwabe längst präpariert im Heimatmuseum. Und im Stuttgarter Forst graben Archäologen den Barfuß - Park aus. Ob der wohl jemals angelegt wird? Nun, Herr Karlheinz Gühne hätte nichts dagegen. Er hat einschlägige Erfahrungen, wie die Geschichte von 1950 aus seiner sächsischen Heimat beweist, als er mit dem "Kletterlehrer" Schöne im Elbsandsteingebirge unterwegs war. "In Ermangelung guter Kletterschuhe" stieg man barfuß und lief auch so über den Waldboden. Und da brach es aus dem Schöne hervor: "Da redn die Gödder vom Debbsch der Naddur - die wersch mal barbs hier drüber jachn!"
Wer's versteht, kann Sächsisch.
[Stuttgarter Nachrichten, 6. 11. 1999]

Wessen Sächsisch ist denn besser als meines und übersetzt "Debbsch" ... den Rest kann ich mir - glaube ich - zusammenreimen .... und ansonsten wird der Barfußpark m. E. hier tendentiell zum Spotthema gemacht

--

3) Stadtrat Eisele und der Antrag
Barfußtritt
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das sagt der Volksmund. Und er hat wie immer recht. Stadtrat Manfred Eisele, jahrelang FDP-, dann ganz kurz ÖDP- Stadtrat, hat jetzt den Schaden: Er ist nicht mehr in den Gemeinderat gewählt worden, obwohl er mit Abstand am meisten Stimmen bei den konservativen Ökologen holte.
Für den Spott wollen wir an dieser Stelle sorgen. Am 21. Oktober, drei Tage vor dem Wahltag, der ihm das Aus bescherte, stellte Manfred Eisele einen Antrag, der, weil Ordnung sein muss, als der 469. in diesem Jahr von der Stadt registriert worden ist. Das ist, zugegeben, nebensächlich. Wichtig aber ist: Manfred Eisele ist im Hauptberuf Förster. Neben seinem jahrelangen Antragskampf um eine Unterstehhalle auf dem Gaisburger Friedhof setzt (oder besser: setzte) er sich im Gemeinderat ganz besonders für den Stuttgarter Wald ein. Auch im Antrag 469/1999. Ein Barfußpark, schlägt Eisele vor, soll im Stuttgarter Forst eingerichtet werden; ein Parcours, um, wie er schreibt, "die Natur mit den Sinnen der Füße zu erfühlen".
Holz, Steine, Rindenmulch, Gras, Lehm, Wasser und Sand könnten in einem solchen Park im Nordschwarzwald (genauer: in Dornstetten - Hallwangen) barfuß begangen werden. Was offenbar nicht nur eine sinnliche Erfahrung für die Füße ist (nebenbei: wir machen sinnliche Erfahrungen mit den Füßen meistens mit dem im Gesicht platzierten Riechorgan), sondern, so Eisele, "nach Kneippschen Grundsätzen auch die Vitalität stärkt".
Wir wissen nicht, was der Oberbürgermeister auf Antrag 469/1999 antwortet. Wir sind aber für den Barfußpark. Schon weil er die Vitalität von Exstadträten stärkt. Nur bei der sinnlichen Erfahrung mit den Füßen sehen wir bei Exstadträten nun gar keinen Nachholbedarf: Der Fußtritt der Wählerschaft, so vermuten wir, dürfte schmerzlich genug sein. Ob er nun barfuß war oder nicht.
Von Thomas Durchdenwald © 1999 Stuttgarter Zeitung, Germany
[Stuttgarter Zeitung, 8. 11. 1999]
Offenbar ist Förster Eisele eine etwas umstrittene Politikgröße in Stuttgart. Den Artikel zum Thema verstehe ich aber nun ganz und gar nicht mehr als wohlwollendes Gefrotzel, er geht thematisch für mich schon arg in die Nähe der Gürtellinie.
Also, Stuttgarter Barfüßer : greift zu Feder, Briefblock oder Tastatur, verweist den Quatsch mit dem Riechorgan ins Reich der Schuhträgerfabeln und unterstützt Eiseles Initiative !

... wünscht sich jedenfalls
Georg


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