Hoffentlich stimmt das nicht... (Hobby? Barfuß! 2)

Wilhelm, Friday, 08.10.1999, 09:09 (vor 9114 Tagen)

Eine Bekannte sagte doch vor kurzem zu mir, daß barfußlaufen nur gesund wäre, wenn man eine optimale Körperhaltung hat und keinerlei Fehlstellungen oder sonstige Beschwerden an den Füßen. Ansonsten wäre es sogar ausgesprochen schädlich.

Das stimmt doch nicht - oder? Ich dachte immer, es wäre immer gesund. Nicht daß ich irgendwelche Beschwerden hätte aber interessieren würde es mich doch...vielleicht weiss ja jemand von euch was...

Gruss,

Wilhelm

Ich meine, es stimmt nicht

Georg @, Friday, 08.10.1999, 12:55 (vor 9114 Tagen) @ Wilhelm

Hallo Wilhelm,

ich bin kein Arzt und erst recht kein Orthopäde und kann mich deshalb "nur" auf meine eigenen Erfahrungen und meine "angelesenen" (Er-) Kenntnisse beziehen.
Der menschliche Fuß besteht wesentlich aus Knochen, Sehnen und Bändern/ Muskeln. Sie alle lassen sich im Grunde trainieren, mit Abstand am besten die Bänder / Muskeln.
Die natürliche Lebensart eines Menschen, der von Anfang an barfuß läuft, sorgt dafür, daß die erforderlichen Trainingseffekte sich ganz von allein einstellen und sich der Fuß - und auf ihm aufbauend auch die gesamte Haltung - optimal entwickelt.
Daß es bei den allermeisten Mitteleuropäern heute ganz anders ist, liegt an den verbildenden Effekten des Schuhetragens und am Bewegungsmangel, der aus den Gegebenheiten der meisten Berufe und unserer Bequemlichkeit resultiert.
Im zeitweisen Barfußlaufen steckt unzweiflig die Chance, die negative Entwicklung aufzuhalten und sogar umzukehren. Ich habe vor einiger Zeit einen solchen Effekt im Zusammenhang meines zum "Umknicken" neigenden linken Fußgelenks im Forum beschrieben und beobachte auch mit Vergnügen, daß sich mein Fußgewölbe (das übergewichtige Großstadtkind aus Köln hatte selbstverständlich seinen Senkfuß) immer deutlicher ausprägt.
Trotzdem mag Deine Bekannte mit ihrer Aussage nicht ganz falsch liegen :
erstens ist in der Wissenschaft ziemlich unbestritten, daß sich die aufbauenden Effekte vor allem beim Gehen auf Naturböden einstellen - die Fußgängerzone ist gesundheitsbezogen nicht gerade erste Wahl -
und zweitens wird es - wie bei jedem Training - darauf ankommen, die richtige Dosierung in Hinblick auf die Ausgangslage / vorliegende Schädigung zu wählen - jedenfalls wenn diese sehr ausgeprägt ist.
Leider haben viele Orthopäden von heute allerdings schon bei Kindern und Jugendlichen wenig Sinn für die Selbstheilkräfte der Natur und für (Kranken-) Gymnastik und Barfußlaufen, sondern verordnen lieber Einlagen, die das geschwächte bzw. geschädigte Fußgewölbe mechanisch hochdrücken - und fertig.
Wir müßten mal einen barfußfreundlichen Mediziner finden, der die Sache in unserem Sinne theoretisch untermauert ...
Ich hoffe, Deine Frage zumindest im Ansatz beantwortet zu haben, wünsche Dir weiter viel Spaß beim Barfußlaufen im Herbst und freue mich auf die versprochenen Berichte über die letzten drei Monate !
Serfuß
Georg

PS : Übrigens habe ich vor einiger Zeit in der Zeitschrift "Brigitte" - meine Frau liest die - einen umfangreichen Bericht über Schadstoffe im Gemüse gesehen - man glaubt ja gar nicht, wie ungesund das Essen von Gemüse ist ... Und was lernt uns das ? Richtig! Man findet heutzutage ohnehin fast nichts mehr, wo nicht mindestens einer ganz genau weiß, wie ungesund das ist ...

Bei mir stimmt es ganz und gar nicht!

Lorenz ⌂ @, Friday, 08.10.1999, 20:08 (vor 9114 Tagen) @ Wilhelm

Hallo Wilhelm,

"Wer durch des Argwohns Brille schaut, sieht Raupen selbst im Sauerkraut!"

