Was mit trainierten Füßen gut möglich ist/ Wer Schuhe trägt, ist selber schuld (Hobby? Barfuß! 2)

MarkusII, Monday, 19.07.1999, 18:33 (vor 9259 Tagen)

Hallo zusammen!

Da ich inzwischen glücklicherweise zu jemand geworden bin, der sich nur noch höchstens 24 Stunden in der Woche (gezwungenermaßen) etwas an die Füße schnallt, möchte ich kurz berichten, daß die Barfüße doch viel leistungsfähiger sind, als die meisten es so in den Köpfen haben. Dies ist v.a. zur Ermunterung für Zweifler gedacht, die meinen, daß Barfußlaufen außerhalb des eigenen Gartens etwas doch eher Gefährliches sei...

Gestern habe ich zusammen mit einem Freund eine 85 km-Radtour gemacht, mit teils beachtlichen Steigungsstrecken (und auch Schieben auf teils steinigem Weg). Es ist ein Genuß! Ich rate aber davon ab, dies mit untrainierten Füßen machen (s.u.).

Heute mußte ich vor einem Gewitter flüchten - mir blieb nichts anderes übrig als über knapp zwei Kilometer zu laufen. Es ging zwar auch über Wiese, aber meist über Asphalt und auch etwas Schotter. Mit untrainierten Füßen wäre dies m.E. ausgesprochen gefährlich, ich war nun aber erstaunt darüber, daß es ein Genuß ist! Man läuft viel leichtfüßiger und angenehmer - die ständigen Erschütterungen, die beim an Joggingschuhe angepaßtem Laufen auftreten, fallen weg.
Ich glaube inzwischen auch, daß man sich selbst bei Lauftempo wohl kaum noch wehtut (beim Gehen ohnehin nicht). Der Sicherheitsgewinn liegt m.E. neben der "passiven" Sicherheit - Sohlenpolster, darüber feste Hornhaut - v.a. in der "aktiven" Sicherheit: die Beine und Füße sind viel "wacher", man bewegt sich ganz anders und viel feinfühliger, als wenn man an Schuhe gewöhnt ist.
Dies gilt auch beim Radfahren; und vor allem: die erhöhte Vorsicht kommt dem gesamten Menschen zugute!
Wie ja allgemein bekannt sein dürfte, gibt es eine eigene Internetseite zum Thema Barfuß-Joggen (Link müßte auf der Homepage dieses Forums zu finden sein; will jetzt aber nicht nachschauen, da ich offline tippe). Auch dort wird dessen Ungefährlichkeit betont.

An einem Rastplatz im Verlauf der Radtour warnte mich der Freund vor Scherben, wie es eigentlich alle sofort tun, die jemand ohne Schuhe herumlaufen sehen. Nach dem "Härtetest" auf der "Scherbenstrecke" unter der Südbrücke bei der Bonner R(h)einkultur, wo ich wohl oder über "durch" mußte, habe ich jetzt mal vorsichtig probiert, wie es denn so ist, wenn man barfuß auf eine größere Scherbe tritt. Sie war nur von einer Einwegflasche, aber immerhin mit schräg nach oben gebogenen spitzen Enden (vielleicht 45 Grad), und ich habe den Vorfuß vorsichtig auf sie gesetzt. Sie zerknackte völlig unspektakulär, ohne daß ich etwas Großartiges wahrgenommen hätte. Jeder spitze Stein ist viel deutlicher spürbar. Größere Scherben waren nicht auffindbar, so daß das Experiment hier erst einmal beendet war.

Also, auch hier gilt mal wieder: die Vorurteile sitzen im Kopf, und was eigentlich simpelstes Basiswissen aller sein müßte (s.u.), muß man sich im Eigenversuch "erarbeiten".

Wie Lupu heute schreibt, tut es recht weh, daß man fast immer der Einzige ist, der barfuß ist. Es geht mir manchmal auch so und z.T. zugegebenermaßen auch auf die Nerven (und vor diesem Hintergrund ist das Untenstehende auch geschrieben; also, los geht's:).

Aber was können wir bloß dafür, wenn den Leuten die simpelsten Dinge nicht bekannt sind, eben (für die Vielleser ab hier nur noch Wiederholung)
- daß in Schuhen die ständige natürliche Fußreflexzonenmassage wegfällt und somit der gesamte Mensch beeinträchtigt wird
- daß sich viele in Schuhen einen Gang angewöhnen, der für den Körper gar nicht gut ist
- daß mehr als die Hälfte der Europäer deformierte Füße hat, was u.U. Folgeschäden an Knien, Hüften und Rücken nach sich zieht, während dies bei barfuß laufenden Völkern eine Seltenheit ist
- daß die Füße für ständigen direkten Kontakt mit dem Untergrund sowie Licht und Luft gemacht sind. Das Tragen von Schuhen und Sandalen zieht Hautkrankheiten nach sich (Europa: 56% bis 2/3 der Bevölkerung, je nach Studie; barfuß laufende Völker: ca. 1%, auch da, wo es feuchtwarm und gar nicht so sauber ist).

