Verspäteter Bericht aus dem österlichen Magyarország... (Hobby? Barfuß! 2)

Lupu, Sunday, 16.05.1999, 02:45 (vor 9324 Tagen)

Hallo vermisste Barfüßer,

hier mal wieder ein - wegen langer Krankheit reichlich verspäteter - Beitrag aus der Hauptstadt (der deutschen, sorry), mal absolut "fetischfrei"...
Eigentlich wollte ich ja bereits schon kurz nach meinem nachösterlichen Ungarn-Urlaub meine dortigen Barfuß-Erlebnisse dem geneigten Publikum ins Forum schreiben, aber eine längere Krankheit inkl. Krankenhausaufenthalt (wahrscheinlich durch eine ungarische Zecke verursacht) hinderten mich daran.

Wie gesagt, war ich über die Ostertage und eine Woche darüber hinaus am Balaton (Plattensee) in Ungarn. In unserem Ferienhaus, das ein wenig landeinwärts in den Weinbergen nahe an einem kleinen Dorf liegt war es zwar meist noch ein wenig zu kalt, um barfuß zu gehen. Aber draußen war es von vormittags elf bis abends um sieben warm genug - und das die ganze Woche! Demzurfolge habe ich meine Schuhe auch so oft es ging in die Ecke oder den Rucksack verbannt. Die Gegend ist absolut barfußfreundlich, wenn man sich auch mit gelegentlichen Schotterwegen und Steinchen anfreunden kann. Gerade auf die nahegelegenen "Berge" (die Süddeutschen oder Schweizer werden jetzt schmunzeln) konnte man wunderbar barfuß gehen, auf tollen und sehr angenehmen Waldwegen. Und auch ein wunderbar barfußfreundliches "Steinmeer" (kötenger) aus vormenschlichen Zeiten bot eine angenehme Abwechslung für die Sohlen (trotz gelegentlich dort herumlungernder Schlangen). Meine Mitreisenden waren zwar immer etwas erstaunt über meine Barfußneigung, haben es aber toleriert (ohne es mir jedoch nachzutun). Als Reaktionen gab es unterwegs (wenn man denn mal jemanden traf) meist nur verwunderte Blicke, sonst nichts.
Nur der unser Haus in Abwesenheit beaufsichtigende Ungar war mir bereits dreimal begegnet, als ich keine Schuhe trug und schließlich sprach er mich dann im Dorf einmal darauf an und erzählte mir, dass dies in dieser Jahreszeit nicht gut sei, alldieweil es Rücken- und Darmprobleme verursachen würde. Erst wenn sich die kleinen Nüsse an den Bäumen zeigen würden wäre es laut einer alten Volksweisheit so weit, dass man getrost barfuß laufen könne [an dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass meine Ungarischkenntnisse noch nicht absolut perfekt und dialekt-schnellsprech-sicher sind - und meine botanischen erst recht nicht...]. Er selbst habe aber in seiner Kindheit und Jugend diese Weisheiten außer Acht gelassen und die Schuhe sobald wie möglich ausgezogen - z.B. beim Vieh hüten. Das waren mahnende, aber ermunternde Worte zugleich - und ich hatte den Eindruck, dass auch ein bisschen Wehmut und Neid mitschwangen... Im heutigen Ungarn jedenfalls ist Barfußlaufen genauso "außerirdisch" wie bei uns - vielleicht sogar noch ein wenig mehr, denn da wo einst Armut zu nackten Füßen zwang und 40 Jahre pseudo-sozialistischer Aufbau dieses "Übel" ausrotteten, ist es eben wie ein "Rückfall". Unterstützt wurde diese These zum Beispiel durch das Verhalten der Zigeunerkinder, die am Ortsrand auf der Straße spielten und es überhaupt nicht glauben konnten, dass da ein erwachsener Mensch barfuß über die Straße geht. Die waren völlig verdattert und konnten sich deutlich sichtbar keinerlei Reim auf dieses Phänomen machen. Denn Armut konnte man mir nicht unbedingt ansehen und außerdem ist es ja selbst in ihren Zusammenhängen (und Zigeuner sind nunmal die Ärmsten in Ungarn) völlig ungewöhnlich. Für Schuhe muß es bei ihnen wohl immer noch reichen, da ansonsten ihre gesellschaftliche Stellung noch deutlicher würde... (ein bisschen anders ist es m.E. in noch ärmeren Gegenden, wie in Teilen Rumäniens).
Es war auf jeden Fall amüsant, die Reaktionen zu beobachten...

Zurück in Berlin konnte ich krankheitsbedingt meine Schuhe leider noch nicht einmotten und gerate damit leider gegenüber dem letzten Jahr in Verzug - schade! Aber ich weiß, da draußen seid Ihr und "arbeitet" hart und vergnüglich an unserer weiteren Vermehrung...

In diesem Sinne,
viel Spaß dabei

Euer Lupu


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