Eine Bekannte sagte doch vor kurzem zu mir, daß barfußlaufen nur gesund wäre, wenn man eine optimale Körperhaltung hat und keinerlei Fehlstellungen oder sonstige Beschwerden an den Füßen. Ansonsten wäre es sogar ausgesprochen schädlich.
Das stimmt doch nicht - oder? Ich dachte immer, es wäre immer gesund. Nicht daß ich irgendwelche Beschwerden hätte aber interessieren würde es mich doch...vielleicht weiss ja jemand von euch was...

Hat Deine Bekannte hierzu ein profundes Wissen oder Erfahrung mit Barfußlaufen? Oder ein sicheres Vorurteil als Angehörige der barfußintoleranten Fraktion?

Meine Erfahrung ist eine ganz andere. Bei mir wurde schon in der Kindheit die Diagnose "Knicksenk- und Spreizfuß" gestellt. Einlagen tragen, viel Barfußgehen und Fußgymnastik war der Rat des Arztes. Die Einlagen waren mir unerträglich, also habe ich umsomehr die beiden anderen Anweisungen berücksichtigt.

Es zeigte sich, daß Barfußlaufen auf Naturboden die Fußmuskulatur ungemein kräftigt, wodurch meine Zehen an steilen Hängen kräftig zupacken können und die Fußwölbung wieder Formen angenommen hat. Und ich stelle immer wieder fest, daß meine Bandscheibenbeschwerden (von suboptimaler Körperhaltung herrührend) durch Barfußgehen vergehen -- und das ist exakt das Gegenteil von dem, was Deine Bekannte vermutet! Viele meiner Altersgenossen waren wegen Bandscheibenleiden schon unter dem Messer des Chirurgen -- und die Schuhe haben sie nicht davor gerettet.

Sich den ganzen Tag lang die Füße auf hartem, brettebenen Boden plattstehen, das mag schädlich sein -- ob barfuß oder mit Schuhen ist dabei wohl egal, und das Tragen von Einlagen kann da durchaus von Nutzen sein! Und wenn ein durch jahrelangen Bewegungsmangel geschwächter Fuß plötzlich von null auf hundert (z.B. durch barfüßiges Gelände-Jogging) belastet wird, kann es schon zu schädlicher Überlastung kommen. Man sollte sich als Neueisteiger allmählich in die ungewohnten Bewegungsabläufe hineinfinden und langsam steigern, dann wüßte ich nicht, worin das Risiko bestehen sollte.

Ich wünsche weiterhin Genuß ohne Reue beim gefühlsechten Gehen!

Serfuß, Lorenz

[image] Barfußlaufen in der Natur

Nachtrag

Lorenz, Saturday, 09.10.1999, 19:39 (vor 9113 Tagen) @ Lorenz

Hallo miteinander,

Eine kuriose Stilblüte ist mit mit dem Titel des vorhergehenden Postings gelungen. Sollte es zutreffen, daß es bei mir "ganz und gar nicht stimmt", so könnte man natürlich meine Erfahrungen nicht auf den "normalen" Menschen übertragen.....

Jedenfalls kommen die Menschen zu 98 % mit normalen Füßen auf die Welt -- habe ich gelesen. Und dann wachsen sie heran, oft mehr als 10 cm und drei Schuhgrößen im Jahr. Die Muskeln wachsen bei dem heute vorherrschenden Bewegungsmangel nicht mit, am wenigsten an den durch Schuhe und brettebene Böden ruhiggestellten Füßen. Und der ganz normale und richtig entwickelte Fuß kann bald das Fußgewölbe nur noch kurzzeitig aus eigener Kraft halten. Diese weitverbreitete Fußschwäche ist noch keine Verkrüppelung, die Bedenken gegenüber dem Barfußlaufen rechtfertigen würde (so etwas kann allerdings durch ungesundes Schuhwerk schnell entstehen). Es ist eine Frage des Trainings, den Fuß wieder in Form zu bringen. Den guten Effekt des Barfußlaufens, den ich aus Erfahrung schildere, können sicher die meisten Menschen erzielen.

Schwerere. schmerzhafte Schäden an Füßen, Knien und Rücken erfordern dagegen ärztliche Behandlung, Heilgymnastik, Einlagen etc. -- es wäre sicher nicht richtig, den wirklich Fußkranken das Barfußgehen als Allheilmittel verkaufen zu wollen. Sie müssen es sich ganz behutsam wieder erarbeiten -- unter heilgymnastischer Anleitung.

Schmerz ist ein Warnsignal vor Überlastung -- wenn man sich beim Barfußgehen wohlfühlt, betrachte ich es dagegen als ein gutes Zeichen. Das Lustprinzip als Gesundheitsprinzip wäre die richtige Philosophie.

Serfuß, Lorenz

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