Kleine Anläufe III: Barfuß zur Tagung (Hobby? Barfuß! 2)

Kai ⌂ @, Monday, 19.07.1999, 22:29 (vor 9194 Tagen)

Hi zusammen,

letztes Wochenende fuhr ich auf eine Tagung bei der ev. Akademie in
Tutzing. Nach den Barfuß-Erfahrungen der letzten Wochen war auch
relativ schnell klar, daß ich das Wochenende im Wesentlichen (vielleicht
sogar ganz) barfuß verbringen wollte.

Gedacht, nochmals darüber nachgedacht .... getan! Barfuß
ging es mit der S-Bahn nach Stuttgart - die ersten etwas erstaunten Blicke
einiger Jugendlicher, aber keine Kommentare. Im Zug nach München sahen
einige Leute im EC schon etwas verwunderter aus. Ich kann da die Fahrgäste
schon verstehen: Es wirkt in einem klimatisierten Großraumwagen wirklich
etwas ungewohnt, einen Erwachsenen in ansonsten "normaler" Kleidung barfuß
zu sehen, insbesondere wenn dieser beim Verlassen des Platzes nicht etwa
einfach die vermeintlich ausgezogenen Schuhe wieder anzieht, sondern barfuß
durchs Abteil "stiefelt". Vor einigen Monaten hätte ich mir da sicher
auch den einen oder anderen befremdlichen Gedanken gemacht.

Meine Freundin, bereits vorausgefahren, erwartete mich in München-Pasing,
von wo aus wir dann die Regionalbahn nach Tutzing nahmen. Sie ist meine
Barfüßigkeit zwar schon so langsam gewohnt, daß ich barfuß
auf Reise gehe war aber dann doch etwas ungewohnt für sie (und für
mich zugegebenermaßen auch!). Aber sie läßt mir da meinen
Willen und ich ihr ihren. Sie fragt mich nur immer, ob der Boden nicht
unangenehm (Kies, Splitt) wäre oder zu heiß. Ansonsten hat sie
keine Probleme damit, einen Barfüßer neben sich zu haben.

Bei der Tagung waren dann etwa 80 TeilnehmerInnen, ca. 4/5 Frauen, die
meisten unter 35. Mit Ausnahme einiger, die am See die Schuhe auszogen
(Tutzing liegt am Starnberger See, südlich von München), war
ich der einzige Barfüßer wähend des ganzen Wochenendes.
Sehr viele trugen allerdings sockenlos Sandalen, ließen sich aber
nicht von mir anstecken, die Schuhe ganz auszuziehen. Die Männer trugen
dafür in der Mehrzahl normale Straßenschuhe und Socken, also
so ziemlich das Gleiche, was sie vermutlich auch im Herbst und Winter bei
einer solchen Tagung getragen hätten wenn es deutlich kälter
wäre. Deren Füße dürften ganz schön dampfgegart
worden sein.

Natürlich fiel ich barfüßig auf und es sprachen mich
auch mehrere Leute an. Ich hatte aber den Eindruck, daß Barfußlaufen
etwas in die Rubrik "skuril" fiel, nicht aber als realistische Geh-Alternative
angesehen wurde. Netterweise wurde ich aber bei Gesprächen in den
Kaffepausen im Freien hin und wieder gefragt, ob ich mich lieber auf die
Wiese stellen möchte, anstatt auf dem Kiesweg zu stehen. Auch wenn
die Wiese deutlich bequemer als der Kiesweg war, schlug ich diese netten
Angebote meistens aus - irgendwo wollte ich ja auch demonstrieren, daß
Barfußlaufen eben nicht nur für die Wiese, den Strand oder das
Wohnzimmer taugt, sondern durchaus alltagstauglich ist.

Für die Modeinteressierten: Ich trug ansonsten übrigens eine
weiße Jeans und kurzärmliche Hemden. Ich hatte zwar zuerst eine
kurze Hose anziehen wollen, fand aber dann für die Tagung eine lange
Hose passender. Außerdem war damit auch klar, daß ich barfuß
nicht aus temperaturgründen ging.

Ich hatte es früher schon mal geschrieben: junge Frauen scheinen
im Gegensatz zu den späten Achtziger / frühen Neunziger Jahren
deutlich barfußskeptischer zu sein, einhergehend mit einem gestiegenen
Modebewußtsein. Die Beobachtung einiger Forumsteilnehmer/innen, daß
mehr Männer als Frauen barfuß gesehen werden, bestätigte
sich in den Reaktionen der Tagungsteilnehmer/innen (auch wenn die Stichprobe
durch den deutlich höheren Frauenanteil verzerrt ist).

Auch schien mir, daß etwas ältere Leute (hier meine ich
jetzt Leute jenseits der 40, also ca. 10 Jahre älter als ich) deutlich
legerer auf meine Barfüßigkeit reagierten, sie überwiegend
negierten.

