Bericht zur Barfußwanderung der "Jugend" des Schwäbischen Albvereins (SAV) (Hobby? Barfuß! 2)
Ich bitte um Verzeihung für die viermonatige Verspätung. Ich hatte schlicht und ergreifend drauf vergessen. Georg hat mich Anfang September angemahnt, als ich dann wirklich keine Zeit mehr hatte. Und jetzt erst komme ich - nach erneuter Erinnerung durch Georg - dazu.
Am 20.06.1999 um 13 Uhr 30 trafen sich etwa 25 Leute zwischen 8 und 88 Jahren (Deshalb Jugend in Gänsefüßchen) am Bahnhof in Geislinge an der Steige. Die Mehrzahl der Leute kam per Bahn und alle - mich eingeschlossen - hatten auf der Anreise Schuhe an. Die Teilnehmer kamen z.T. bis aus Spaichingen, also 200 km weit angereist.
Der Organisator Rainer Ungermann ist im SAV für ungewöhnliche Aktionen bekannt, z.B. finden unter seiner Obhut Überquerungen der Schwäbischen Alb innerhalb eines Tages (im Oktober, nicht am 21. Juni), nächtliche Winterwanderungen, Eisbaden uvam. statt.
Die mutixten (z.B. alle Kinder) zogen gleich am Stadtrand ihre Treter aus. Die lieben Kleinen waren auch die ersten, die sie vorerst wieder anhatten. Es ging nämlich die alte Weiler Steige hinauf, und die war einige Tage zuvor mit faustgroßem Schotter neu gedeckt worden. Nur die Straßenwalze ist noch nicht gefahren. Kein Wunder, denn der feinere Schotter war ja noch nicht drauf.
Nach etwa 1,5 km war feierliche Eröffnung der Wanderung. Wer die Schwäbische Alb nicht kennt, sollte wissen, daß es sich hierbei nicht um ein Mittelgebirge wie Odenwald, Bergisches Land oder Schwarzwald mit mehr oder weniger großen aber i.d.R. nicht sehr steilen Hügeln handelt, sondern um ein Stufengebirge mit einem 250-450 Meter hohen, sehr steilen (35 - 50 Grad) Rand (das ist etwa mit der Neigung der Schutthänge im Allgäu vergleichbar) und einer nahezu topfebenen Hochebene.
Der Albtrauf, die "Kante" zwischen Hochfläche und Rand (Traufhang) bietet viele wunderschöne Aussichtspunkte mit faszinierenden Tiefblicken und auch immer ordentlich Wind (im Sommer , im Winter aber (( ).
Einige Wanderwege verlaufen parallel der Höhenlinien am Traufhang. Diese sind oftmals sehr schmal und verlangen dem Ungewohnten ein gewisses (wenn auch nicht übermäßiges) Maß an Trittsicherheit ab. Lediglich die Bewaldung verhindert auf diesen Wegen einen furchteinflößenden Blick nach unten. Daß diese Sicherheit täuschen kann, wird einem spätestens dann klar, wenn man seinen Rucksack unachtsam abstellt .
Einige Tage zuvor hatte es ziemlich heftig (das ist dort häufig) und lange (das ist dort eher selten) geregnet, und der schmale Weg, der Auftakt unserer schönen Tour war, war ziemlich glatt. So konnten wir es den 5 älteren Teilnehmerinnen nicht übelnehmen, daß sie die Wanderung mit Schuhen fortsetzten.
Zumal sie sich die letzten Jahre offensichtlich nur oben oder unten, nicht aber dazwischen bewegten. Eine mußte noch ziemlich bestimmt dazu aufgefordert werden, den Gummistöpsel vom Wanderstock zu ziehen und den letzteren entweder auf die Talseite zu nehmen (bei den vielen Serpetinen im 10-Meter Abstand ein umständliches Verfahren) oder von seinem Einsatz abzusehen.
Nach einer halben Stunde ging es dann durch den kleinen Stadtteil Weiler ob Helfenstein auf die Hochfläche. Rainer suchte die Strecke recht barfußfreundlich aus, es gab überwiegend Wiesenwege, fast kein Asphalt, einige (jedoch angenehm begehbare) Forststraßen, jede Menge warme Pfützen, die die lieben Kleinen zu allerlei Unfug anregten (z.B. mit beiden Füßen reinhüpfen, daß jeder im Umkreis von 10 Metern von oben bis unten mit Schlamm bedeckt war.
Das Gras stand z.T. so hoch, daß sich die Kinder darin aufrecht stehend verstecken konnten und die vorbeigehenden Wanderer mit spitzigen Halmen kitzelten.
Den Bursche, der es übertrieb, (er steckte mir einen Halm ins Ohr) wurde zuerst mal in der nächste Pfütze gebadet, was ihm allerdings wohl eher noch Spaß machte. Nachdem der rotzfreche (sonst aber unheimlich liebenswerte) Bengel keine Ruhe geben wollte und anfing, mir Beine zu stellen, bekam er einen Schubs in ein Feld mit (für ihn) mannshohen Brennnesseln. Er hat es mir zwar nicht so sehr übelgenommen, aber er spielte danach wenigstens keine Streiche mehr. Außerdem konnten wir ihn überzeugen, daß das gesund ist.
Bei angenehm lauwarmen Wetter ging es dann noch auf den Ödenturm. Anstelle einer öden und zugigen Aussichtsplattform gibt es dort ein sehr schön eingerichtetes Turmzimmer. Die "Türmerin" staunte nicht schlecht, als sie 20 nacktfüßige Leute die Treppe hochkommen sah, ging aber nicht näher darauf ein.
Danach ging es den gleichen schmalen Weg am Traufhang entlang, den wir am Anfang schon gekommen sind, zurück zum Schuhplatz.
Dort gab es noch eine böse Überraschung: Rainer Ungermann hatte nämlich (als Einziger) seine (nicht gerade billigen) Schuhe an der dortigen Aussichtskanzel stehen lassen. Und jetzt waren sie weg. Den Schotterweg runterlaufen ging ohne Schuhe nicht. Deshalb war dann noch ein längerer Umweg zum Bahnhof nötig. Trotz seiner bis halb an die Knie verschlammten Beine gab es dann auch keine Beschwerde vom Fahrer des Busses, der ihn zurück nach Beimerstetten brachte.
Gegen 18 Uhr waren wir wieder alle am Heimweg.
Leider konnte die Wanderung wegen extremen Schotters nicht auf die andere Seite der Stadt Geislingen gelegt werden, diese Seite bietet nämlich ständig Aussicht auf die Geislinger Steige, Europas erste Gebirgsbahn, die auf einer Strecke von knapp 6 km 123 Meter überwindet. Es ist faszinierend, zu beobachten, wie sich die Züge endlosen Schlangen gleich am Hang entlangwinden. Die Geislinger Steige galt als Referenzobjekt für den späteren Bau der Schwarzwald- und Brennerbahn, die Krönung des Lebenswerks Robert Gerwigs.
Bei interessanten botanischen und geologischen Vorträgen einiger Teilnehmer einerseits und dem Genuss der schönen Natur und der Aussichten andererseits vergaß man, daß man zu einer besonderen Wanderung aufgebrochen ist. Eigentlich könnte man sowas öfters mal machen.
So und nun dikutiert mal schön.
Gruß
Rainer