Literatur-Beitrag 1 (Hobby? Barfuß! 2)

Steve @, Saturday, 22.05.1999, 10:33 (vor 9317 Tagen)

Hi allerseits,

da ja schon lange nichts mehr in Sachen "Barfuß-Literatur" (ich glaube, "Wolf" hatte eine kleine Literatur-Ecke eingeführt) mehr im Forum verbreitet wurde, wollte ich mich mal mit ein paar kleinen Buchkritiken einbringen.
Hier nun "Folge 1", mit den Titel "Barfuß":

"Barfuß", eine Novelle von Michael Kleeberg, erschienen bei dtv, läßt vom Titel her ja einiges zum Thema erhoffen. Nackte Füsse kommen auch `drin vor, jedoch in einer ziemlich extremen Form... Zum Inhalt des Buches sei hier kurz der Klappentext wiedergegeben: ,Liegt das Liebesglück in der Auslöschung des eigenen Ich? Kleeberg erzählt vom Einbruch des Chaos, der Sinne, des Todes in das scheinbar perfekte Leben von Arthur K., dem Mitinhaber einer Pariser Werbeagentur. Ein Text voller Radikalität und Schönheit.‘
Barfüssigkeit der Hauptfigur K. kommt in einer Art Masochismus daher, ist aber nur ein Teil eines, man muß es so sagen, perversen Triebes, zu S/M Praktiken zu gelangen. Da wären wir automatisch beim Thema Lust, das die Novelle vollkommen berherrscht. Das Internet spielt übrigens eine sehr große Rolle, in Gestalt des französischen Vorläufers "Minitel", das Anfang der 90`er das Zeitalter der Vernetzung mit einläutete. Ein kurzes Zitat aus dem Minitel-Dialog, den K. mit einem unbekannten gegenüber führt, zeigt, was "Barfuß" in der Geschichte bedeutet:
",Was heißt barfuß? Gehst Du barfuß? Hier in Paris?‘(Er hatte BARFUSS als Paßwort eingegeben.) ,Ja, ich gehe immer barfuß, auch in der Stadt. Ich liebe die Freiheit und Unterwerfung, die darin liegen.‘ Dabei log er."

Es geht weiter mit einer Verabredung, zu der K. barfuß erscheinen soll, bei der es dann um das Ausleben von sexuellen Praktiken geht, bei denen körperliche Gewalt die wichtigste Rolle spielen; so das Auspeitschen der Fußsohlen etwa.
Die "Vorbereitung" auf dieses Treffen formuliert etwas, das in gewisser Weise auch in unserem Forum ein diskutiertes Thema ist, bei dem Scham und Angst eine große Rolle spielen:
"...er begann, zunächst spielerisch, die Schnürsenkel zu lösen. Er zog die Schuhe aus, drehte sie um, als habe er einen Stein im Schuh gehabt, schlüpfte wieder halb hinein, dann wieder hinaus, und in einer Explosion schamvoller Erregung riß er sich die Strümpfe von den Füßen, stopfte Schuhe und Strümpfe in die Plastiktüte und berührte mit seinen Sohlen den kalten Asphalt. Was vor einer Minute noch hatte rückgängig gemacht werden können, sich kontrollieren lassen, ging nun seinen Gang. Er fühlte sich wie ein ausblutendes Tier, schwach, leer, ein Stoß hätte genügt, ihn umzuwerfen. Er erhob sich auf zitternden Beinen und setzte seinen Weg fort, schamrot, wie er glaubte, im Angesicht der wenigen Passanten, die wer weiß was, aber nichts, was der Realität nahekomen konnte, denken mochten..."
Es gibt noch weitere Stellen, die sich mit "dem" Gefühl auseinandersetzen, die Lust an der Barffüssigkeit deutlich darstellen.
Ich muß sagen, ich hatte natürlich eine völlig andere Vorstellung, ob des Titels. Das Buch verstört auf eine Weise, die einen weiterlesen läßt, trotz der extremen Entwicklung der Geschichte (das Ende stieß bei mir schon fast an die Erträglichkeitsgrenze) doch es besitzt nicht etwa platte pornografische Züge. Warum ich nun doch in dieser Ausführlichkeit geschrieben habe, liegt daran, daß ich glaube, das Buch gibt viel von dem wieder, was wir gerade im Forum diskutiert wird, unter sagen wir mal, dem Oberbegriff "Lustempfindungen" (und zwar die versteckten, verdrängten).
Hätte ich den Inhalt zuvor gekannt, ich persönlich hätte es wahrscheinich nicht gelesen...

Wer jetzt nicht völlig abgenervt ist, ob so vielem Literatur-Bla-Bla, der möge vielleicht mal schreiben, ob solche "Abhandlungen" überhaupt hierher gehören. Es gibt übrigens weitere unterhaltende Literatur, in der "Barfuß" nicht nur im Titel steht, sondern auch inhaltsbestimmend ist. Vielleicht schreibe ich mal von ,erträglicheren‘ Büchern?

Ciao
Steve

PS.: Ein Kumpel von mir arbeitet in einer Buchhandlung - was liegt also näher, als an fast jedes Buch kosten-
günstig heranzukommen (ohne es auch gleich kaufen zu müssen...).


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