Sportunterricht barfuß (Hobby? Barfuß! 1)
Hallo Ihr BarfüßerInnen !
Gestern habe ich im Internet Eure Seite entdeckt. Ich finde es klasse, daß es mittlerweile nicht mehr nur englischsprachige Seiten zum Thema Barfußlaufen gibt. Nachdem ich den Brief von Julia gelesen habe, die am Dienstag morgen erstmals barfuß am Sportunterricht teilgenommen hat, fühle ich mich ermutigt, auch mal über meine Erlebnisse zu schreiben.
Bei uns war es im Sportunterricht nur üblich, daß hin und wieder mal ein oder zwei Mädchen barfuß mitmachten. Die Jungen hatten immer Schuhe an. Ich hatte während meiner Schulzeit schon häufig daran gedacht, es den Mädchen mal nachzumachen und mir fest vorgenommen, eines Tages die Schuhe einfach wegzulassen. Leider habe ich es dann immer weiter aufgeschoben, bis zum Ende der 13. Um es wenigstens einmal zu erleben, wie es ist, während des Unterrichts barfuß zu laufen, habe ich nach der drittletzten Sportstunde, als ich mich ärgerte, es wieder nicht getan zu haben, meine Turnschuhe weit weggeräumt. Die vorletzte Sportstunde war dann an einem Donnerstag mittag. Als ich morgens ohne Turnschuhe losfuhr, war ich schon einigermaßen aufgeregt, denn in diesem Moment wußte ich, daß es kein zurück mehr gab. Mittags nach der Pause gingen wir dann in den Umkleideraum. Ich beeilte mich nicht, so daß die Meisten schon in der Halle waren, als ich schließlich meine Socken auszog. In dem Moment habe ich mich schon ein wenig nach meinen Turnschuhen gesehnt. Ein Mitschüler fragte, ob ich meine Schuhe vergessen hätte. Das jetzt zu bestätigen, hätte wohl den Sinn der ganzen Aktion über den Haufen geworfen. Ich mußte zugeben, daß ich es freiwillig mache. Also antwortete ich, daß es doch genau so gut ohne Schuhe ginge und daß ich ganz gern barfuß laufe. Die erste Hürde war somit genommen. Als ich dann barfuß über den kalten Boden Richtung Turnhalle ging, war das ein recht ungewohntes Gefühl. Ich mußte daran denken, daß von den Jungen noch nie jemand barfuß zum Sportunterricht gekommen war. Das ist ja auch eigentlich nur was für Mädchen. Aber ich hatte ja keine Schuhe dabei und jetzt ging es halt nicht mehr anders. Also ging ich zügig in die Turnhalle und setzte mich auf die Bank. Ich stellte fest, daß ausgerechnet heute keines der Mädchen barfuß kam, also war ich in der ganzen Turnhalle der Einzige ohne Schuhe. Da sich alle unterhielten und ich später kam, hatten erst wenige bemerkt, daß ich barfuß war. Aber jetzt war es nicht mehr zu verbergen, denn die Lehrerin forderte uns zum Warmlaufen auf.
Während der Sportstunde war dann die ganze Aufregung auf einmal verflogen, weil ich feststellte, daß da ja irgendwie gar nichts bei ist und es von allen akzeptiert wurde oder gar nicht weiter beachtet wurde. Meine Bedenken vorher waren wohl absolut überflüssig.
Als ich mich nach dem Warmlaufen zu Unterrichtsbeginn an das Gefühl gewöhnt hatte und keine negativen Reaktionen gekommen waren, fühlte ich mich nicht weniger wohl, als mit Schuhen. Später machten wir dann ein kleines Volleyballturnier. Das heißt: Wenige spielten und die anderen Mannschaften sahen zu. Aber auch daran, beobachtet zu werden, habe ich mich dann schnell gewöhnt.
Natürlich habe ich an der letzten Sportstunde wieder barfuß teilgenommen, dieses Mal dann ohne die ganzen Gedanken vorher. Es ist wirklich schade, daß ich mich dazu nicht ein paar Jahre früher überwinden konnte, denn daß man sich barfuß schämen würde, redet man sich nur immer ein. Die Wirklichkeit ist viel harmloser, als die Phantasie.
Während meiner Zivildienstzeit bin ich dann nur mal ab und zu barfuß ins Freibad gegangen und das auch nur vom Parkplatz bis zum Eingang. Nichts besonderes, aber um sich an das Gefühl zu gewöhnen ganz gut. Später habe ich dann absichtlich etwas weiter weg geparkt. Übrigens habe ich festgestellt, daß vom Freibad aus erstaunlich viele junge Mädchen barfuß nach Hause gehen, da es vor dem Freibad allgemein akzeptiert wird und bis man dann ein paar Straßen weiter ist, hat man sich allmählich daran gewöhnt.
