R(h)einkultur (Hobby? Barfuß! 2)

MarkusII, Monday, 05.07.1999, 01:17 (vor 9209 Tagen)

Hallo zusammen!

Gestern hatte ich mich aufgemacht nach Bonn zur "R(h)einkultur, einem großen "Draußen und umsonst" - Rockfestival.

Ich war beeindruckt von der Atmosphäre - von 2 bis 75 waren alle Altersgruppen vertreten, v.a. natürlich junge Leute. Auf dem riesigen Gelände herrschte nur vor den Bühnen und an den Ständen mit "Fressalien", Schallplatten, Schmuck, Kleidung etc. starkes Gedränge, so daß man niemals "eingepfercht" war (direkt vor der Bühne wäre es mir auch etwas laut gewesen).

Zum letzten Mal war ich schätzungsweise vor 15 Jahren dort auf der R(h)einkultur war gar nicht begeistert: Schlechter und dafür überlauter Sound und einige ziemlich unsympathische Herrschaften im Publikum. Es war dann mein letzter Festivalbesuch überhaupt gewesen!

Inzwischen ist ein Zaun eingeführt worden, an dem kontrolliert wird. Auch Flaschen sind an den Eingängen abzugeben, um die vielen Scherben in der wunderschönen Parklandschaft der Bonner Rheinaue, die anläßlich einer Bundesgartenschau geschaffen wurde, zu vermeiden.
Die Musik gefiel mir gut; besonders zog es mich zu den etwas jazz-funkigen und afrikanisch "angehauchten" Gruppen hin. Der Sound war ausgezeichnet, mit sattestem Baß, und eben nicht in brüllender Lautstärke!

Ich war zum einen dorthin gezogen, um die tolle Atmosphäre "aufzusaugen" und bin viel umhergegangen (was durch die recht häufigen und langen Umbaupausen "erleichtert" wurde), aber natürlich hatte ich auch meine "Barfuß-Interessen":
- Es war erst mein zweiter Festival-Besuch: Machen hier gut trainierte Füße noch problemlos mit? Längere Wanderungen kannte ich bisher ja "nur" aus der Natur, die belebten bis städtischen Räume habe ich ja erst seit kurzem "erobert". Daß wegen der Flaschenkontrollen weniger Scherben zu erwarten waren, ermutigte mich.
- Ich bin doch - hoffentlich - nicht der einzige, der da barfuß rumläuft? Daß in den letzten Tagen trotz der Hitze kaum jemand barfuß zu sehen ist, ist mir geradezu unheimlich: unglaublich, wie empfindungslos die Menschen hier sind! Für mich sowieso unvorstellbar, wie man sich freiwillig etwas an die Füße schnallen kann! Und erst bei allerschönstem Wetter!

Tja, schätzungsweise jeder tausendste zog tatsächlich ohne Schuhe umher, davon etwa zwei Drittel Frauen (na ja, immerhin waren es insgesamt wohl 200.000 Teilnehmer...). Diejenigen, die ohne Schuhe nur dasaßen etc. habe ich nicht mitgezählt. Nach Abschluß der Auftritte um 24 Uhr war ich allerdings ziemlich plötzlich der einzige! Den deutlichen Anzeiger, den "Ausweis" für "echte" Barfüßer - dunkle Sohlen und auch "oben herum" einiges an Staub - konnte ich allerdings nur höchst selten sehen, vielleicht fünf Mal!

Allerdings war es auch ziemlich drastisch, was der Barfüßer dort so geboten bekam. Lorenz schrieb kürzlich einen sehr anschaulichen Beitrag "Gefühlskontakt mit einer wilden Flußlandschaft". Hier könnte man sagen "Direktkontakt mit einer wilden Müllandschaft": Alles war übersät mit Plastikflaschen, auch einigen wenigen Scherben, Dosen, gebrauchten Papptellern aller Größen, Servietten, Plastikbesteck, Flugzetteln, Bananen- und Melonenschalen, Brot, Backkartoffeln, eßbarem und Plastikgeschirr, Bratwurst-, Pizza-, Salatresten, etc. etc. etc. - unglaublich! In diesem Müllhaufen lagerten die Leute!

Wahrscheinlich hättest Du, Lorenz, hier auf das Barfußlaufen verzichtet! Mir hat es aber auch hier Spaß gemacht; mir fällt momentan nichts ein, was mich davon abhalten könnte (Ausnahme: die verfluchten hiesigen Konventionen, die ich inzwischen in puncto barfußlaufen nach Möglichkeit umgehe, und Vorschriften.)!

Auch habe ich "Experimente" gemacht - ja, man muß auch solchen Unsinn einmal ausprobieren: Dosen platttreten wie die beschuhten jugendlichen Herrschaften - geht ohne weiteres. Eine noch glimmende Zigarette lag auf dem Boden - ebenfalls kein Problem, läßt sich austreten, ohne daß man etwas spürt. Sicherheitshalber habe ich die Ferse genommen. Dies wäre aber gar nicht nötig gewesen, wie ich dann abends feststellen konnte: eine Frau, die vor mir barfuß tanzte, tat es "ganz normal".