Und noch mal für diejenigen, die schwarze Sohlen gar nicht schön finden (obwohl das nie gewaschene Hautschuppen-Pilz-Schweißfußbett eines Schuhes oder einer Sandale für Füße sehr viel unschöner ist, s.o.): Mit zunehmender Abhärtung werden schwarze Sohlen immer seltener und laufen sich auch schnell wieder sauber, sobald man den schmutzigen Bereich (z.B. die Innenstadt) verläßt. Vor dem Betreten der Wohnung reicht das Benutzen einer vernünftigen Fußmatte, und helle Teppiche bleiben hell. Unter der Dusche geht mit etwas Shampoo sowieso alles ruck-zuck und beinahe restlos runter.

Also: Wer seine Füße trainiert, erschließt sich eine völlig neue Welt und tut sich etwas SEHR, sehr Gutes; und das Barfußlaufen ist auf Dauer viel ungefährlicher und wesentlich sauberer als das Gehen in irgendetwas, was man ständig an den Füßen mit sich herumschleppt.

So, nun habe ich genug "Dampf" abgelassen! Ist ja auch ziemlich gewittrig heute...

Viele Grüße an Euch alle

MarkusII

Ach, wie furchtbar Recht du hast...

Lupu @, Monday, 19.07.1999, 19:16 (vor 9259 Tagen) @ MarkusII

Hallo Markus,

natürlich hast du mal wieder vollkommen Recht, was das Training und die Gesundheit anbetrifft! Mich selber verwundert es ja auch jedesmal wieder, dass denkende Menschen der Meinung sind, man würde sich sofort "was holen" (Erkältung), wenn man barfuß läuft. Von Infektionsgefahr und dem ganzen PiPaPo mal ganz abgesehen. Aber auch ich bin so erzogen worden und habe (etwas übertrieben gesagt), dass Barfußgehen etwas für irgendwelche Eingeborenenstämme sei (so als ob uns "Zivilisierten" unsere mutierten Füße nur noch mit Schuhen tragen würden). Erst nach und nach habe ich selbst andere Erkenntnisse gewonnen und in stetig höheren Dosen praktiziert (erst nur ab und zu in der Wohnung, dann immer in der Wohnung, dann mal in Parks, dann auch auf der Straße etc.). Natürlich bin ich auch der Meinung, dass gute Beispiele (so wir wir sie hoffentlich sind) die beste Werbung für Barfüßigkeit sind.
Aber das wirklich schwierige sind die massenhaften Vorurteile und kulturellen Einengungen, denen wir hier alle unterliegen. Dagegen kommt man einfach nicht so schnell an (und so müssen wir wohl noch lange Clowns bleiben, wenn nicht gar für immer).
Aber immerhin: jetzt bin ich schon drei Tage permanent barfuß (o.k., muss auch gerade nicht zur Arbeit...) und das tut schon mal ziemlich gut! Reicht zwar noch nicht für ein gutes Training - aber immerhin.

Gerade höre ich Cat Stevens' "If you want to be free, be free...!" und so halten wir's auch...

optipessimistische Grüße
aus dem (noch nicht gewitternden) Berlin

von Lupu

Leider kriegt man so manches nicht einfach geschenkt...

MarkusII, Tuesday, 20.07.1999, 22:46 (vor 9258 Tagen) @ Lupu

Hallo Lupu!

Klar, die Vorurteile der anderen gegenüber dem Barfußlaufen kosten ständig Kraft. Wenn man sich nicht gut fühlt, kann dieser Aderlaß so groß sein, daß es mehr Kraft kosten würde, barfuß zu gehen, als sich anzupassen. Bei mir war es viele, viele Jahre der Fall, und wenn, eben nur auf den möglichst heimlichen Dämmerungsspaziergängen.
Nur: Zufrieden ist man dann auch nicht, und wenn das Bedürfnis nach dem Barfußlaufen sehr stark ist (wie bei mir) und die Zeit für Spaziergänge viel zu knapp, dann fühlt man sich einfach schlecht!

