Literaturecke: Entfaltung der Sinne (Hobby? Barfuß! 2)

Kai ⌂ @, Friday, 28.05.1999, 19:52 (vor 9311 Tagen)

Hallo zusammen,

für die Literaturecke habe ich in
dem Buch "Entfaltung der Sinne" (Hugo Kükelhaus, Rudolf zur Lippe),
Verlag fischer alternativ, ISBN 3-596-24065-4, 1991 ein vielleicht ganz
interessantes Kapitel für dieses Forum gefunden. Kurz zum Buch (aus
dem Klappentext):

Großtechnische Entwicklungen
beschränkt menschliche Wahrnehmung auf bloße "Kopfarbeit". Nur
Entfaltung unserer Sinne wie Riechen, Fühlen, Schmecken, hören
und Sehen sowie stetes Einüben in das Gleichgewicht des Körpers
vermögen diese Zerstörung des Menschen aufzuhalten. Mit seinem
"Erfahrungsfeld" zeigt Hugo Kükelhaus 33 Stationen, in denen die Sinne
neu entdeckt weren können. Dadurch erweist sich dieses Buch, zusammenmit
den Texten von Rudolf zur Lippe, als ein richtungsweisendes, kunstvoll
bebildertes Kompendium einer ganzheitlichen Erfahrung des Körpers
und damit menschlichen Lebens überhaupt.

Folgendes Kapitel fand ich interessant.
Bemerkenswert ist, daß nirgendwo von "Barfuß" geschrieben wird,
aber implizit gemeint ist, auch in der beigefügten Zeichnung (fehlt
hier leider). Hugo Kükelhaus beschreibt darin einen von ihm entworfenen
Barfußparcours:

"S. 111, Schule des Gehens

Die Station 15 nennt
Hugo Hükelhaus eine Schule des Gehens, weil sie auf vielfältige
Weise dazu anregt, alle Funktionszusammenhänge des "aufrechten Ganges"
besonders auszubilden. Vor allem wird der Gang aus dem bestimmten Kontakt
der Füße mit verschiedenen Böden bestimmt. Die Füße
selbst werden, indem sie sich verschiedenen Materialstrukturen anpassen,
ja sie zunächst erst erprobend ausmachen, außerordentlich belebt.
Dies ist keineswegs nur für die Fußmuskulatur wichtig. Nervenbahnen
verbinden die Fußsohlen mit allen Organen des ganzen Körpers
und leiten die belebenden Wirkungen zu ihnen weiter. "Massage" auf diesem
Wege wirkt auf feinste Weise in die Tiefen des Organismus. Außerdem
wird der Tastsinn, der ja keineswegs etwa auf die Hände begrenzt ist,
auch an den Füßen gereizt und gestärkt. Im Gehen tasten
sich die Füße vor und erproben das Gelände. Entsprechend
seinen Eigenschaften greifen die Fußsohlen den Boden und geben dabei
Gleichgewichtsempfindungen an den Körper weiter, die alle Glieder
und den Rumpf wie den Kopf zu Ausgleichsbewegungen im dynamischen Gleichgewicht
veranlassen. Es entfaltet sich über den Buckeln und Kanten, Sandflächen
und Steinen, Holzbohlen und Kieseln die Einheit von kleinmotorischen Fußgewegungen
und großmotorigen Haltungsveränderungen, die wir "greifenden"
Gang nennen können.

Das Greifen
mit den Füßen kann man üben, indem man mit den Zehen Kiesel
aufnimmt und sie ins Wasser wirft, das mit Wellenkreisen antwortet. Beim
Wiederaufnehmen der Kiesel mit den Händen kann man die Wirkung des
Wassers auf die Glieder spüren.

Die Schritte
werden um so bewußter vollzogen, als sie im leicht ansteigenden Gelände
verzögert werden. Zugleich werden sie aber beschringt durch den ihnen
entgegenströmenden Lauf des Wassers in der Reihe kleiner Schalen.
Dessen Bewegung und Geräusch verstärken die Bewegungsimpulse
der Gehenden, obwohl sie zugleich entspannend wirken.

Übrigens
sind die Schalen so geformt, daß das Wasser in den im eigenen Strudelbewegungen
von Schale zu Schale fließen kann; die Bewegungsform wird sogar derart
verstärkt, daß es - wie durch eine Art von Massage oder Selbstrhythmisierung
- am Ende mit der Spannkraft frischen Quellwassers ankommt und in den Schalen
eine pulsende Bewegung von der einen zur anderen Schalenhälfte entwickelt.
Es kann so geradezu heilende Kaft entfalten. Seine stärkende Selbstrhythmisierung
im fallenden Fluß kann der bergan Gehende in seinen Schritten aufnehmen.

In der Schule
des Gehens werden Relieferfahrungen der Füße, besonders intensiv
am Strand, und das Erlebnis von Wanderungen an Bergbächen verbunden.
Das Gefühl, rascher und leichter voranzukommen, das durch einen entgegenkommenden
Zug oder auf einem rollenden Teppich hervorgrufen wird, verbindet sich
im Wasserlauf mit der Anregung zu eigenem Rhythmus."

Frohe Diskussion wünscht
Euch

Kai

[image] zur Homepage der Deutschen Wanderjugend


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