Spät abends kam dann ein ziemlicher "Härtetest": Vor dem Zaun unter der Südbrücke hatten die Leute ihre Glasflaschen, die sie nicht mit hereinnehmen durften, abgestellt. Etliche Haufen lagen herum, und jetzt? Die heimkehrenden Leute kickten die Flaschen herum und etliche gingen zu Bruch (was ich schon von weitem hören konnte)! Nachdem der ganze Tag keine Probleme bereitet hatte: jetzt noch "aufgeben" - nein! Tja, und außerdem von wegen aufgeben - ich hatte ja absichtlich keinerlei Schuhwerk mitgenommen...! Also durch!
Durch die vielen Leute unter dem Brückendurchgang wurde das Ganze zusätzlich erschwert. Ich mußte mich sehr konzentrieren, und ich spürte auch, wie Glas unter meinen Sohlen zerknackte. Tja, und dann habe ich mich - natürlich, und glücklicherweise nur sehr leicht - geschnitten. Übrigens an der Stelle, die auch hier im Forum schon erwähnt wurde: in der Nähe der Zehen, wo die schützende Hornhaut aufhört. Ich ging erst mal weiter, ohne die entsprechende Stelle unnötig zu belasten, und als ich dann - unter einer Laterne - die Scherbe entfernen wollte, war sie schon von selbst herausgegangen. Es blutete etwas, und auch nur zu diesem Zeitpunkt, und ich konnte ohne Schwierigkeiten die etwa sechs Kilometer zu meinem Quartier gehen (heute bin ich auch über 15 km spaziert).

Wie ich übrigens unmittelbar nach dem Passieren der "Extremstrecke" feststellen konnte, war der Zaun zusätzlich auch an anderer Stelle geöffnet worden, und ich hätte einen scherbenfreien Ausgang nehmen können...

Ein größerer Teil des Weges führte auch über die sauberen Wiesen außerhalb des Festivalgeländes. Sie trugen jetzt schon etwas Tau. Eine Wohltat! Waren die Sohlen am Tage doch ein sehr guter "Barfüßer-Ausweis" gewesen, war am Ende der langen Wiesenstrecke nichts mehr zu sehen - sie sahen aus, als ob man frisch aus der Dusche gestiegen wäre!

Fazit: Bis auf das zuletzt geschilderte Extrem gibt es keinerlei Probleme mit "baren Füßen auf einem Festival", sofern sie gut trainiert sind (und sofern Glasflaschen auf dem entsprechenden Gelände verboten sind). Allerdings kann man denjenigen nur dringend davon abraten, die Wert auf ein Minimum an Sauberkeit legen.
Ich weiß aber auch: Die Eier des Fuchsbandwurms in der Natur sind viel gefährlicher als der oben beschriebene Müll. Und wie es mit Hautkrankheiten und ernsten Verletzungen durch das Tragen durch Schuhen steht, dürfte hier allgemein bekannt sein (wenn nicht - es steht im "Best Of").

Ich für meinen Teil werde daher auch in Zukunft die Schuhe zu Hause lassen!

Viele Grüße,

MarkusII

PS: Von neun heutigen Zeitungsartikeln war keiner für den "Pressespiegel" zu gebrauchen.

R(h)einkultur

Schnaxel, Monday, 05.07.1999, 15:01 (vor 9209 Tagen) @ MarkusII

Hi Leute!

Also ich war natürlich auch bei Rheinkultur und habe meine Schuhe sofort nach Passieren des Scherbenhaufens unter der Südbrücke im Rucksack verschwinden lassen.
Was Markus Fußzählung angeht, bin ich allerdings optimistischer als er, ich würde doch mal behaupten, daß (zumidest im bereich jenseits der roten Bühne, wo ich mich rumtrieb) erheblich mehr Leute barfuß unterwegs waren als Markus gezählt hat, sicherlich jede(r) zehnte, allerdings wie immer mehr Frauen als Männer...

R(h)einkultur

MarkusII, Monday, 05.07.1999, 18:44 (vor 9209 Tagen) @ Schnaxel

Hi Leute!
Also ich war natürlich auch bei Rheinkultur und habe meine Schuhe sofort nach Passieren des Scherbenhaufens unter der Südbrücke im Rucksack verschwinden lassen.
Was Markus Fußzählung angeht, bin ich allerdings optimistischer als er, ich würde doch mal behaupten, daß (zumidest im bereich jenseits der roten Bühne, wo ich mich rumtrieb) erheblich mehr Leute barfuß unterwegs waren als Markus gezählt hat, sicherlich jede(r) zehnte, allerdings wie immer mehr Frauen als Männer...

Hallo Schnaxel!

Könnte es sein, daß Du den Nebensatz übersehen hast? Natürlich kann ich mich irren, aber ich habe auch nur diejenigen gezählt, die barfuß unterwegs waren. Alle diejenigen, die nur so dasaßen oder ganz in der Nähe ihrer Schuhe standen, habe ich nicht "erfaßt". Diejenigen, die offensichtlich nur eine kurze Strecke unterwegs waren und ihre Schuhe in der Hand trugen, auch nicht...

Viele Grüße,

MarkusII

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