Nach meiner Erfahrung hilft letztenendes nur noch die Entscheidung für sich selbst.
Auch wenn man nur zu gern beides hätte, das Barfußlaufen UND das Vermeiden des Auffallens und damit des ständigen "Sofort-Bewertet-Werdens auf äußerst schmaler und meist falscher Datenbasis" - man bekommt es vom Schicksal einfach nicht "geschenkt".

Es bleibt nichts anderes übrig, als... - aber dies steht ja alles schon im "Best Of".

Für sehr interessant und zutreffend halte ich das, was Kai in seinem Beitrag "Re: Kleine Anläufe III .../ barfuß auf dem Land" geschrieben hat (und auch das in seinem und Lorenz‘ Beitrag unmittelbar darüber).

Ich glaube, daß wir eben doch nicht die "Clowns" sind: Wie Miguela schrieb, überträgt sich die eigene Einstellung zu den eigenen Füßen in etwa auf die anderen, und was Kai im o.g. Beitrag schreibt, weist ja auch in diese Richtung. Ich gehe noch etwas weiter als Kai und behaupte, daß dies zu einem deutlichen Anteil auch in der Stadt gilt, und Du schreibst ja selbst vom guten Beispiel als bester Werbung. Am allerbesten ist das Beispiel m.E., wenn der Anteil der bewußt ausgestrahlten Werbung eher klein und der der unbewußt ausgestrahlten "ganzheitlichen Person" (eben mit unbeschuhten Füßen einfach dazu gehörend) möglichst groß ist. Doch dies ist gar nicht so einfach zu erreichen...
Ebenso auch, nicht irgendwie (und wenn auch nur in einer kleinen Ecke versteckt) wütend und empört über die "empfindungslosen, abgestumpften, blöden Anderen" zu sein, die - überspitzt ausgedrückt - "die sich in ihrer Ahnungslosigkeit erdreisten, über mich zu urteilen".

Auf jeden Fall freut es mich sehr zu hören, daß Du seit drei Tagen sogar permanent barfuß bist. Bei mir sind alle ein bis zwei Tage kurze beschuhte Strecken dazwischen (im Nebenjob z.B. sind Schuhe leider Pflicht). In der Fortbildung klappt es inzwischen jedoch Gott sei Dank ganz ohne diese Zumutung.

Vor kurzem bin ich sogar (mit Schuhen in der Tasche, für alle Fälle) zum Helfen beim Renovieren "angetreten". Es hat prima geklappt; die Sinnesvielfalt auf den vielen Untergründen ist sogar besonders schön. Die weißen Kleckse an den Sohlen laufen sich draußen schnell wieder ab, die im Längsgewölbe sind nach ein- bis zweimal Duschen verschwunden. Da man sich ja viel vorsichtiger bewegt als beschuht, tut man sich nach dieser Erfahrung auch hier nichts.

Viele Grüße aus dem Rheinland

MarkusII

Leider kriegt man so manches nicht einfach geschenkt...

Lupu @, Tuesday, 20.07.1999, 23:58 (vor 9258 Tagen) @ MarkusII

Hi Markus,

schön, dass nicht alle immer so zweiflerisch sind wie ich (obschon ich mich dann ja irgendwie doch meistens überwinde)! Zwar glaube ich, hier - leider - eine große Gruppe zu vertreten (insbesondere wahrscheinlich aus dem Kreise der passiven Mitleser/innen). Aber ohne so einfach mitreißende und damit auch überzeugende Leute wie bspw. Dich, Lorenz, Georg, Kai, Miguela und alle anderen (es soll sich jetzt nur niemand vergessen fühlen!) wären mir und vielen anderen sicherlich schon häufig die Zweifel zu heimlichen Schuhanziehern geworden.

Das barfüßige Renovieren haben ich ja auch gerade hinter mir - und nicht das erste Mal. Das klappt wirklich wunderbar und ist m.E. viel praktischer als mit irgendwelchen Schuhen (die danach sowieso versaut sind). Auch auf Leitern kann ich mit der entsprechenden Technik bestens 'rumturnen.

In diesem Sinne,

bli-ef ens ruhisch doarbee, möt die näcke fööt erömteloape :-)
tschökes
vun dinne halve hollänger,*

Lupu

*mein Niederrheinisch is' noch voll da; Grüße aus der Hauptstadt ins Rheinland.

Leider kriegt man so manches nicht einfach geschenkt...

MarkusII, Thursday, 22.07.1999, 00:56 (vor 9257 Tagen) @ Lupu

Hallo Lupu!

Vielen Dank für die nette Antwort! Wie Du weißt, sähe es bei mir ohne die Rückenstärkung durch das Forum heute ziemlich "mau" aus. Und auch jetzt tut das "Auftanken" hier sehr gut!

Viele Grüße!

MarkusII

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