Insgesamt verbrachte ich ein sehr angenehmes Barfuß-Wochenende
bei dieser Tagung. Wie in einem kleinen Dorf kannte bald jede/r jede/n
und meine Barfüßigkeit wurde offensichtlich als Teil meiner
Persönlichkeit angesehen. Würde ich Teilnehmer/innen nochmals
treffen, bekäme ich sicher die Frage (sollte ich dann gerade Schuhe
tragen), warum ich nicht barfuß bin.

Zurück mußte ich dann aber leider doch leichte Segeltuch-Schuhe
anziehen, da der Asphalt sich in der hochsommerlichen Mittagssonne ziemlich
erhitzte. Doch im Zug konnte ich mich dann wieder von den Schuhen befreien.

Im Zug fielen mir dann auch mehrere Leute auf, überwiegend in
kurzen Hosen, die auch ihre Schuhe ausgezogen hatten, die Socken aber anbehielten
und teilweise dann auch in Socken rumliefen. Rein optisch nach meinem ästhetischen
Empfinden ein Graus: kurze Hose und Socken.

Alles in allem - ein angenehmes Wochenende: eine erste Zugfahrt barfuß
gemacht, erstmals eine (teil-)öffentliche Veranstaltung barfuß
teilnehmend bestritten und die eigene Barfuß-Grenze wieder ein Stückchen
weiter rausgeschoben.

Macht's gut

Kai

[image] zur Startseite der Wanderjugend

Das sind große Anläufe!

Lorenz ⌂ @, Monday, 19.07.1999, 23:20 (vor 9194 Tagen) @ Kai

Hallo Kai,

Ich denke, Du brauchst nun wirklich einen anderen Titel für Deine Forumsbeiträge! Du fällst sonst zu sehr durch Untertreibung auf.

Meine Freundin, bereits vorausgefahren, erwartete mich in München-Pasing, von wo aus wir dann die Regionalbahn nach Tutzing nahmen. Sie ist meine Barfüßigkeit zwar schon so langsam gewohnt, daß ich barfuß auf Reise gehe war aber dann doch etwas ungewohnt für sie (und für mich zugegebenermaßen auch!). Aber sie läßt mir da meinen

Willen und ich ihr ihren. Sie fragt mich nur immer, ob der Boden nicht unangenehm (Kies, Splitt) wäre oder zu heiß. Ansonsten hat sie keine Probleme damit, einen Barfüßer neben sich zu haben.

Es gibt sie also noch, die begehrten toleranten Schuhträgerinnen!

Bei der Tagung waren dann etwa 80 TeilnehmerInnen, ca. 4/5 Frauen, die
meisten unter 35. Mit Ausnahme einiger, die am See die Schuhe auszogen
(Tutzing liegt am Starnberger See, südlich von München), war
ich der einzige Barfüßer wähend des ganzen Wochenendes.

Ich kenne das Gelände der evangelischen Akademie, dort ist gut barfuß sein: viel gepflegtes Gras um die Tagungsstätten herum.

Sehr viele trugen allerdings sockenlos Sandalen, ließen sich aber
nicht von mir anstecken, die Schuhe ganz auszuziehen. Die Männer trugen
dafür in der Mehrzahl normale Straßenschuhe und Socken .....
Natürlich fiel ich barfüßig auf und es sprachen mich
auch mehrere Leute an. Ich hatte aber den Eindruck, daß Barfußlaufen
etwas in die Rubrik "skuril" fiel, nicht aber als realistische Geh-Alternative
angesehen wurde .... Ich hatte es früher schon mal geschrieben: junge Frauen scheinen
im Gegensatz zu den späten Achtziger / frühen Neunziger Jahren
deutlich barfußskeptischer zu sein, einhergehend mit einem gestiegenen
Modebewußtsein. Die Beobachtung einiger Forumsteilnehmer/innen, daß
mehr Männer als Frauen barfuß gesehen werden, bestätigte
sich in den Reaktionen der Tagungsteilnehmer/innen
Auch schien mir, daß etwas ältere Leute (hier meine ich
jetzt Leute jenseits der 40, also ca. 10 Jahre älter als ich) deutlich
legerer auf meine Barfüßigkeit reagierten, sie überwiegend
negierten.

Mich erstaunt immer wieder, wie sehr viele der jüngeren Leute (im Vergleich zu mir) auf das Angepaßtsein aus sind. Die Angst um das Image und das Diktat der Mode lassen sie freiwillig auf die großartigen Freiheiten verzichten, die man heute besitzt .....

.... meine Barfüßigkeit wurde offensichtlich als Teil meiner
Persönlichkeit angesehen. Würde ich Teilnehmer/innen nochmals
treffen, bekäme ich sicher die Frage (sollte ich dann gerade Schuhe
tragen), warum ich nicht barfuß bin.

Deshalb ist für mich das Schuhetragen auch immer mit dem Risiko verbunden, mir blöde Bemerkungen einzuhandeln ("Du mit Schuhen! -- hast Du was an den Füßen?") -- warum soll ich das auf mich nehmen? Ich habe jetzt in meinem Umfeld den Kopf so weit in Sachen Barfuß-Propaganda herausgestreckt, daß ich gar nicht so leicht zurückkann ...

