Noch ein Neuling... (Hobby? Barfuß! 1)
Hallo Ihr Barfüßer,
ich bin zwar seit rund 5 Jahren im Internet unterwegs, aber immer wieder überrascht, wie verrückt es hier zum Teil zugeht. Natürlich laufe ich selber wann immer es geht barfuß (sonst wäre ich wahrscheinlich auch nicht in diesem unterhaltsamen Forum gelandet), aber im Vergleich zu dem meisten von euch darf ich mich wohl nur noch als "Halbbarfüßer" bezeichnen. Zu meiner Person: Ich bin 31 Jahre alt, Vertriebsingenieur (und als solcher beruflich ausschließlich im Anzug mit Schlips und mehr oder weniger eleganten Schuhen unterwegs) und wohne in einer 20.000 Einwohner-Gemeinde im Nordwesten von München. Barfußlaufen beschränkt sich bei mir auf die warme Jahreszeit, die "Schmerzgrenze" liegt irgendwo bei 15 - 20 °C, wobei allerdings eher die Bodentemperatur entscheidend ist. Zu Hause laufe ich allerdings auch im Winter barfuß rum, was im Freundeskreis (meine eigene Freundin eingeschlossen) schon keiner verstehen kann.
Ich bin über die DSS vor drei Tagen auf euer Forum gestoßen und habe mich mit Vergnügen durch einige Postings geklickt. Dabei ist mir aufgefallen, daß die Angst, als "verrückt" zu gelten, relativ groß ist. Das kann ich teilweise nachvollziehen, denn die meisten von euch laufen wohl genau wie ich aus reinem Spaß am schönen Gefühl barfuß durch die Welt und nicht aus exhibitionistischer Neigung. Allerdings ist diese Angst fast immer unbegründet; zumindest hier in (Ober-) Bayern interessiert kaum keinen Menschen, ob man beschuht oder barfuß durch die Lande zieht, egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Es gibt allerdings einige Regeln, die man beachten sollte, wenn man nicht übermäßig auffallen möchte. Ich habe für mich persönlich festgelegt, daß die Grenze zwischen dem Spaß am Barfußlaufen und dem Respekt vor den ästethischen Bedürfnissen meiner Mitmenschen, die sich durch den Anblick nackter Füße gestört fühlen könnten, dort liegt, wo ich auch nicht mehr in kurzen Hosen rumlaufen würde. Das ist natürlich sehr subjektiv, denn auch für das Tragen von Shorts gibt es keine festen Regeln (außer den selbstgemachten), trotzdem funktioniert das ganz gut. In der Praxis bedeutet das, daß ich z.B. in Restaurants nie barfuß laufen würde (Fast-Food wie McDonalds zählt natürlich nicht dazu, nirgendwo fällt man barfuß so wenig auf, wie bei McDonalds!), auch nacktfüßig in feineren Läden etc. ist für mich tabu. Ein gewisser Opportunismus gehört natürlich auch dazu. Kontoauszüge und Geld hole ich in der Bank problemlos barfuß, während ich dort einen Kredit nur beschuht (und in langer Hose!) beantragen würde.
Barfuß zur Eisdiele oder in den Supermarkt ist dagegen überhaupt kein Problem und bei warmem Wetter für mich der Normalfall. Während man hier in der Eisdiele überhaupt nicht auffällt und oft auch nicht alleine "unten ohne" ist, muß man sich im Supermarkt, meistens von älteren Damen, schon mal eher skeptischen Blicken aussetzen, gesagt hat aber noch nie jemand was. Das "Schlimmste", was einem passieren kann, ist ein Kind das quer durch den Supermarkt ruft: "Kuck mal, Mama, der Mann ist barfuß!", woraufhin üblicherweise der gesamte Laden erst auf das Kind und dann auf mich schaut und anschließend in gemeinschaftliches Schmunzeln einfällt, das passiert schon mal. Das hat dann ein bißchen was von "Des Kaisers neuste Kleider". Übrigens kaufen hier im Hochsommer öfters auch andere (meistens junge Frauen) barfuß ein, das ist natürlich nicht die Regel, aber auch nicht soooo selten. Falls es in diesem Land wirklich Einkaufsmärkte geben sollte, in denen man nicht barfuß laufen darf (ich meine, sowas hier gelesen zu haben), so ist das zwar nicht ganz nachvollziehbar, sollte aber trotzdem respektiert werden. Erstens bringt es sowieso nichts, mit dem "Gorilla" an der Tür zu diskutieren, weil der ja nur seine Anweisungen befolgt, zum zweiten hat der Laden immerhin das Hausrecht, das man dann auch akzeptieren sollte; es gibt wirklich schlimmere Formen der Diskriminierung. Ob ich persönlich den Laden dann nur in Schuhen betreten oder komplett boykottieren würde, hinge von der Art der Abweisung ab, wenn sie freundlich wäre, käme ich mit Schuhen wieder, bei einem "Rausschmiß" wäre der Laden auch mit Schuhen für mich tabu, der Ton macht eben die Musik.
Die "Anfänger" unter euch, die Angst vor peinlichen Blicken haben, sollten das Barfußlaufen in der Öffentlichkeit vielleicht einfach mal unter einem anderen Gesichtspunkt sehen. Saugt diese Blicke ruhig mal bewußt auf und ihr könnt ein Gefühl dafür bekommen, wie es denen geht, die in dieser Gesellschaft permanent "anders" aussehen, also Behinderte, Farbige oder auch nur Punker mit Irokesenschnitt. Unter diesem Aspekt mutiert Barfußlaufen schon fast zu einer toleranzbildenden Aktion.
Eine kleine Anekdote für die Extrembarfüßer unter euch, die auch im Winter draußen barfuß rumlaufen (ich meine nicht die 5 Minuten im Garten durch Neuschnee um den Kreislauf anzukurbeln) und sicher auch bei mir auf Kopfschütteln gestoßen wären (Sorry for that). Um Mitreden zu können, habe ich mir gestern nacht auf dem Weg von der S-Bahn nach Hause den "Luxus" gegönnt, bei knapp über 0 °C fünf Minuten barfuß durch den Schneematsch zu laufen. Und mußte feststellen, daß das wenig prickelnd war. Wobei weniger die Kälte das Problem war, als mehr der fiese spitze Split, der in den Tagen zuvor gestreut wurde. Anschließend hatte ich zwar richtig heiße Füße, barfuß durch den Winter wird aber trotzdem auch in Zukunft nicht mein Ding sein.
Viele Grüße an alle,
Jörg