Im Laufe der Zeit stärkte sich schon der Wunsch in mir, mal ein längeres Stück barfuß zu gehen, vielleicht durch die Stadt, wie ich es zuvor bei einem Eis schleckenden Mädchen beobachtet hatte. Aber das sollte dann noch bis zum Ende meines zweiten Semesters dauern, bis ich nicht mehr so empfindlich war im Hinblick auf die Blicke und eventuellen Reaktionen anderer.
Weil ich keinen Wert darauf legte, gleich beim ersten Mal barfuß Bekannte zu treffen, plante ich meinen ersten Barfußgang durch die Fußgängerzone nicht in Dortmund, sondern im benachbarten Bochum. So fuhr ich dann an einem sehr heißen Samstag Mittag mit der S-Bahn von der Uni aus nach Bochum. Ich hatte eine kurze Jeans an und Turnschuhe ohne Socken. Am dem Bahnhof gegenüberliegenden Ende der Innenstadt suchte ich dann eine ruhige Seitenstraße, in der ich meine Schuhe möglichst unbeobachtet ausziehen wollte. Da ich mich nicht traute und mich überall beobachtet fühlte, ging ich recht weit aus der Stadt heraus, wo ich einen ruhigen Parkplatz fand. So konnte ich die Turnschuhe zwischen den Autos ausziehen, in meine Büchertasche stecken und wenigstens die ersten Meter unbeobachtet barfuß gehen. Als mir die ersten Leute begegnet waren, ohne eine negative Reaktion zu zeigen, war ich zwar erleichtert, muß aber zugeben, daß es mir anfangs doch peinlich war. Nach und nach habe ich mich dann an die Blicke der Leute gewöhnt und fand es später eigentlich recht angenehm, bei dem heißen Wetter einfach barfuß laufen zu können. Denjenigen, die es noch nicht gemacht haben, kann ich nur sagen, daß es absolut erstaunlich ist, wie normal das Barfußlaufen in der Stadt nach einigen Minuten wird.
Reaktionen gab es nicht viele. Eine junge Frau sagte zu ihrer Freundin: "Barfuß, das möchte ich jetzt auch" und ging mit Schuhen weiter, trotz der Hitze. Zwei Mädchen meinten, ich solle bloß nicht in eine Scherbe treten. Das war alles, was ich hörte. Im Hinblick auf Scherben oder Unrat mußte ich eigentlich kaum mehr aufpassen, als mit Schuhen. Irgendwie hat man das sowieso im Blick, ohne dauernd nach unten zu sehen. Viel mehr habe ich auf die Ampeln geachtet, weil ich schnell feststellte, daß es eine recht peinliche Situation ist, in der Fußgängerzone minutenlang barfuß vor einer roten Ampel zu stehen und sich in aller Ruhe von den Gegenüberstehenden beobachten zu lassen. Aber auch daran gewöhnt man sich irgendwann.
Kurz vorm Bahnhof hörte ich dann hinter mir ein Fahrrad bremsen. Zunächst schenkte ich dem keine Beachtung, bis ich die Person auf dem Fahrrad sah. Es war ein etwa 18 Jahre altes Mädchen mit langen dunklen Haaren, gepflegtem nicht flippigen Äußeren und einem unwahrscheinlich lieben, unschuldigen Blick. Gerade, als sie an mir vorbeifuhr, sprang eine Ampel auf rot und wir blieben nebeneinander stehen. Auf einmal fand ich diese Ampeln einfach absolut spitze und wünschte, sie würde nie wieder grün werden, denn ich stellte fest: Dieses Mädchen hatte keine Schuhe an!!! Wir sahen uns mehrmals in die Augen, aber dann wurde es leider doch wieder grün. Barfuß fuhr sie mit ihrem Fahrrad los, rechts am Bahnhof vorbei und drehte sich noch mindestens vier oder fünf mal nach mir um. Leider ging dann alles so schnell, was hätte ich machen sollen????
Am Bahnsteig zog ich mir dann die Schuhe an und fuhr nach Hause. Dummerweise hatte ich mir auch noch eine Blase zugezogen, weil ich wohl fürs erste Mal zu weit gelaufen war, oder weil die Pflastersteine stellenweise zu heiß waren? Jedenfalls heilte die Blase schnell wieder und ich hatte einen interessanten Tag hinter mir.
Seit diesem ersten Barfußtrip bin ich schon wieder ein paarmal barfuß gelaufen. Die nächsten Male war es weniger dramatisch. Aber das Barfußmädchen mit dem treuen Blick, die mir an der Ampel vorm Bochumer Hauptbahnhof lange Zeit in die Augen sah, ist mir nie wieder begegnet.
Bis bald, Euer Stefan
Post Scriptum: Eine E-mail habe ich leider nicht, habe an einem fremden Computer geschrieben. Werde mich bestimmt wieder melden.
Grüße an Julia, durch deren Bericht ich auf die Idee kam, auch mal zu schreiben.