Im Zug fielen mir dann auch mehrere Leute auf, überwiegend in
kurzen Hosen, die auch ihre Schuhe ausgezogen hatten, die Socken aber anbehielten

Vielleicht gründen die mal ein megacooles Socken-Forum?

Alles in allem - ein angenehmes Wochenende: eine erste Zugfahrt barfuß
gemacht, erstmals eine (teil-)öffentliche Veranstaltung barfuß
teilnehmend bestritten und die eigene Barfuß-Grenze wieder ein Stückchen
weiter rausgeschoben.

Und Du hast ohne Abstriche das getan, was Du wolltest -- und der Himmel ist niemandem auf den Kopf gefallen!

Schade, daß Deine Zeit zu knapp war, um noch einen barfüßigen Katzensprung nach Penzberg zu machen.

Serfuß, Lorenz

[image] Barfußlaufen in der Natur

Kleine Anläufe III .../ barfuß auf dem Land

Kai @, Tuesday, 20.07.1999, 09:02 (vor 9194 Tagen) @ Lorenz

Hallo Lorenz,

Ich denke, Du brauchst nun wirklich einen anderen Titel für Deine
Forumsbeiträge!

Rein subjektiv, auch weil ich das Barfußlaufen bei solchen "besonderen" Anlässen erst immer bewußt angehen muß, sind die Anläufe für mich eher "klein" im Sinne von Herausschieben gedanklicher Grenzen, verglichen mit so aktiven Forumsteilnehmer/innen, welche praktisch nur noch barfuß unterwegs sind ohne darin etwas besonderes zu sehen.

Es gibt sie also noch, die begehrten toleranten Schuhträgerinnen!

Wenn eine Beziehung schon an so etwas scheitern sollte ...

Mich erstaunt immer wieder, wie sehr viele der jüngeren Leute (im
Vergleich zu mir) auf das Angepaßtsein aus sind. Die Angst um das
Image und das Diktat der Mode lassen sie freiwillig auf die
großartigen Freiheiten verzichten, die man heute besitzt .....

Da hast Du sicherlich recht! Wir sind wohl - ziemlich einmalig in der Geschichte - von so wenig Kleidungszwängen eingeengt, wie noch nie zuvor. Mit Ausnahme einiger Uniformierungsvorschriften (besonders im Beruf), kann heute wirklich jede/r alles tragen, unabhängig vom Alter, Geschlecht und der sozialen Stellung.

Deshalb ist für mich das Schuhetragen auch immer mit dem Risiko
verbunden, mir blöde Bemerkungen einzuhandeln ("Du mit Schuhen! --
hast Du was an den Füßen?") Barfuß-Propaganda herausgestreckt, daß
ich gar nicht so leicht zurückkann ...

Menschen sind ganz wesentlich darauf angewiesen, daß sie sich auf stabile Verhaltensweisen einrichten können, also "verläßliche" Gegenüber haben. Das beginnt bereits bei den kleinen Alltagsgesten (Grüßen, Ausweichen bei einer Begegnung, Sicherheitsabstand, Blickkontakt, Ordnung im Kühlschrank, zugeschraubte Zahnpastatuben, etc.). Und so wird auch die Barfüßigkeit, sobald regelmäßig an jemandem beobachtbar, als Teil dieser Person angesehen werden. D.h. im regelmäßigen Umfeld wird dann - wie von Dir beschrieben - das Schuhetragen als die aus dem Alltagsrahmen fallende Besonderheit betrachtet. Anders ist es natürlich in fremdem Terrain - dort fällt natürlich der/die Barfüßige auf.

Das bedeutet zum Beispiel auch, daß meiner Meinung nach in einem kleineren Dorf (siehe Beitrag von Lupu von gestern) mit engeren Sozialkontakten ein/e kontinuierlich Barfüßige/r sicherlich am Anfang mehr Beachtung findet, mittelfristig aber (sofern man sich ansonsten den lokalen Sitten anpaßt und sich nicht sozial absondert) durch den Gewohnheitseffekt nicht mehr über Gebühr auffallen wird.

Schade, daß Deine Zeit zu knapp war, um noch einen barfüßigen Katzensprung nach Penzberg zu machen.

Das tat mir auch leid!!! Aber der Abendtermin rief unerbittlich...

Grüße an alle

Kai

Kleine Anläufe III: Barfuß zur Tagung

Jörg (2) @, Wednesday, 21.07.1999, 10:06 (vor 9193 Tagen) @ Kai

Hallo Kai,

will du uns noch das Thema der Tagung verraten?

Tschöööö, Jörg

Thema der Tagung

Kai, Wednesday, 21.07.1999, 12:24 (vor 9193 Tagen) @ Jörg (2)

Hallo Kai,
will du uns noch das Thema der Tagung verraten?
Tschöööö, Jörg

Hi Jörg,

wenn's Dich interessiert...es hat nichts mit Barfußlaufen zu tun ;-)
Der Titel lautete "Eine Klasse für sich? Frauen und Männer in Führungspositionen". Es ging im Wesentlichen über die Förderung, bzw. den Abbau von Hindernissen bei der beruflichen Entwicklung von Frauen. - auch für Männer übrigens sehr interessant.

Gruß Kai

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